Controller-Ausfall

Wenn das NAS zum Datengrab wird - Update 2

28.06.2011 von Thomas Hafen
Netzwerkspeicher (NAS) mit mehreren Festplatten werden bei Privatkunden immer beliebter. Doch die scheinbare Datensicherheit hat Tücken.

Update 2 vom 06.07.2011: Mittlerweile hat uns auch Seagate ein Statement zugesandt. Sie finden es auf Seite 5 .

Update vom 04.07.2011: Nach Veröffentlichung erreichte uns ein Statement von Iomega. Sie finden es auf Seite 4 .

Kleine Netzwerkspeicher (Network Attached Storage, NAS) mit mehreren Festplatten werden bei Privatkunden immer beliebter. Sie erlauben nicht nur eine zentrale Datenhaltung für mehrere PCs, sondern sichern die Daten zusätzlich durch ein RAID-System ab. Meist kommt ein RAID 1 mit einer Spiegelung der Daten auf eine zweite Festplatte zum Einsatz. Größere - und teurere - NAS-Geräte erlauben auch RAID 5 oder 6, wofür allerdings mindestens drei Festplatten zur Verfügung stehen müssen. Mehr zum Thema RAID lesen Sie in unserem Ratgeber "Was Sie als Reseller über RAID wissen sollten". Einen Überblick über NAS-Systeme erhalten Sie im ChannelPartner-Ratgeber "Erfolg im NAS-Verkauf".

Die parallele Sicherung der Daten auf zwei oder mehr Festplatten - von den Herstellern gerne auch als Verkaufsargument verwendet - wiegt den Kunden aber in einer nur scheinbaren Sicherheit. Fällt nämlich der Controller aus oder wird das Dateisystem beispielsweise durch einen Stromausfall oder einen Virus korrumpiert, lassen sich die Daten nur mit Tricks, viel Aufwand - oder im schlimmsten Fall gar nicht mehr lesen. Dann wird eine professionelle Datenrettung fällig. Ein teurer Spaß - laut Kathrin Brekle, Senior Marketing Project Manager, beim Datenrettungsspezialisten Kroll Ontrack kann die Wiederherstellung einer Festplatten schnell 1.500 Euro und mehr kosten. Schadensfälle, die durch ausgefallene RAID-Controller verursacht werden, seien durchaus häufig, so Brekle weiter.

Von ChannelPartner nach ihrer Strategie befragt, spielten viele Hersteller von NAS-Systemen das Problem herunter, oder antworteten wie Acer und Western Digital gar nicht. Viele Anbieter betonen in ihren Antworten, dass die Platten in ihren NAS-Geräten mit standardkonformen Dateisystemen formatiert seien. In den meisten Fällen handelt es sich um Linux-Dateisysteme wie ext3 und ext4.

So verwendet Buffalo Technology keine Hardware-RAID-Controller, sondern verwaltet nach eigenen Angaben die Plattenverbünde mit dem Linux-Tool MDADM (Multiple Devices Admin). "Ebenso setzen wir kein eigenes, proprietäres Dateisystem ein, mit dem zwar höhere Datendurchsatzraten möglich wären, das aber ein Auslesen defekter Festplatten verhindert", sagt Julia Krknjak, Marketing Manager Central Europe. Erfahrene Händler könnten die Platten aus einem defekten System an einen handelsüblichen Rechner anschließen und diesen mit einer beliebigen Linux-Distribution starten.

Auch Christian Pahlke, Serviceleiter DE/AT bei LaCie, verspricht Kompatibilität: "Wir verwenden bei unseren derzeitigen Systemen ein Betriebssystem, welches auf Linux basiert. Da die Laufwerke im Gehäuse "hot swapable" sind können diese aus dem Gerät entfernt werden. Dies ermöglicht die Verbindung über den Standard-SATA-Anschluss, ohne die Garantiebestimmungen zu missachten, mit einem System das ein Linux-Dateisystem lesen kann." Es gäbe durch zusätzliche Software die Möglichkeit auch auf einem Windows-Betriebssystem eine Linux-Partition lesen zu können, so Pahlke weiter.

