Bankfragen per Live-Schaltung klären

Video-Banking statt Filialbesuch

09.05.2017 von Stephan Schulz
Immer mehr Kreditinstitute offerieren Beratungsgespräche per Video-Chat. Zusätzliche Technik braucht es dafür nicht. Welche Möglichkeiten Video-Banking bietet und wie Unternehmen profitieren können.
Video-Banking entwickelt sich zum Standard in der Bankdienstleistung.
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Per Live-Schaltung wichtige Bankfragen klären, egal wo man sich gerade aufhält. Dieser Wunsch ist vielerorts schon Wirklichkeit. Neben vielen Sparkassen und Genossenschaftsbanken setzen auch größere Geschäftsbanken verstärkt auf Video-Chats als moderne Kommunikationsform. Noch ist vielen Bankkunden das Video-Banking fremd. Viele Institute bewerben das neuartige Angebot nicht offensiv, solange es sich noch in der Testphase befindet. Doch viele Systeme sind den Kinderschuhen entwachsen und entwickeln sich zum Standard in der Bankdienstleistung. Es lohnt sich für Privat- und Geschäftskunden, den Einsatz von Video-Banking zu testen.

Mit Video-Chats wollen Banken raus aus einer gefährlichen Zwickmühle: Kunden kommen immer seltener in die Filiale und erledigen ihre Bankgeschäfte verstärkt online. Infolgedessen werden viele Filialnetze drastisch ausgedünnt. Nichtsdestotrotz legen Kunden aber großen Wert auf einen persönlichen Kontakt, insbesondere bei wichtigen Anlage- und Finanzierungsfragen.

Persönliche Beratung per Mausklick

Video-Chats schlagen eine Brücke zwischen digitalen und stationären Services. Banken bieten ihren Kunden damit eine persönliche Beratung analog dem gewohnten Präsenzgeschäft. Kunden können per Mausklick mit ihrem Bankberater in Kontakt treten. Über das notwendige Equipment verfügen sie in der Regel bereits. Internet-Zugang, Breitbandverbindung und Webcam zählen zur Standausstattung moderner Computer, Tablets und Smartphones.

Die Systeme geben Raum für individuelle Bedürfnisse. Nutzer können in der Regel selbst entscheiden, ob ihr Bild an den Bankberater übertragen wird. Lehnt ein Kunde dies ab, sieht er zwar den Berater, der ihn aber nicht. Für die Unterhaltung kommen PC-eigene Lautsprecher und Mikrofone oder ein separat angeschlossenes Telefon zum Einsatz.

Video-Chats können persönliche Gespräche zwar nicht ersetzen, doch sie erlauben eine weitgehend gleichwertige Beratung wie in der Filiale. Schriftliche Materialien wie Charts und Prospekte lassen sich visualisieren und zusammen durchgehen. Auch das Ausfüllen von Formularen und Verträgen kann Hand in Hand erfolgen. Verständnisfragen lassen sich schnell und unkompliziert klären. Bei komplexen Themen werden schon im Vorfeld Unterlagen zugestellt. Wichtige Unterlagen, wie etwa Vertragsentwürfe, werden im Anschluss an den Video-Chat über das Online-Postfach übermittelt. Kunden können die Unterlagen in Ruhe prüfen und unterschrieben zurücksenden, falls keine offenen Fragen bleiben.

Lesetipp: Live-Chat-Tool im Online Shop

Bestens informiert

Besonders gut eignen sich Video-Chats für eine Erstberatung, um grundsätzliche Fragen zu klären und mögliche Handlungsfelder zu identifizieren. Anschließend kann ein vertiefender Beratungstermin in der Filiale stattfinden. Auch für Anschlussberatungen ist Video-Banking von Vorteil. Bankberater können Rückfragen klären und Konditionsvarianten schriftlich vorrechnen. Bankdienstleistungen lassen sich zunehmend komplett per Video-Chat abwickeln. So ist etwa die Eröffnung neuer Konten oder Depots möglich. Die Identifikation erfolgt per Video-Ident-Verfahren, ohne den Weg in die Filiale oder Postfiliale (Post-Ident) antreten zu müssen.

