Strategie der Santix AG

Wie sich Systemhäuser gegen Fachkräftemangel wappnen

12.04.2012
Beim Kampf um IT-Talente haben mittelständische Systemhäuser keineswegs die schlechteren Karten im Vergleich zu den Großkonzernen, so die Erfahrung von Michael Santifaller, Vorstandsvorsitzender der Santix AG. Wie er sein Unternehmen vor dem Fachkräftemangel bewahrt, schildert er im Interview mit ChannelPartner.
Michael Santifaller, Vorstandsvorsitzender der Santix AG
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Beim Kampf um IT-Talente haben mittelständische Systemhäuser keineswegs die schlechteren Karten im Vergleich zu den Großkonzernen, so die Erfahrung von Michael Santifaller, Vorstandsvorsitzender der Santix AG. Wie er sein Unternehmen vor dem Fachkräftemangel bewahrt, schildert er im Interview mit ChannelPartner.
Michael Santifaller gründete vor 22 Jahren die Santix AG in München. Das IT-Beratungsunternehmen und Systemhaus beschäftigt aktuell 65 Mitarbeiter und erwirtschaftete im vergangenen Jahr rund 5 Millionen Euro Umsatz.

Herr Santifaller, Sie waren kürzlich auf der Jobmesse Overbeck JobLounge in München, um nach IT-Fachkräften zu suchen. Wie sehr brennt Ihnen der Fachkräftemangel auf den Nägeln?

Michael Santifaller: Der Fachkräftemangel wird uns und die gesamte Branche in den nächsten Jahren massiv beschäftigen. Aus zwei Gründen: Zum einen wird die IT immer komplexer. Marktanalysten von Gartner schätzen, dass langfristig fast 60 Prozent der heutigen IT-Administratoren ihren Job verlieren werden, weil sie bislang nur mit administrativen und operativen Aufgaben betraut sind und zu wenig konzeptionelle Unterstützung im Sinne von IT-Architekten oder IT-Servicemanagern leisten können. Das heißt, wir brauchen künftig vor allem spezialisierte IT-Kräfte. Die vorhandenen, teilweise nicht akademisch vorgebildeten Arbeitnehmer umzuschulen bzw. zu spezialisieren, wird jedoch sehr schwierig sein.
Zum anderen gibt es ein generelles Ressourcenproblem, weil an den Universitäten schlicht zu wenig junge Leute ein IT-orientiertes Studium absolvieren. Viele wurden auch von den heftigen Auf- und Abwärtstrends in der IT-Branche abgeschreckt. In den letzten zehn Jahren wurden immer wieder IT-Mitarbeiter in großen Wellen entlassen, heute werden sie wieder gesucht. Infolgedessen führen wir als Arbeitgeber in der IT einen Verdrängungswettbewerb um die wenigen verfügbaren Kräfte.

Wie gehen Sie als mittelständisches Beratungs- und Systemhaus mit dieser Situation um?

Santifaller: Wir müssen zum einen das Produkt "Arbeitsplatz bei Santix" attraktiver machen und zum anderen uns neue Quellen von spezialisierten Arbeitskräften erschließen. Wir investieren daher massiv in die Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter, schaffen Entwicklungsmöglichkeiten für sie und nutzen u.a. die genannte Fachmesse. Außerdem kommt es immer wieder vor, dass gerade große Unternehmen massiv Stellen abbauen, wie zuletzt Siemens in München. Davon sind immer auch sehr gut ausgebildete Mitarbeiter mit jahrzehntelanger Erfahrung betroffen. Diese Potenziale gilt es zu heben, und genau das haben wir gemacht.

Konzerne zahlen in der Regel vergleichsweise hohe Gehälter. Wie können mittelständische Unternehmen da mithalten?