Qnap setzt ebenfalls auf Standard-Linux-Dateisysteme. "Falls der Controller des NAS defekt ist und ein Raid 1 verwendet wurde, können die Daten an jedem Linux-PC eingelesen werden.", sagt Technical Business Development Manager Mathias Fürlinger.

Bei RAID-Verbünden, bei denen die Daten nur gespiegelt sind, sollten sich die Informationen bei einem Hardware-Ausfall tatsächlich leicht wiederherstellen lassen - sofern die defekte Hardware nicht vorher das Dateisystem korrumpiert hat.

Doch die Sache ist längst nicht so einfach, wie die Hersteller das darstellen. "Wir hatten bereits drei Fälle mit defekten NAS-Systemen von verschiedenen Herstellern. In allen kamen wir nicht oder nur mir einigen Tricks an die Daten ran", berichtet Kilian Krause, Geschäftsführer der K-Kubik GmbH. Erbost hat den Fachhändler vor allem die mangelnde Bereitschaft der Hersteller, sich überhaupt mit dem Problem auseinanderzusetzen: "Allein wie Kunden am Telefon behandelt werden - eine Unverschämtheit", sagt er. Hersteller würden sich "nicht die Bohne" um das Problem kümmern, sondern nur immer auf die Garantiebestimmungen verweisen: "Die fragen immer nur, ob noch Garantie besteht."

Austausch nur bei Garantie

In der Tat betonen die meisten Unternehmen, die ChannelPartner befragt hat, dass ein Austausch oder Ersatz nur im Rahmen der Garantie angeboten wird. "Während der Garantiezeit kann der Kunden einfach das defekte NAS-Gerät ersetzen. Bei einem ReadyNAS System von Netgear läuft der Austausch über den Support. Falls für das System keine Garantie besteht, ist die einfachste Lösung, sich ein baugleiches System zu kaufen und die Festplatten in das neue System zu stecken", sagt Thomas Mammitzsch, Regional Director Commercial Central Europe.

Synology bietet in Sonderfällen immerhin eine Migrationsmöglichkeit: "Wenn für ein sehr altes Modell keine Ersatzteile mehr vorrätig sind, geben wir dem Kunden in Einzelfällen ein kostenfreies Upgrade auf ein neueres Modell", sagt Produktmanager Dennis Schellhase.

Jörg Wagenlehner, Senior VoIP Engineer bei Allnet, empfiehlt Händlern, die viele NAS-Systeme gleichen oder ähnlichen Typs verkaufen, immer ein paar Ersatzgeräte auf Lager zu legen: "Damit kann er im Fehlerfall seinen Kunden einen schnellen Service bieten und gegebenenfalls vielleicht sogar ein Leihgerät für die Dauer der Reparatur zur Verfügung stellen." Zur Reparatur sei es besser, die Geräte komplett einzusenden als nur die (scheinbar) defekte Komponente zu tauschen: "Es hat sich herausgestellt, dass Kunden oft die wirklichen Fehlerursachen oder eventuelle Folgeschäden nicht selber fehlerfrei diagnostizieren können. Aus diesem Grund ist die Einsendung sinnvoll und in fast allen Fällen auch schneller und sicherer als ein selbst durchgeführter Reparaturversuch."

Backup, Backup, Backup

NAS und RAID sind kein Ersatz für regelmäßige Backups, betonen die Hersteller: "RAID darf nicht mit einer Datensicherung gleichgesetzt werden. Anwender sollten zwingend ein Backup ihrer Daten erstellen", mahnt Netgear-Manager Mammitzsch.

"Die Thematik, dass ein RAID kein Backup ist, wird aktiv an Händler und Kunden kommuniziert", sagt Qnap-Manager Führlinger. "Wir empfehlen grundsätzlich ein Backup der wichtigsten Dateien auf einem externen Speichermedium", erklärt LaCie-Serviceleiter Pahlke.

