Arbeitnehmer freut’s - Arbeitgeber weniger

Urlaubsanspruch trotz Krankheit

03.05.2011
Ein Arbeitnehmer verliert nicht seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, den er wegen Krankheit nicht nehmen konnte. Frhr. Fenimore von Bredow* stellt ein Urteil vor.

Nach einem Urteil des EuGH vom 20.01.2009 (Az.: C-350/06) verliert ein Arbeitnehmer nicht seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, den er wegen Krankheit nicht nehmen konnte. Der nicht genommene Jahresurlaub ist abzugelten. In dem Urteil ging es um die Auslegung des in der Gemeinschaftsrichtlinie über die Arbeitszeit verankerten Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub, worum das Landesarbeitsgericht Düsseldorf und das House of Lords (Vereinigtes Königreich) ersucht hatten.

Das LAG Düsseldorf hatte über die Urlaubsabgeltung bei einem Arbeitnehmer zu entscheiden, der seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub wegen einer Arbeitsunfähigkeit, die zu seiner Verrentung geführt hatte, nicht ausüben konnte. Nach den einschlägigen deutschen Vorschriften erlischt der Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub am Ende des betreffenden Kalenderjahrs und spätestens am Ende eines Übertragungszeitraums, der - vorbehaltlich einer tarifvertraglich vorgesehenen Abweichung zugunsten des Arbeitnehmers - drei Monate beträgt. War der Arbeitnehmer bis zum Ende dieses Übertragungszeitraums arbeitsunfähig, muss der nicht genommene bezahlte Jahresurlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses nach deutschem Recht nicht finanziell abgegolten werden.

Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht

Dies hat der EuGH nun als Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht betrachtet. Zwar werden die Anwendungsmodalitäten des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub in den verschiedenen Mitgliedstaaten durch diese Staaten geregelt, doch unterliegen diese für die Übertragung nicht genommenen Jahresurlaubs bestimmten Grenzen. Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub kann bei einem ordnungsgemäß krankgeschriebenen Arbeitnehmer nicht von der Voraussetzung abhängig gemacht werden, dass er während des in einem Mitgliedstaat festgelegten Bezugszeitraums tatsächlich gearbeitet hat. Folglich kann ein Mitgliedstaat den Verlust des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums nur unter der Voraussetzung vorsehen, dass der betroffene Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, seinen Urlaubsanspruch auszuüben.

Doch einem Arbeitnehmer, der während des gesamten Bezugszeitraums und über einen im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraum hinaus krankgeschrieben ist, ist jede Möglichkeit genommen, in den Genuss seines bezahlten Jahresurlaubs zu kommen. Das gilt auch für einen Arbeitnehmer, der während eines Teils des Bezugszeitraums gearbeitet hat, bevor er krankgeschrieben wurde.

Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums darf nicht erlöschen, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses fortgedauert hat, weshalb er seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte.

Hinsichtlich des Anspruchs auf eine bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu zahlende finanzielle Vergütung für bezahlten Jahresurlaub, den der Arbeitnehmer nicht nehmen konnte, stellt der EuGH weiter fest, dass diese Vergütung in der Weise zu berechnen ist, dass der Arbeitnehmer so gestellt wird, als hätte er diesen Anspruch während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses ausgeübt. Folglich ist das gewöhnliche Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers, das während der dem bezahlten Jahresurlaub entsprechenden Ruhezeit weiterzuzahlen ist, auch für die Berechnung der finanziellen Vergütung für bei Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht genommenen Jahresurlaub maßgebend.

Gravierende Folgen für Arbeitgeber

Fälle, in denen Arbeitnehmer an Langzeiterkrankungen leiden, können Arbeitgeber in Zukunft teurer zu stehen kommen. Bislang war der Arbeitgeber in solchen Fällen - abgesehen vom Entgeltfortzahlungszeitraum - mit keinen nennenswerten Kosten belastet. Dauerte die Erkrankung längere Zeit an, wartete er bei Langzeitbeschäftigten in der Regel rund drei Jahre ab, um anschließend eine personenbedingte Kündigung wegen Langzeiterkrankung auszusprechen.

Nach der Rechtsprechung des BAG gibt es zwar keine festen Maßstäbe dafür, welche Krankheitszeiten die für eine krankheitsbedingte Kündigung erforderliche negative Zukunftsprognose ermöglichen. Allerdings lagen die Krankheitszeiten in den vom BAG entschiedenen Fällen regelmäßig in dem Bereich zwischen 18 und 36 Monaten. Künftig müssen Arbeitgeber in diesen Fällen aufgrund des Urteils damit rechnen, den Jahresurlaubsanspruch langzeiterkrankter Mitarbeiter teuer abgelten zu müssen.

Der Autor Frhr. Fenimore von Bredow ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Leiter des VdAA-Fachausschusses "Besondere Arten von Arbeitsverhältnissen".

Kontakt: Domernicht, v. Bredow, Wölke, Tel.: 0221 283040, E-Mail: v.bredow@dvbw-legal.de, Internet: www.dvbw-legal.de und www.vdaa.de