SaaS, Cloud Computing und WebApps

Warum sich der Softwarehandel neu erfinden muss

07.05.2009 von Ronald Wiltscheck
Dem Softwarevertrieb stehen große Veränderungen bevor – unabhängig von der derzeitigen Wirtschaftskrise.

Fast 100 Teilnehmer am Channel-Sales-Day "Software Solutions" zeugten vom großen Interesse des Fachhandels an neuen Softwarevertriebsmodellen. Denn eines ist sicher: Die Zeit des klassischen Verkaufs von Lizenzen ist unwiederbringlich vorbei. Doch welche Konzepte werden sich in Zukunft durchsetzen? SaaS (Software-as-a-Service), Hosting oder kostenlose WebApps (siehe auch Umfrage ganz unten)?

Der Vertriebskongress von ChannelPartner hat hier einiges Licht ins Dunkel gebracht. In seinem Eröffnungsvortrag stellte Andreas Zilch von der Experton Group die Begriffe in den richtigen Kontext. Demnach bildet SaaS eine Untermenge von Cloud Computing, also der "Wolke", die Ressourcen wie Rechenleistung, Speicherkapazität und eben die Anwendungen bereitstellt. Deswegen brachte Zilch noch die Begriffe PaaS (Platform-as-a-Service) und IaaS (Infrastructure-as-a-Service) ins Spiel.

Eines war für den Marktforscher jedenfalls klar: Auch wenn die gesamte Wirtschaftsleistung Deutschlands dieses Jahr um sechs Prozent zurückgehen mag, der ITK-Markt kommt 2009 mit einem Minus von 3,7 Prozent noch glimpflich davon. Dabei sollten Reseller neue Konzepte wie Cloud Computing oder SaaS als Chance für neue Geschäfte begreifen und dementsprechend das eigene Portfolio sinnvoll ergänzen. Es gilt, die Bedürfnisse der Kunden rasch zu erkennen und das eigene Geschäftsmodell anzupassen.

Denn die Umsatzströme im Softwaregeschäft werden sich komplett verändern, genauso wie die Art der Zusammenarbeit der Reseller mit Anbietern und Kunden. Einerseits werden Vertriebspartner weiterhin mit den Herstellern kooperieren, andererseits aber auch in direkten Wettbewerb mit ihnen treten, etwa im Bereich Hosting. "Die Margen im Softwaregeschäft werden auf jeden Fall sinken", so Zilch.

SaaS wird ein Kanal unter vielen sein, über den Software zum Kunden gelangt. Es wird auch in fünf Jahren einen Mix aus fest installierter und stets abrufbarer Software geben, hier waren sich die vier Teilnehmer der Diskussionsrunde am Mittag einig. Da hörte aber auch schon die Eintracht auf. Von Lizenzmodellen à la Microsoft hält PC-Ware-Chef Knut Löschke nicht viel. Damit widersprach er auch dem dortigen Sales Manager Hosting, Mittelstand & Partner, Christian Nern.

Dieser stellte in seiner Keynote das Preiskonzept der von Microsoft gehosteten Lösungen vor, stieß aber trotz passabler Margen von bis zu 38 Prozent auf Skepsis der anwesenden Vertriebspartner. "Sind die Daten unserer Kunden bei Ihnen wirklich sicher?", fragte einer von ihnen. Hier sprang aber Löschke für Microsoft in die Bresche und verwies auf die gesetzliche Lage, die den Hoster zwingt, Daten seiner Kunden besonders stark vor Missbrauch zu schützen. "Wenn Sie einen wichtigen Brief per Post verschicken, vertrauen Sie doch auch darauf, dass ihn Unbefugte nicht lesen!", so der PC-Ware-CEO. Für ihn gibt es ohnehin nur ein passendes Abreichungsmodell für SaaS: "Pay per Use, wie beim Mobilfunk".

Carsten Mickeleit, der dritte Teilnehmer der Podiumsdiskussion, verwies darauf, dass seine Firma, die ThinPrint AG, sich mit dem Hosten von Exchange-Servern ein neues lukratives Feld erschlossen hat. Eigentlich als ISV am Markt tätig, können die Berliner somit dem Thema SaaS bereits heute positive Aspekte abgewinnen. Ganz so weit war der Vierte im Bunde, Helmut Duschinger von der Psylock GmbH, zwar noch nicht, aber er betonte, dass man bereits in diese Richtung arbeite.

Managed Security Services

Neben Psylock kamen noch drei weitere Security-Anbieter auf dem Channel-Sales-Day "Software Solutions" zum Zuge, nämlich CA, F-Secure und Panda Security. Damit bestätigten sie die These, dass sich IT-Sicherheit hervorragend für den Vertrieb von Services eignet. Dass aber auch Dokumenten-Management-Systeme (DMS) "aus der Wolke" angeboten werden können, war für die Mehrheit der Teilnehmer am CP-Vertriebskongress wohl eine mittelgroße Überraschung. In der Tat, dieses Geschäft scheint derzeit zu brummen: Die major soft GmbH, die das rein webbasierte DMS "GateOnDemand.com" anbietet, hat vorige Woche ihren Unternehmenssitz von Würzburg ins wesentlich teurere Münchner Umland verlegt.

Wie derartige in die "Wolke" zu platzierende Dokumente entstehen, zeigte Rüdiger Herfrid von Adobe. Mittlerweile sind nämlich PDF-Dokumente nicht mehr statische Text- und Grafiksammlungen, sondern mit interaktiven Elementen gespickt. Möglich macht dies die Flash-Integration. So laufen nicht nur Videoanimationen in PDF-Dateien ab, sogar komplexe CAD-Modelle können dort fast beliebig vergrößert, gedreht und damit aus verschiedenen Winkeln betrachtet werden.

Unified Communications aus der Wolke

Eingangsbereich zum Channel Sales Day
Foto:

Selbstverständlich durfte auf dem Channel-Sales-Day das Thema Unified Communications (UC) nicht fehlen. Was heute bereits mit einer modernen TK-Anlage machbar ist, demonstrierte Frank Winheller von Avaya. Die vom Hersteller vor drei Wochen vorgestellte "Aura"-Plattform ist nämlich der erste Schritt zu einer "Business Communications"-Infrastruktur, bei der Anwendungen in die UC-Architektur integriert werden. Das erleichtert dem Kunden seine tägliche Arbeit.

Gleichzeitig erfordert derartige Kommunikationsinfrastruktur viel Integrationsvorarbeit. Genau hier sind Vertriebspartner gefragt. So sucht Avaya nicht nur nach "Schraubern und Bastlern", die eine neue TK-Anlage installieren können, sondern auch Reseller sind gefragt, die zusätzliche Dienstleistungen anbieten können, die Kunden beraten und ihnen den Geschäftsnutzen der neuen UC-Architektur vorstellen, kundenindividuelle Konzepte erstellen und Endanwender schulen.

In den Kaffeepausen beklagten sich die Teilnehmer des Channel-Sales-Days "Software Solutions" über die fehlende Rechtssicherheit bei der Ausgestaltung der SaaS-Verträge mit ihren Kunden. Und das ist in der Tat so, wie Rechtsanwalt Martin Stabno von der Kanzlei Feil in seinem viel beachteten Vortrag betonte.

Erschwerend kommt hinzu, dass ein Systemhaus, das Software als Service anbietet, nicht gleichzeitig diese Software zum Kauf anbieten darf, ausgenommen, es hat mit dem Rechteinhaber, also dem Softwarehersteller, einen separaten Lizenzvertrag abgeschlossen, was aber zumeist der Fall ist, wie Christian Nern von Microsoft betonte. (rw)