Frühwarnsystem nutzen

Warum Reklamationen gut sind

28.01.2014 von Renate Oettinger
Kundenreklamationen nerven – vordergründig. Doch sie geben wertvolle Hilfestellung, wunde Stellen in der eigenen Firma ausfindig zu machen. Helmut König stellt zehn Thesen zum Reklamationsmanagement vor.
Der Kunde schimpft und beschwert sich: Oft machen Unternehmen dann Fehler, die die Kunden unnötigerweise vergraulen.
Foto: Stefan Rajewski - Fotolia.com

Reklamationen werden oft als Geißel unserer Zeit empfunden. Kunden reklamieren auf Teufel komm raus, um aus einem Geschäft zusätzlichen Profit zu schlagen. Die oft übertriebenen Forderungen aus Urlaubsreisen sind da ein symptomatisches Beispiel. Dabei sind Reklamationen neben den eigenen Mitarbeitern und externen Fachkräften ein hervorragendes Mittel, um Schwachpunkte im Unternehmen zu erkennen und abzustellen. Ein funktionierendes Reklamationsmanagement ist deshalb ein vorzügliches Frühwarnsystem im Unternehmen

Allerdings werden beim Reklamationsmanagement viele Fehler gemacht, die unnötigerweise Kunden vergraulen. Um dies vermeiden, sollten Verkäufer, Fachhändler, Dienstleister und Berater die folgenden zehn Thesen beachten.

These 1: Jede Reklamation ist berechtigt.

Grundsätzlich hat ein reklamierender Kunde ein Problem mit einem Produkt oder einer Dienstleistung des Unternehmens. Dieses Problem ist unabhängig von der sachlichen oder technischen Richtigkeit der Reklamation. Wenn uns zum Beispiel die Semmeln eines Bäckers nicht schmecken, muss das nichts mit der Qualität der Backwaren zu tun haben. Aus der Sicht des Kunden ist seine Beschwerde berechtigt. Nur Verständnis mit seiner Lage ist der erste Schritt zur Lösung.

These 2: Jede Reklamation ist neu und einzigartig.

Für einen Kunden ist jede Reklamation neu und einzigartig. Egal, wie oft ein Unternehmen dieses Problem schon gehabt hat, für diesen Kunden muss dies das allererste Mal gewesen sein, und das muss der Kunde auch merken. Sprüche wie: "Ja, den Fehler kennen wir schon, das kommt jeden Tag vor" sind nicht geeignet, das angeknackste Vertrauen zwischen Lieferanten und Kunden wiederherzustellen. Mehrfach den gleichen Fehler beim selben Kunden zuzulassen ist schlechtes Reklamationsmanagement und zeigt, dass das Unternehmen aus seinen Fehlern nichts gelernt hat.

10 Thesen zum Reklamationsmanagement
These 10:
Mit Reklamationen kann man nicht nur bestehende Kunden behalten, sondern auch neue Kunden gewinnen.
These 9:
Schwarze Schafe filtern.
These 8:
Ein guter Arbeitsablauf vermeidet Reklamationswiederholungen.
These 7:
Eine Reklamation entsteht nicht erst dann, wenn der Kunde den Fehler bemerkt.
These 6:
Der Kunde braucht mehr als nur schöne Worte.
These 5:
Reklamationen potenzieren sich, wenn die Kommunikation im Unternehmen nicht klappt.
These 4:
Es gibt keine sachlichen Reklamationen.
These 3:
Es ist völlig unwichtig, wer an einer Reklamation schuld ist.
These 2:
Jede Reklamation ist neu und einzigartig.
These 1:
Jede Reklamation ist berechtigt.

These 3: Es ist völlig unwichtig, wer an einer Reklamation schuld ist.

Häufig wird beim Eingang einer Reklamation zuerst versucht, einen Schuldigen zu finden, auf den man die Verantwortung abwälzen kann. Die Emotion des Kunden wird an Kollegen, Mitarbeiter oder Lieferanten weitergegeben. Für den Kunden ist es aber absolut unerheblich, wer die Reklamation verursacht hat. Er will, dass ihm geholfen wird, nur das hat Vorrang. Jede Schuldzuweisung wird von ihm als Verzögerungstaktik betrachtet und hat negative Auswirkungen auf die weitere Kundenbeziehung.

These 4: Es gibt keine sachlichen Reklamationen.

Reklamationen lösen in der Regel Angstgefühle aus. Dabei schlägt Angst leicht in Aggressivität um. Der Kunde will "Druck machen", weil er dadurch hofft, eher an sein Ziel zu kommen. Jetzt arbeitet die Gefühlsseite des Gehirns zu 99 Prozent, die sachliche Ebene wird unterdrückt. Es macht in diesem Stadium überhaupt keinen Sinn, Reklamationen mit sachlichen Argumenten zu begegnen, der Kunde ist dafür im Moment nicht aufnahmebereit.

Zwei Ausnahmen bestehen von dieser Regel. Erstens: Manche Kunden schaffen es, Reklamationen sachlich vorzubringen; dies führt zu einer schnelleren, besseren, effektiveren Bearbeitung und in der Regel auch schnell zu einem für beide Seiten tragbaren Lösungsvorschlag. Zweitens: Manche Reklamationen sind vorgeschoben mit dem Ziel, den Preis im Nachhinein zu drücken. Das sind aber kriminelle Machenschaften. Beide Reklamationstypen werden sachlich überlegt abgewickelt.

These 5: Reklamationen potenzieren sich, wenn die Kommunikation im Unternehmen nicht klappt.

