Betriebsrat muss nicht mitbestimmen

So ein Zufall – an Schicht-Tagen regelmäßig krank …

17.07.2009
In bestimmten Einzelfällen kann der Arbeitgeber die sofortige Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für jede Krankmeldung verlangen. Michael Henn* nennt ein Beispiel.

Die Anweisung des Arbeitgebers an einen Arbeitnehmer, eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei jeder Krankmeldung sofort vorzulegen, unterliegt nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats, wenn sie in Besonderheiten des Einzelfalles begründet ist und ihr keine erkennbare generelle Regelung zugrunde liegt. Die hat das Hessische Landesarbeitsgerichts mit Urteil vom 17.09.2008 (Az.: 8 Sa 1454/07) entschieden.

In dem Verfahren stritten die Parteien darüber, ob der Arbeitgeber berechtigt ist, vom Kläger zu verlangen, dass er bei jeder Krankmeldung unverzüglich eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt. In dem entschiedenen Fall ging es um Folgendes: Der Kläger ist Mitglied des Betriebsrats. Er ist bei der Flugabfertigung als "Load Controller" beschäftigt und arbeitet dabei im Schichtsystem. Nach seinem Arbeitsvertrag ist er verpflichtet, sogenannte "Springer- / Splitdienste" zu leisten, sofern betriebliche Erfordernisse vorliegen. Bei diesen umfasst die tägliche Arbeitszeit zwei Dienstbeginne. Die Unterbrechung und die Dauer der einzelnen Dienste können unterschiedlich lang sein.

Der Kläger erkrankte mit einer gewissen Regelmäßigkeit an den Tagen, an denen er zu diesen Diensten eingeteilt war. Mit Schreiben vom 24. November 2006 teilte der Arbeitgeber daher dem Kläger mit, dass er von ihm ab sofort für jede Krankmeldung eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zur unverzüglichen Vorlage fordere.

Betriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht

Der Kläger war der Auffassung, der Arbeitgeber sei nicht berechtigt, von ihm zu fordern, dass er für jede Krankmeldung unverzüglich eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlege. Ein solches Verlangen unterliege der Mitbestimmung des Betriebsrates.

Dies sah das Hessische Landesarbeitsgericht jedoch anders. Diese Maßnahme unterliege nicht der Mitbestimmung des Betriebsrates. Es sei davon auszugehen, dass die Regelung der Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen eine Frage der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens des Arbeitnehmers im Betrieb sei. Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG setze aber einen kollektiven Tatbestand voraus. Dieser liege jedoch nur dann vor, wenn sich eine Regelungsfrage stelle, die kollektive Interessen der Arbeitnehmer des Betriebes berühre. Für Krankengespräche habe das Bundesarbeitsgericht in die Unterscheidung zwischen mitbestimmungspflichtigem kollektiven Tatbestand und mitbestimmungsfreier Individualmaßnahme danach getroffen, ob die Gespräche in einer generalisierten Art und Weise durchgeführt werden oder ob sie allein durch Umstände veranlasst sind, die in der Person einzelner Arbeitnehmer begründet seien, ohne die übrige Belegschaft zu berühren.

Im vorliegenden Fall sei ein kollektiver Tatbestand nicht zu erkennen. Das Verlangen des Arbeitgebers, dass der Kläger unverzüglich ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt, sei in der Person des Klägers begründet, so die Richter, und berühre die übrige Belegschaft nicht. Es beruhe auf Besonderheiten der Krankheitsanfälligkeit des Klägers - nämlich dem auffälligen Zusammenhang zwischen der Einteilung des Klägers zu bestimmten Diensten und seinen Erkrankungen.

Kollektiver Tatbestand vs. individuelle Maßnahme

Die übrige Belegschaft könnte zwar nun befürchten, bei einer gleichen Auffälligkeit ebenfalls verpflichtet zu werden, unverzüglich Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorzulegen. Das allein macht aber die individuelle Maßnahme noch nicht zu einem kollektiven Tatbestand. Jegliche individuelle Maßnahme, die in der Person eines einzelnen Arbeitnehmers begründet sei, habe es an sich, dass sie als Präzedenzfall angesehen werden kann.

Wollte man einen kollektiven Tatbestand allein deshalb bejahen, weil grundsätzlich jeder Arbeitnehmer von der Maßnahme betroffen werden kann, hieße das, die Möglichkeit mitbestimmungsfreier individueller Maßnahmen auf dem Gebiet der Ordnung und des Verhaltens im Betrieb zu verneinen. Gleiches gilt für das Argument, dass durch die Maßnahme des Arbeitgebers ein betroffener Arbeitnehmer von denen unterschieden wird, die nicht betroffen werden. In Zweifelsfällen sollte rechtlicher Rat eingeholt werden. (OE)

Der Autor Michael Henn ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht und Arbeitsrecht sowie VdAA-Präsident.

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