Falls das private Netzwerk von mehreren Anwendern genutzt wird, sollte klar sein, wer auf welche Daten zugreifen kann. Immer wieder kommt es vor, dass Daten schnell gelöscht werden, weil der eine Anwender nicht weiß, warum der andere Nutzer sie braucht.
NAS-Systeme bieten viele Vorteile, doch absolute Datensicherheit gibt es auch hier nicht. Deswegen empfiehlt es sich, regelmäßig einen zusätzlichen Backup aller wichtigen Daten auf anderen Speichermedien, etwa USB-Festplatten, anzulegen.
Noch mehr Sicherheit lässt sich erzielen, wenn das Backup räumlich getrennt gelagert wird. Bei der Auslagerung der Daten sollten unbedingt verschlüsselte Container verwendet werden.
Backups sollten immer auf ihre Funktionsfähigkeit geprüft werden. Ein unvollständiger oder nicht abrufbarer Backup ist im Zweifelsfall nichts wert.
Viele private Anwender spielen mit dem Gedanken an RAID. Diese zusätzliche Sicherheit, die für Unternehmen unerlässlich ist, muss aber im privaten Umfeld nicht unbedingt sein. Besser und einfacher ist es, in zusätzliche Festplatten für einen zweiten Backup zu investieren. Das gesparte Geld sollte man lieber für qualitativ hochwertige Platten verwenden. Für den Privatanwender ist das ein absolut hinreichender und einfach zu bedienender Schutz.
RAID 0 bietet keine Datensicherheit: Wer dennoch zum Beispiel ein RAID 0 hat oder eine solche Lösung erwirbt, sollte sich dieser Tatsache bewusst sein. RAID 0 ermöglicht nur einen schnelleren Datenzugriff, bietet aber keinerlei Redundanzen oder Spiegelungen und erhöht damit keineswegs die Datensicherheit. RAID 0 empfiehlt sich nur bei Anwendungen, wo Datensicherheit keine Rolle spielt.
Im Zweifelsfall Ruhe bewahren: Bei vermeintlichem Datenverlust ist Panik ein schlechter Ratgeber. Unbedingt sollte man von eigenhändigen Rettungsversuchen absehen. In den meisten Fällen ist eine Datenrettung noch ohne weiteres möglich. Daher ist der beste Weg, sich an einen professionellen Anbieter zu wenden.

Krause empfiehlt mittlerweile, einen Windows Home Server statt eines NAS zu verwenden. Dort sind die Platten im Standard-Windows-Format NTFS formatiert und lassen sich notfalls problemlos in einem anderen Windows-Rechner auslesen. Alternativ solle man, so Krause, ein NAS mit einer zusätzlichen USB-Schnittstelle wählen und die Daten regelmäßig auf eine externe USB-Festplatte sichern. Das hat allerdings wieder seine eigenen Tücken, wie der Experte zugibt: "Manuelle Sicherungen werden meist vergessen."

Update: Das sagt Iomega

Was soll ein Kunde bzw. Händler tun, wenn zwar die Festplatten ok sind, aber das NAS-Gerät selbst defekt ist, und der Kunde deshalb trotz Datenspiegelung nicht an seine Daten kommt?

Björn Kaun, Senior Key Account Manager, Iomega
Foto: xyz xyz

Björn Kaun: Der Händler kann natürlich seinen Kunden den Service anbieten, die Daten wieder herzustellen bzw. auf anderen Medien abzuspeichern. Wir bieten dazu auch den Händlern die Möglichkeit eines Vorabaustausches an, Voraussetzung ist jedoch die Registrierung als Partner unter http://www.ioclub.net.

