Wenn es mal wieder Ärger gibt: Ihre Rechte beim Lieferanten

18.03.2005 von Matthias Rahmlow
Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz hat die Lage der Händler verschlechtert: Die Rechte der Kunden wurden erheblich ausgeweitet. Rechtsanwalt Matthias Rahmlow erklärt, welche Möglichkeiten man als Händler noch hat.

Durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz ist es zu einer erheblichen Ausweitung der Rechte der Käufer gekommen, insbesondere wenn sie Verbraucher sind. So wurde beispielsweise die Dauer der Verjährungsfrist bei Gewährleistungsansprüchen auf mindestens zwei Jahre ausgeweitet. Einen Ausgleich für die dadurch primär belasteten Verkäufer soll die Regelung des § 478 BGB schaffen. Diese Norm gibt den Händlern einen Rückgriffsanspruch gegen ihre Lieferanten. So sollen sie ihre Belastungen in der Lieferkette weiterschieben können.

Die Konstellation

Die Regelung des § 478 BGB hat folgende Konstellation im Auge: Der Verbraucher hat gegen den Verkäufer Mängelansprüche geltend gemacht, worauf der Verkäufer zur Nacherfüllung (Nachbesserung, Nachlieferung) verpflichtet war. Wegen der Aufwendungen, die dem Händler hierdurch entstanden sind, soll er Ersatz vom Lieferanten (Distributor, Hersteller oder Ähnliche) verlangen können (§ 478 Abs. 2 BGB). Diese Regelung hat im Handel einen großen Streit darüber ausgelöst, wie weit dieser Aufwendungsersatzanspruch im Einzelnen reicht. Insbesondere ist umstritten, welche Positionen unter den gesetzlichen Begriff der Aufwendungen fallen.

In der Computerbranche ist dieses Problem besonders drängend. Ein Beispiel: Ein Händler verkauft einen Drucker zu einem Preis von 100 Euro an einen Verbraucher. Es stellt sich heraus, dass der Drucker defekt ist und der Händler deshalb zur Nacherfüllung verpflichtet ist. Dazu muss der Händler den Drucker beim Kunden zunächst ausbauen, mit dem Lieferanten die Konditionen der Rückgabe klären, den Drucker verpacken und versenden und letztlich nach Lieferung eines neuen Druckers diesen wieder zum Kunden schaffen und unter Umständen einbauen.

Die Kosten dafür können leicht den gesamten Verkaufspreis des Druckers erreichen und gar übersteigen. Insbesondere die Arbeitskosten für die Zeit, die der Händler mit der Bearbeitung des Falles zubringt, können ihn stark belasten. Im Einzelfall mag das noch zu tragen sein; im Hinblick auf die Häufigkeit solcher Mangelfälle können sich aber gravierende finanzielle Belastungen ergeben, die summiert den finanziellen Ruin des Händlers bedeuten könnten.

In dieser Situation ist die Beantwortung folgender Fragen wichtig:

1. Die Erstattung welcher Kosten kann der Händler von seinem Lieferanten verlangen?

2. Wie können diese Ansprüche möglichst effektiv geltend gemacht werden?

3. Wie können die betrieblichen Abläufe und das Formularwesen im Hinblick auf den Aufwendungsersatzanspruch rechtlich optimiert werden?

Unter Aufwendungen hat die Rechtsprechung bislang die "freiwillige Aufopferung von Vermögenswerten für die Interessen eines anderen" verstanden. Die Aufopferung der Vermögenswerte muss für den Händler erforderlich gewesen sein, das heißt, der Kunden muss gegenüber dem Händler einen Anspruch auf Nachlieferung oder Nachbesserung haben. Damit ist es dem Händler untersagt, sich auf Kosten des Lieferanten kulant zu zeigen. Besteht allerdings ein Anspruch des Kunden, so kann der Händler Ersatz aller Kosten beanspruchen, die ihm durch die Durchführung der Nacherfüllung im Einzelfall tatsächlich entstanden sind.

Was fällt unter Aufwendungen?

Manche Positionen können damit völlig eindeutig den Aufwendungen zugerechnet werden. Es sind dies im oben genannten Fall beispielsweise die Kosten für das Porto der Rücksendung sowie der Verpackung. Auch die Fahrtkosten zum Ausbau des Druckers wird man hierunter fallen lassen müssen. Ebenfalls davon erfasst sind die Telefonkosten, falls der Lieferant etwa vor der Bearbeitung des Schadensfalls die Kontaktaufnahme zu einer Hotline verlangt. Letztlich fallen auch die Kosten für die Beschaffung eines Ersatzteils darunter, das der Händler für die Reparatur im Rahmen der Nachbesserung benötigt.

Als problematischer stellen sich die Positionen heraus, die ohnehin angefallen wären und damit nicht ohne weiteres dem einzelnen Mangelfall zugeordnet werden können. Hier sind in erster Linie die Arbeitskosten zu nennen, die für die die Reklamation bearbeitenden Mitarbeiter anfallen, sowie die betriebswirtschaftlichen Kosten, die der Inhaber für seine eigene Arbeitsleistung in Rechnung stellen muss. Auch kann ein spezielles Werkzeug zur Behebung häufiger vorkommender Mängelfälle angeschafft worden sein. Die Frage ist, ob diese Kosten - selbstverständlich anteilig auf den einzelnen Fall bezogen - vom Lieferanten ersetzt werden müssen. Das wird von zahlreichen Lobbyverbänden der Lieferanten und Hersteller vehement bestritten (vergleiche Aufwendungsersatz des Handels und Mangelanspruch des Kunden, unter: www.bitkom.org/files/do cuments/bitkom_aufwendungser satz_und_mangelanspruch.pdf). Begründet wird das damit, dass solche "Vorhaltekosten" oder "Sowiesokosten" nicht durch den konkreten Gewährleistungsfall veranlasst waren.

