IT-Ausschreibungen der öffentlichen Hand

Stolperfallen bei IT-Ausschreibungen

22.11.2017 von Michael Rath und Henning Holz  
Wenn ein öffentlicher Auftraggeber bei der Ausschreibung eines Vergabeverfahrens, die Leistungsbeschreibung bereits konkret an ein bestimmtes IT-Produkt oder Unternehmen anpasst, ist das gesetzwidrig.

Eine solche Vorgehensweise verstößt gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und die Vergabeverordnung. Denn die Leistungsbeschreibung darf nicht auf

Bezug nehmen.
Demgemäß stehen die Auftraggeber vor dem Problem, die Leistungsbeschreibung hinreichend detailliert und gleichzeitig neutral auszugestalten.

Ausschreibungsverfahren von öffentlichen Auftraggebern dürfen keine Produkt- oder Leistungsmerkmale enthalten, ausschließlich auf ein bestimmtes Produkt abzielen.
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Vergabeverfahren

Die Vergabeverordnung regelt in ihren Bestimmungen die Verfahrensregeln bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen. Sie wurde auf Basis des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen erlassen und richtet sich dementsprechend an alle öffentlichen Auftraggeber.

Die detaillierten Verfahrensregeln beinhalten unter anderem Vorgaben über

Im Kapitel zur Vorbereitung eines Vergabeverfahrens werden insbesondere Regeln für die Durchführung einer Markterkundung sowie Vorgaben für die Erstellung von Vergabeunterlagen einschließlich der Leistungsbeschreibung normiert.

Lesetipp: Öffentliche Vergabeverfahren: Gebrauchte Software - Rechtswidriger Ausschluss

Leistungsbeschreibung

Der Inhalt der Leistungsbeschreibung wird in der Regel die wesentliche Grundlage des später abzuschließenden Vertrages. Demgemäß ist es von großer Bedeutung, eine ordnungsgemäße und zugleich eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung zu erstellen. Grundsätzlich muss eine gesetzeskonforme Leistungsbeschreibung daher

enthalten.
Sinn und Zweck der gesetzlichen Konkretisierungen ist es, alle potentiellen Bieter in einem Vergabeverfahren gleich zu behandeln.

Gebot der produktneutralen Leistungsbeschreibung

Dem vorgenannten Zweck und der Warenverkehrsfreiheit dient auch die Verpflichtung zur produktneutralen Ausgestaltung der Leistungsbeschreibung. Die Leistungsbeschreibung darf jedenfalls nicht zu einer ungerechtfertigten Begünstigung oder dem Ausschluss von bestimmten Unternehmen oder Produkten führen.

Ausnahmsweise kann vom Grundsatz der Produktneutralität jedoch abgewichen werden, wenn ein Verweis auf ein konkretes Produkt oder Unternehmen durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt werden kann. Solche Verweise sind jedoch nur dann zulässig, wenn es keine genaueren oder verständlicheren Alternativen gibt.
Einschränkungen, die aus der Definition des Beschaffungsgegenstandes resultieren, sind daher grundsätzlich hinzunehmen. Allerdings sind die Verweise in jedem Fall mit dem Zusatz "oder gleichwertig" zu kennzeichnen.

Beschlüsse der Vergabekammern hinsichtlich der Produktneutralität

Bei den Vergabekammern können gegebenenfalls benachteiligte Bieter ihre subjektiven Rechte in einem Nachprüfungsverfahren geltend machen. Die Vergabekammer überprüft sodann, ob der öffentliche Auftraggeber die einschlägigen Verfahrensregeln beachtet hat. Durch seine hohe praktische Bedeutung ist das "Gebot der Produktneutralität" Gegenstand einer Vielzahl an Beschlüssen der Vergabekammern geworden:

Fazit

Die öffentlichen Auftraggeber sollten sicherstellen, dass sie bei der Ausgestaltung der Leistungsbeschreibung die produkt- und verfahrensmäßige Neutralität einhalten, da die Bieter die Möglichkeit haben, gegen eine sachfremde Leistungsbeschreibung vorzugehen und diese nach entsprechender Rüge in einem Nachprüfungsverfahren vor der zuständigen Vergabekammer überprüfen zu lassen.

Bei einem von der Vergabekammer festgestellten Verstoß gegen das Gebot zur produktneutralen Ausschreibung wird der betreffende öffentliche Auftraggeber regelmäßig verpflichtet, das Vergabeverfahren aufzuheben und bei fortbestehender Beschaffungsabsicht erneut - vergaberechtskonform - durchzuführen. Den Bietern ist zu empfehlen, von ihren möglichen Rechtsmitteln Gebrauch zu machen, um so die öffentlichen Auftraggeber zu einer rechtskonformen Ausschreibungspraxis anzuhalten.

Lesetipp: Das Wichtigste zum Wettbewerbsregister