Kommunikationsregeln im Unternehmen betreffen Themen wie Erreichbarkeit, Vertretungen, Verantwortlichkeit oder Unterschriftenregelungen. Wenn diese Regeln nicht funktionieren, wird bei einer Reklamation schnell aus einer Mücke ein Elefant. Aussagen wie "Toll, dass man bei Ihnen endlich mal jemand erreicht, dass Ihre Pause schon zu Ende ist" führen sofort zu einer höheren Stufe der Eskalation. Viele Betriebe unterschätzen diesen Bereich und lassen damit vermeidbare Probleme für das eigene Unternehmen zu.

These 6: Der Kunde braucht mehr als nur schöne Worte.

Vielfach beschränken sich Tipps zur Reklamationsbehandlung auf die richtige Kommunikation mit dem Kunden. Das ist aber nur ein Teil des Prozesses. Richtige Behandlung braucht zwei weitere Schritte: zum einen den unbedingten Willen, dem Kunden zu helfen und Reklamationen zu lösen, und zum anderen einen Prozess, der die Abweichung analysiert, um aus ihr zu lernen und um Wiederholungen zu vermeiden.

These 7: Eine Reklamation entsteht nicht erst dann, wenn der Kunde den Fehler bemerkt.

Reklamationen sind Abweichungen von der Norm. Man muss nicht erst warten, bis der Kunde den Fehler bemerkt. Häufig werden Fehler schon im Produktionsprozess oder in der Verwaltung festgestellt. Jetzt ist es wichtig, dass diese Fehler nicht vertuscht, sondern korrigiert und dokumentiert werden. Ein aktiver Umgang mit diesen Fehlern führt zu aktiver Reklamationsvermeidung – er passiert jeden Tag zu jeder Zeit an jedem Ort im Unternehmen. Er funktioniert aber nur dort, wo Vertrauen zwischen Geschäftsführung, Abteilungsleitung und Mitarbeitern besteht.

These 8: Ein guter Arbeitsablauf vermeidet Reklamationswiederholungen.

Reklamationen müssen in einen festen Workflow eingebettet sein. Dieser Workflow bestimmt zum einen die Annahme und die Verantwortlichkeit der Beschwerde. Fest definierte Ansprechpartner und klar zugeordnete Verantwortlichkeiten schaffen Sicherheit bei der Reklamationsannahme und bei der Durchführung der ersten Schritte. Daran schließt sich ein Ablaufschema an, um eine Abweichung in einen Verbesserungsprozess zu überführen. Wenn alle beteiligten Mitarbeiter eines Unternehmens hier eingebunden werden, besteht die größte Chance, aus dieser Reklamation für die Zukunft zu lernen. Dabei bringt ein Auswertungs-Tool Abweichungen in eine solche Form, das daraus Rückschlüsse auf Produkte, Mitarbeiter, Lieferanten oder Kunden gezogen werden können.

These 9: Schwarze Schafe filtern

Ein Auswertungs-Tool findet auch die schwarzen Schafe unter Kunden und Lieferanten. Es zeigt neben den Abweichungen auch die Kosten, die dadurch entstanden sind. Jetzt erkennt man, was bisher nur ein Bauchgefühl war. Das Ergebnis – gleicher Kunde oder Lieferant mit unterschiedlichsten Reklamationen – bringt die Entscheidungshilfe, ob man weiter mit diesem Geschäftspartner zusammenarbeiten will.

These 10: Mit Reklamationen kann man nicht nur bestehende Kunden behalten, sondern auch neue Kunden gewinnen.

Gute Reklamationsbehandlung hilft, Kunden zu behalten. Eine gut zu Ende geführte Abweichung stärkt das Vertrauen der Geschäftspartner in künftige Geschäftsbeziehungen. Die Beziehung verbessert sich vor allem auf emotionaler Ebene und gibt den Kunden die Sicherheit, dass bei eventuellen künftigen Fehlern eine faire Lösung gefunden wird. Das gilt natürlich im erweiterten Maß für Empfehlungen bei Neukunden, da hier leichter Vertrauen aufgebaut werden kann.

Ein Wort zum Schluss: Reklamationen stören den Arbeitsprozess.

Reklamationen bestimmen nicht unser tägliches Leben, und das ist auch gut so. Sie stören aber unsere tagtäglichen Geschäftsprozesse und werden daher als negativ empfunden. Damit unterscheidet sich der Reklamationsvorgang nicht von anderen Prozessen wie Mahnungen oder Musteranforderung, die genauso ungleichmäßig auftreten. Während Alltagsprozesse problemlos funktionieren, müssen diese Bereiche praktisch immer wieder neu gelernt werden.

Die beste Möglichkeit, solche Prozesse zu erlernen, ist, sie gemeinsam mit den Sachbearbeitern genau zu beschreiben, zu trainieren und die Beschreibung verfügbar zu halten. So steht im Bedarfsfall wie bei einer guten Gebrauchsanleitung ein Hilfsmittel zur Verfügung, mit dem sich der Prozess abwickeln lässt. Das erspart Unternehmen viel Ärger und Frust in der Bearbeitung und ist gleichzeitig ein wichtiges Instrument zur Kundenbindung.

Mitarbeit: Helmut König ist Inhaber der Agentur Königskonzept in Münzenberg, einer Unternehmensberatung mit Schwerpunkt Marketing, Vertrieb und Organisation.

Kontakt und Infos: Tel.: 0172 9201709, E-Mail: helmut-koenig@koenigskonzept.de, www.koenigskonzept.de