Santifaller: Das Lohnniveau liegt dort in der Tat um 10 bis 15 Prozent höher, als es im Mittelstand üblich ist. Aber unsere Erfahrung zeigt, dass die meisten Bewerber sich dessen bewusst und überwiegend auch willens sind, Einbußen in Kauf zu nehmen. Im Gegenzug wissen sie die höhere Flexibilität, die größeren Freiheiten und Gestaltungsmöglichkeiten zu schätzen, die ihnen ein mittelständisches Unternehmen bieten kann.

In der Vergangenheit galten Mitarbeiter, die lange in Konzernen beschäftigt waren, als unflexibel…

Santifaller: Das stimmt nicht mehr. Auch in den Konzernen ist das Leben kein "Ponyhof". Die Leistungsanforderungen sind dort ähnlich hoch wie in einem Mittelstandsunternehmen. Oft hat sich für Mitarbeiter auch der Wertekodex in den Konzernen als Makulatur erwiesen. Viele haben das Gefühl, dass im Mittelstand diese Werte weitaus stärker verankert sind und gelebt werden, auch wenn diese nicht in Dossiers gegossen wurden.

Was meinen Sie mit Flexibilität und Gestaltungsfreiräumen ganz konkret?

Santifaller: In Konzernen sind die Abläufe üblicherweise sehr genau definiert, mit exakten Richtlinien und Vorgaben. Diese Fokussierung ist bei Mittelstandsunternehmen nicht so stark ausgeprägt. Hinzu kommt die arbeitsteiligere Gestaltung der Aufgaben in Konzernen - im Mittelstand können Mitarbeiter generalistischer arbeiten. Beides ermöglicht ihnen mehr Freiheiten, und viele genießen das, ebenso wie die Tatsache, dass hier für "politische Querelen" kein Platz ist. Die Arbeit ist effizienter und ergebnisbezogener. Das wiegt manche Einbuße beim Einkommen auf. Und umgekehrt profitieren wir als Mittelstandsunternehmen von den Erfahrungen dieser Mitarbeiter, zum Beispiel bei der Regelung von Abläufen oder bei der Personalentwicklung. Die IT-Branche wird all diese Erfahrungen brauchen…

…das heißt, verstärkt ältere Mitarbeiter einstellen müssen. Das schreckt viele ab: Die Gehälter seien höher und die Bereitschaft oder Fähigkeit zu lernen, geringer als bei Jüngeren. Was sind Ihre Erfahrungen?

Santifaller: Diese alten Klischees stimmen nicht mehr. Abgesehen davon, dass sie mit ihrem Erfahrungsschatz unser Unternehmen und unsere Belegschaft enorm bereichern, bringen sie auch einen großen Veränderungswillen mit. Die Bereitschaft, um- und dazuzulernen, Dinge anders zu tun, ist enorm und nicht mehr vergleichbar mit der vor zehn oder zwanzig Jahren, wo viele ältere Arbeitnehmer sich mit Anfang 50 schon auf den sicheren Vorruhestand einstellten und deshalb wenig Anreiz hatten, sich wieder zu verändern.

Dann ist der viel zitierte "Kampf um junge Talente" überflüssig?

Santifaller: Dieser Kampf wird selbstverständlich geführt - aber nicht immer gewinnen ihn Konzerne mit großen Markennamen. Denn es gibt auch junge Menschen, die die größere Bandbreite der Aufgaben im Mittelstand der Arbeitsteiligkeit in Großkonzernen vorziehen. Das sind dann potenzielle Kandidaten für uns. Das liegt im Übrigen nicht nur an der Größe des Unternehmens selbst, sondern auch daran, dass sie hier mittelständisch geprägte Kunden bedienen, für die Vertrauen, Zusammenarbeit auf Augenhöhe, Nähe und Kontinuität elementare Werte sind. Insofern können wir bei diesem "War for Talents" durchaus mithalten.

Und bei der Bezahlung?

Santifaller: Da gibt es keine Alternative. Hier müssen wir, besonders bei den Berufseinsteigern, auch als Mittelstandsunternehmen mit den Konzerngehältern mithalten. Und wir müssen die Mitarbeiter möglichst schnell aus- und weiterbilden. Wer allerdings exorbitante Beratergehälter erwartet, tut sich bei den großen Beratungshäusern oder bei einem IT-Hersteller leichter.