Sofern der Kunde in ein neues NAS-Gerät investieren will, so sollte er auf BYOD-Funktionalität achten, also "Bring your own disk" - so können bereits vorhandene Laufwerke beispielsweise in die StorCenter px4-300d eingebaut und das Gerät wieder voll in Betrieb genommen werden. Eine entsprechende Kompabilitätsliste der unterstützten Platten findet der Händler auf der Iomega-Webseite

Halten Sie Ersatzteile oder Austauschgeräte vor, um auch bei älteren NAS-Geräten einen Austausch zu ermöglichen oder dem Kunden zumindest die Möglichkeit zu geben, seine Daten auszulesen?

Kaun: Über Servicepläne können wir einen Austausch vor Ort beim Kunden und am nächsten Werktag anbieten, so gelangt der Kunde wieder an seine Daten - das betrifft allerdings die ix12 und die px-Serie, die hauptsächlich in SMBs zum Einsatz kommen.

Schwieriger ist es bei Geräten unter 200 Euro, da der komplette Prozess, die Austauschteile zu listen, zu pflegen, anzubieten und zu verschicken nicht abgebildet werden kann. Wir bieten jedoch einen Recovery Service an, um Daten im Verlustfall wiederherstellen zu können http://datenrettung.iomegadatarecovery.com/.

Welche Maßnahmen empfehlen Sie, damit es gar nicht erst zu dieser Situation kommt - und kommunizieren Sie diese Informationen auch aktiv an Kunden und Händler?

Kaun: Je unternehmenskritischer die Daten sind, desto wichtiger sollte die entsprechende Sicherung sein. Wichtige Voraussetzung für Endkunden ist bereits ein NAS Gerät mit zwei Platten, um überhaupt die Spiegelung der Daten als zusätzlichen Schutz vornehmen zu können. Grundsätzlich sollte darüber hinaus für alle wichtigen Daten vom NAS ein zusätzliches Backup installiert werden. Iomega bietet für alle Geräte eine simple aber effektive Kopierfunktion an, die einmal aufgesetzt werden muss und dann automatisch und inkrementell abläuft. Als Backup-Medium kann jedes im Netzwerk verfügbare NAS, aber auch PC oder externe Platte sein. Ebenso ist natürlich auch ein inkrementelles Backup in the Cloud möglich. Das wird von uns auch über Mozy und Amazon S3 unterstützt. Mittels exklusiver Personal Cloud Funktionalität bietet Iomega auch eine Replikationsmöglichkeit zwischen verschiedenen StorCenter Produkten mit dem Vorteil an, dass die Daten stets der eigenen Kontrolle unterliegen.

Update 2: Das sagt Seagate

Was soll ein Kunde bzw. Händler tun, wenn zwar die Festplatten ok sind, aber das NAS-Gerät selbst defekt ist, und der Kunde deshalb trotz Datenspiegelung nicht an seine Daten kommt?

Rainer Hoksch, Technischer Support Seagate: Falls das NAS-Gerät defekt sein sollte, kann der Kunde nur das Gerät (ohne Laufwerke) zum Austausch einreichen. (Gilt für BlackArmor 220 und 4xx, da hier die Laufwerke vom Kunden getauscht werden können.) Außerdem können die Daten auch an einem Linux-System ausgelesen werden.

Halten Sie Ersatzteile oder Austauschgeräte vor, um auch bei älteren NAS-Geräten einen Austausch zu ermöglichen oder dem Kunden zumindest die Möglichkeit zu geben, seine Daten auszulesen?

Hoksch: Ja, das Gerät wird gegen ein baugleiches Gerät getauscht (bisher gibt es nur eine Version).

Welche Maßnahmen empfehlen Sie, damit es gar nicht erst zu dieser Situation kommt - und kommunizieren Sie diese Informationen auch aktiv an Kunden und Händler?

Hoksch: Auch ein Raid (Raid 5 oder Datenspiegelung) ist kein Backup. Wichtige Daten müssen immer durch ein Backup gesichert werden.

Beteiligen Sie sich an unserer Umfrage und teilen Sie uns mit, welche Erfahrungen Sie Sie mit dem NAS-Verkauf gemacht haben ! (haf)