Sinn vermitteln - mit stabilen Werten

So führen Sie richtig in unsicheren Zeiten

01.12.2008
In einem dynamischen Wettbewerbsumfeld hat der Firmenleitung die Aufgabe, den Mitarbeitern Orientierung zu geben. Wie das geht, sagt Konrad Stadler.

Gemeinsam entwickelte und gelebte Werte dienen in Veränderungsprozessen als Kompass und erinnern jeden daran, den eingeschlagenen Kurs beizubehalten.

In jedem Unternehmen gibt es Werte, eine Vorstellung davon, was erfolgreiches Handeln ausmacht. Doch sind diese Werte im Alltag verankert? Und trägt das Wertegerüst, auf das sich ein Unternehmen über viele Jahre gestützt hat, auch in Zukunft noch? Diese Fragen stellte sich die Geschäftsführung eines global operierenden Produzenten von Hochleistungsschmierstoffen, der auf 175 Jahre Geschichte zurückblickt. Der Konzern hat zwar Wertvorstellungen in den letzten Jahrzehnten entwickelt, aber diese Werte wurden weder so eindeutig definiert noch immerfort gelebt. Der Geschäftsführung ist bewusst, dass das Unternehmen die langfristigen Ziele nicht ausschließlich über betriebswirtschaftliche Kennzahlen erreichen kann. Daher hat sie ein Instrument gesucht, um die soziale Kompetenz in der Führungskultur auszubauen und einen homogenen Führungskreis zu etablieren.

Klare Verantwortlichkeiten

Heute dienen starke Werte im gesamten Unternehmen als Richtschnur. Im Laufe des Werteprozesses wurde der Führungskreis auf eine inhaltliche Linie gebracht sowie eine Entscheidungsmatrix etabliert. Darin werden jedem Geschäftsbereich klare Verantwortlichkeiten zugewiesen. Insgesamt ist die Entscheidungsfähigkeit und menschliche Akzeptanz stark gestiegen. Dazu beigetragen hat, dass rund 70 Führungskräfte als Multiplikatoren ausgewählt wurden, damit sie die Werte in die gesamte Organisation weitertragen.

Multiplikatoren nehmen in einem Werteprozess eine Sonderstellung ein. Sie müssen von der Bedeutung und Leistungsfähigkeit eines Wertekanons vollauf überzeugt sein und werden darin geschult, die Werte zu präsentieren, zu reflektieren und zu messen. Multiplikatoren dienen als Barometer, da sie frühzeitig Widerstände aufspüren und auftretende Probleme an die Unternehmensleitung zurückspiegeln können. Diese wiederum hält ihnen als Mentor den Rücken frei, indem sie Rahmenbedingungen absteckt und die Rolle der Multiplikatoren im Unternehmen klärt.

Hierarchieübergreifender Diskurs

Das Firmenbeispiel zeigt, dass ein Werteprozess nur dann erfolgreich ist, wenn er sowohl die Unternehmens- als auch die Führungskultur einbezieht. Die gemeinsam gelebten Werte geben der Unternehmensleitung und den Mitarbeitern nicht nur die nötige Orientierung in oft langwierigen Veränderungsprozessen. Eine Organisation, die sich von Werten leiten lässt, fördert auch den Diskurs über eigene Stärken und Schwächen - und dies hierarchieübergreifend.

In einem dynamischen Wettbewerbsumfeld hat die Geschäftsleitung die vordringliche Aufgabe, mit einem stabilen Wertesystem Sinn zu stiften, das heißt, mit Werten einen Entscheidungsrahmen zu definieren. Im Idealfall steuern die Werte die Organisation - völlig unabhängig von ihrer Größe - wie ein Autopilot: Führungskräfte müssen dann weniger anweisen, und die Teams können autonomer arbeiten. Erfolgreiche Unternehmensleiter sind also bereit, Verantwortung zu übertragen. Zugleich wissen sie, wann sie das Steuer wieder in die Hand nehmen müssen. Die Kunst besteht darin, diese Balance zwischen Führung und Selbstorganisation dauerhaft zu wahren.

Freiräume für Personalführung

Dazu gehört auch, die notwendigen Freiräume zu schaffen - beim größten Münchner Dienstleistungsunternehmen für Senioren hat sich die Geschäftsführung beispielsweise entschieden, die Bereichsleiter zu zehn Prozent ihrer Arbeitszeit vom Tagesgeschäft zu befreien, damit sie diese bewusst in die Personalführung und Mitarbeiterkommunikation investieren. Aufgaben, die im Alltagsrauschen oft untergehen. Die aber den Boden dafür bereiten, dass sich die Mitarbeiter stärker und länger an das Unternehmen binden.

Einen Werteprozess nutzen die meisten Unternehmen auch für einen Neuaufbruch. Bei einem Finanzinstitut mit bundesweiten Niederlassungen fließt der Werteprozess nahtlos in einen Identitätsprozess. Im Rahmen der konzernweiten Umstrukturierung wurde eine neue Division gegründet, die sich die zentrale Frage stellte: Was zeichnet uns aus - über das Spektrum an Finanzdienstleistungen hinaus? Was ist unsere DNA? Die Division suchte nach Wegen, wie die Spezialisten aus unterschiedlichen Bereichen zusammenfinden. Neben den fachlichen Herausforderungen ging es vor allem um die Definition und Verankerung einer Unternehmenskultur, die der neuen Einheit eine klare Richtung vorgeben sollte. Inzwischen hat sich in der Division die Überzeugung verbreitet, dass das Unternehmen seine Ziele nur dann erreicht, wenn sich die Mitarbeiter vollständig mit der Organisation identifizieren. Wenn sie sich zuallererst einmal wertgeschätzt und am Arbeitsplatz wohlfühlen. Dabei haben die Mitarbeiter es sehr positiv aufgenommen, dass ihre Division auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten in den Aufbau und die Pflege einer Wertekultur investiert.

Denn ein Werteprozess ist kein Selbstläufer. Vor allem bei erhöhtem Kostendruck droht das Thema schnell in den Hintergrund zu geraten. Mit kurzfristigen Sparmaßnahmen kann ein Unternehmen den Boden wieder verbrennen, auf dem es eigentlich gedeihen soll. Der Wertekompass funktioniert aber nur, wenn die Werte in Krisenzeiten nicht aufgegeben, sondern betont werden. Halten sich alle an die Spielregeln und werden auch Rückschläge in Kauf genommen, gelangt das gesamte Unternehmen durch die gegenseitige Inspiration von Führungskräften und Mitarbeitern auf eine immer höhere Stufe.

Der Autor Konrad Stadler ist Partner bei der Beratung für Unternehmenskultur stadler/heinle/schott/ und Co-Autor des Buches "Finde das rechte Maß" (Piper, 2004).

Weitere Informationen und Kontakt:

Markus Czeslik, stadler/heinle/schott, Gabelsbergerstr. 47, 80333 München, Tel. 089 273717-16, Fax: 089 273717-11, E-Mail: czeslik@stadler-heinle-schott.de, Internet: www.stadler-heinle-schott.de