Eine solche Argumentation kann indes nicht verfangen: Es muss berücksichtigt werden, dass die Möglichkeit, über Mitarbeiter disponieren zu können, für den Händler einen konkreten Geldwert hat. Denn während der Zeit, in der die Mitarbeiter mit der Bearbeitung von Gewährleistungsfällen beschäftigt sind, können sie nicht anderweitig eingesetzt werden. Überdies ist der Händler auf lange Sicht auch gezwungen, bei seiner Personalplanung und insbesondere bei Neueinstellungen auf solche zeitlichen Inanspruchnahmen Rücksicht zu nehmen. Deshalb muss man die Zeit, die Mitarbeiter auf die Bearbeitung eines Mangelfalls verwenden, zu den üblichen Stundensätzen als Bestandteil des Aufwendungsersatzanspruchs ansehen. Gleiches gilt im Übrigen für die Arbeitszeit des Inhabers: Er verzichtet letztlich auf Freizeit, wenn er in seinem Betrieb tätig ist, und insofern ist seine Arbeitskraft vollständig kommerzialisiert.

Eine weitere umstrittene Position stellen die Kosten dar, die erforderlich waren, um zunächst zu ermitteln, ob die Reklamation des Kunden berechtigt war (Mangelfeststellungskosten). Da der Aufwendungsersatzanspruch einen tatsächlich bestehenden Mangel voraussetzt, ist klar, dass Ersatz hier jedenfalls dann nicht verlangt werden kann, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass kein Mangel vorlag. Von Seiten der Lieferanten und Hersteller wird hingegen behauptet, selbst wenn sich das Vorliegen eines Mangel bewahrheite, seien die Mangelfeststellungskosten keine Aufwendungen im Sinne des § 478 Abs. 2 BGB. Die Überprüfung nehme der Händler im eigenen Interesse vor, und sie bereite eine Nacherfüllung nur vor. Dem ist entgegenzuhalten, dass - wenn sich herausstellt, dass der Mangel tatsächlich besteht - die Mangelfeststellungskosten auf den Mangel ursächlich zurückgehen: Wäre die Kaufsache nicht mangelhaft gewesen, hätte der Kunde nicht reklamiert. Dass es unberechtigte Reklamationen gibt, heißt nicht, dass der Kunde im vorliegenden Einzelfall auch ohne vorliegenden Mangel reklamiert hätte und so nur "zufällig" auf einen Mangel aufmerksam gemacht hat.

Möglichkeiten der rechtlichen Optimierung

Bei den Aufwendungsersatzansprüchen geht es im Einzelfall regelmäßig nur um verhältnismäßig geringe Summen. Deshalb ist zu überlegen, ob es sich lohnt, einen Rechtsstreit zu führen.

In dieser Lage muss es dem Händler also maßgeblich darum gehen, durch geeignete Maßnahmen Streit überhaupt nicht entstehen zu lassen. Hier bietet es sich an, bereits im Vorfeld in den eigenen Einkaufsbedingungen und im betrieblichen Formularwesen die Frage des Aufwendungsersatzes nach § 478 Abs. 2 BGB zu klären.

Hat das keinen Erfolg, so muss man bei der Beantwortung der Frage nach einem gerichtlichen Vorgehen in den Abwägungsprozess mit einbeziehen, dass sich in der Gesamtheit die Kostenstruktur des Unternehmens durch einen generellen Verzicht auf Aufwendungsersatz erheblich nachteilig entwickeln kann. Um die Prozesskosten zu minimieren, kann es ratsam sein, eine Anzahl von Aufwendungsersatzansprüchen zu "sammeln", um sie dann insgesamt geltend zu machen. Hierbei ist die Verjährungsfrist zu beachten: Sie beträgt im Grundsatz zwei Jahre seit der Lieferung der Sache durch den Lieferanten an den Verkäufer (§ 479 Abs. 1 BGB).

Jedenfalls bei länger andauernden Geschäftsbeziehungen ist die Möglichkeit gegeben, gegen später entstehende Kaufpreisansprüche des Lieferanten aufzurechnen. Hier muss sich dann der Lieferant "aus der Deckung wagen" und den - seiner Ansicht nach noch ausstehenden - Restanteil vom Kaufpreis einfordern.

Um im Ergebnis die Aufwendungen auch tatsächlich zugesprochen zu bekommen, sollte der Händler darauf achten, dem - in der Rechtsprechung noch unentschiedenen - Streit um die Behandlung der angeblichen Sowieso-Kosten aus dem Weg zu gehen. Er sollte deshalb bei der Bearbeitung möglichst darauf achten, die entstehenden Kosten an einem einzelnen Fall festmachen zu können. So bietet es sich in geeigneten Fällen beispielsweise an, im Einzelfall benötigte Spezialwerkzeuge nicht zu kaufen (sodass sie immer verfügbar sind), sondern sie anlässlich jedes Gewährleistungsfalls zu mieten. Was der Großindustrie recht ist, kann auch dem Händler billig sein: Er könnte überlegen, seine gesamte Reklamationsbearbeitung so "outzusourcen", dass ein Dritter gegen aufwandsabhängige Bezahlung im Einzelfall die Bearbeitung der Reklamationen für ihn übernimmt.