Gerade für Führungskräfte ist Videotelefonie attraktiv. Ein kurzer Video-Chat findet selbst in engen Terminkalendern Platz, etwa in der Mittagspause oder in den frühen Abendstunden. Weiterer Vorteil: Per Video-Banking können mehrere Entscheidungsträger, unabhängig vom Aufenthaltsort, an einem Banktermin teilnehmen.

Auf Nummer sicher

Die meisten Kreditinstitute entwickeln ihre Systeme stetig weiter, um die Nutzerfreundlichkeit und den Datenschutz zu optimieren. Zudem haben sie strenge rechtliche Auflagen zu erfüllen, die im Zuge der bevorstehenden Finanzmarktnovellierung (Umsetzung der MiFiD II-Richtlinie) tendenziell weiter zunehmen werden. Im Umkehrschluss können Bankkunden von einem hohen Maß an Sicherheit profitieren.

Nichtsdestotrotz sollten Bankkunden Maßnahmen ergreifen, um rechtlich stets auf der sicheren Seite zu sein: Kunden sollten alle Bestimmungen für das Video-Banking kennen, die in eigenen Nutzungsbedingungen oder den AGB für das Online-Banking geregelt sind. Vor allem die Sicherheitshinweise der Anbieter sollten Kunden ernst nehmen. Bei unverschlüsselter E-Mail-Kommunikation ist erhöhte Vorsicht geboten. Nachrichten können von einem Administrator oder Angreifer einfach gelesen werden. Kunden sollten die ungeschützte Weitergabe von persönlichen Daten auf ein Minimum beschränken. Sie kommunizieren am besten grundsätzlich über die im geschützten Nutzerbereich vorgesehenen Postfächer. Zwar sind Banken zur Archivierung wichtiger Dokumente verpflichtet. Nichtsdestotrotz sollten Kunden auf eine Aushändigung maßgeblicher Unterlagen bestehen, um sie auch selbst archivieren zu können.

Eine neuartige Form des Video-Chats ist das sogenannte "Co-Browsing". Die Beratung erfolgt per Telefon und durch ein gemeinsames Browser-Fenster. Gestartet wird das Gespräch über einen geschützten Bereich auf der Homepage der Bank. Dank spezieller Software sehen Kunde und Berater synchron die gleichen Dinge. Kunden können dem Bankberater quasi über die Schulter schauen und gemeinsam im Internet surfen. Auf Wunsch überträgt der Berater einzelne Kundendaten direkt in Formulare und Vertragsangebote. Kunden können dann per TAN-Eingabe gleich Verträge rechtswirksam abschließen. Die Entwicklungen schreiten schnell voran. Bankkunden sollten die Neuerungen aufmerksam verfolgen und für ihre Zwecke ausloten.

Praxistipps: vom Video-Banking profitieren

1. Persönlich: Online-Banking schmälert den persönlichen Kontakt zur Bank. Doch bei wichtigen Entscheidungen sind vertrauensvolle Ansprechpartner unerlässlich. Video-Banking erlaubt eine Live-Schaltung zum Kundenbetreuer. Von Angesicht zu Angesicht kann man leichter ein Vertrauensverhältnis aufbauen und pflegen.

2. Flexibel: Schnell vergeht wertvolle Zeit bis ein Vorort-Termin in der Bankfiliale zustande kommt. Per Video-Chat gewinnen Kunden und Berater deutlich mehr Flexibilität. Sie stehen ortsunabhängig in Kontakt und können auch kleine Terminlücken zur Abstimmung nutzen. Eine lange Anfahrt zur Filiale gehört der Vergangenheit an.

3. Sicher: Bankgeschäfte erfordern höchste Sicherheit. Videotelefonie über Anwendungen wie Skype und Co. ist zur Finanzberatung nur bedingt geeignet. Deshalb setzen viele Kreditinstitute auf eigene geschützte Online-Verbindungen. Dank moderner Technik können Kunden sogar verbindliche Rechtsgeschäfte abschließen.

Dr. Stephan Schulz ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und Assoziierter Partner der Kanzlei BKL Fischer Kühne + Partner. www.bkl-law.de

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