Inwiefern klafft die Schwere zwischen dem, was ein mittelständisches Beratungs- und Systemhaus von seinen Endkunden für die Dienstleistung verlangen kann, und den Mitarbeiter-Gehältern zunehmend auseinander?

Santifaller: Das ist in der Tat ein Problem. Wir können diesem Problem nur durch Spezialisierung auf hochwertige Aufgabenstellungen, für die wir entsprechende Tagessätze verlangen können, und durch Produktivitätssteigerung durch vorgefertigte Lösungen, die höhere Effizienz erlauben, begegnen. Aber auf diesen Gebieten ist der deutsche Mittelstand ja Weltspitze, wie man an unserer Maschinenbauindustrie beobachten kann, warum sollte die IT-Branche dann das nicht auch können.

Wie virulent ist das Problem, dass Großunternehmen bei mittelständischen IT-Häusern Spezialisten abwerben, nachdem sie gut ausgebildet wurden?

Santifaller: Dass mit allen Mitteln abgeworben wird, können wir nicht bestätigen. Das mag aber auch daran liegen, dass unsere Mitarbeiter eine besondere Bindung zu unserem Unternehmen gewonnen haben. Viele wechseln auch von anderen Firmen zu uns. Allerdings ziehen junge Akademiker nach einigen Jahren nicht nur weiter, weil sie mit höheren Gehältern abgeworben werden, sondern weil das auch für den Lebenslauf wichtig ist oder weil manch einer herausgefunden hat, worauf er sich künftig spezialisieren möchte. Und an diesem Punkt entdecken viele den Mittelstand.

Bei allen Anstrengungen um die Mitarbeiterbindung - Gibt es kritische Punkte, die sie aufgrund der schieren Natur Ihres Geschäfts nicht beeinflussen können?

Santifaller: Mobilität ist immer ein kritischer Punkt. Wir sind ein klassisches Beratungsunternehmen. Damit ist für Mitarbeiter eine, im Vergleich zur einer Anstellung in einer IT-Abteilung eines Anwenderunternehmens, höhere Reisetätigkeit verbunden. Das mag für Uni-Absolventen anfangs spannend sein. Aber spätestens wenn eine Familie gegründet wird, ebbt das Reiseinteresse verständlicherweise ab. Sind die Kinder dann erwachsen, sind Reisen wieder weniger problematisch. Das erklärt, weshalb es für uns manchmal schwierig ist, Mitarbeiter im Alter zwischen 30 und 45 Jahren zu finden und zu halten.

Haben Ihnen Jobmessen bei der Rekrutierung geholfen?

Santifaller: Wir haben vor drei Jahren den ersten Versuch bei der Overbeck Job Lounge gestartet - und es hat prompt funktioniert. Seitdem sind wir jedes Jahr dabei. Es hat sich jedes Mal gelohnt. Die Jobmesse hilft uns, unsere Botschaft an die richtigen Kandidaten zu bringen. Das persönliche Gespräch ist den Teilnehmern dieser Messe sehr wichtig, und das ist ein Erfolgsfaktor.

Wer vertritt Santix auf den Jobmessen: die Personalabteilung oder auch andere Mitarbeiter?

Santifaller: Auf diesen Jobmessen ist nicht unsere Personalchefin vor Ort, sondern quasi "Mitarbeiter von der Front", die umfassend aus ihrem Berufsalltag berichten können. Hier ist Authentizität gefordert, man muss die Werte und Versprechungen auch leben und verkörpern können.

Welche Bedeutung messen Sie der Weiterbildung im eigenen Haus bei?

Santifaller: Das ist eine Schlüsselmaßnahme, die für alle Mitarbeiter - und auch für Bewerber - gleichermaßen wichtig und kaum zu überschätzen ist. Wenn wir den Engpass von IT-Fachkräften beheben wollen, ist das einer der wesentlichen Faktoren.

(rb)