Fast jeder Dritte will kündigen

Wie Unternehmen Talente binden

21.11.2013 von Bettina Dobe
Ein hohes Gehalt und ein Dienstwagen sind mittlerweile (fast) Standard. Aber viele Mitarbeiter wollen auch persönliche Führung und individuelle Förderung, wenn sie in der Firma bleiben sollen.
So bestimmt nicht: Bevor sich verheißungsvolle Talente vom Arbeitgeber schikanieren lassen, suchen sie die Weite.
Foto: El Gaucho - Fotolia.com

Schwere Zeiten für IT-Arbeitgeber: Nicht die Unternehmen suchen sich oft die Bewerber aus, sondern umgekehrt. Dies gilt besonders für die so genannten "High Potentials", die heiß umworben sind und fast freie Auswahl haben. Das ist auch langfristig ein Thema: Wenn diesen Spitzenkräften im Job etwas nicht passt, sind sie schnell wieder weg.

Mehr als ein Drittel (35 Prozent) der Mitarbeiter denkt darüber nach, den Arbeitgeber zu wechseln. Das ergab eine Umfrage der Beratungsgesellschaft von Rundstedt unter 636 Berufstätigen. Knapp die Hälfte (47 Prozent) der Befragten würde wechseln, wenn ihnen ein anderes Unternehmen bessere Karrierechancen bieten würde.

Unternehmenschefs blicken mit Sorge in die Zukunft. "In der IT ist es eine enorme Aufgabe, verfügbare Arbeitskräfte zu rekrutieren und diese auch zu halten", bestätigt Andreas Rebetzky, Vice President IT & Organisation des Baustoffeherstellers Sto AG. Wie können Firmen ihre Mitarbeiter an sich binden, um einen Brain-Drain zu verhindern?

Eine Frage des Geldes

IT-Fachleute zu halten ist eine enorme Aufgabe, meint Dr. Andreas Rebetzky von der Sto AG.
Foto: Sto AG

Anziehend wirkt der Studie zufolge zunächst das Gehalt. Klotzen, nicht kleckern, lautet die Devise, wenn es um den ersten Faktor der Mitarbeiterbindung geht. Alarmierend für deutsche Personalabteilungen dürfte folgendes Ergebnis der Rundstedt-Umfrage sein: 30 Prozent der Deutschen sind mit ihrem Gehalt nicht zufrieden. Ob ein Experte bei einem Unternehmen bleibt, hängt von den Nullen ab, die auf einem Arbeitsvertrag stehen. "Bei IT-Spezialisten ist es natürlich zunächst eine Frage der Summe", bestätigt Michael Schmitz, IT-Abteilungsdirektor der KfW-Bankengruppe. Allerdings zahlen die großen Firmen mittlerweile alle ähnliche Gehälter, so dass letztlich die weichen Faktoren entscheidend sind.

Führungskräfte sind sich einig: "Gehalt ist ein Motivationsfaktor. Es muss stimmen – und damit hat es sich schon", sagt Rebetzky. Aber Mitarbeiterbindung wird nicht durch Gehaltserhöhung erzeugt: "Wenn ich 20 Prozent über dem Markt zahle, heißt es nicht, dass mir mein Mitarbeiter auch treu bleibt", sagt der VP IT. Eine hohe Bezahlung sei nicht ausschlaggebend und kompensiere nicht das Fehlen von Zusatzleistungen oder innerer Motivation. Schmitz von der KfW-Bank hält noch einen anderen Faktor für ausschlaggebend: Die Unternehmenskultur sei ein wesentlicher Gund für Mitarbeiter, sich für einen Arbeitgeber zu entscheiden. "Unsere Fach- und Führungskräfte schätzen unsere Unternehmenskultur", erzählt er. "Die Mitarbeiter merken, dass wir die Werte auch leben, die wir vertreten und das motiviert sie." Die Bindung an das Unternehmen sei dann viel höher.

Knackpunkt Unternehmenskultur

Vor allem in schwierigen Situationen müssen Chefs Mitarbeiter unterstützen, sagt Michael Schmitz, IT-Abteilungsdirektor bei der KfW-Bankengruppe.
Foto: KfW-Bankengruppe

Auch für die langfristige Bindung an ein Unternehmen sei der Aspekt der Unternehmenskultur ausschlaggebend. Es gehe um hehre Ziele und um Werte, die tatsächlich umgesetzt werden. "Wenn die Mitarbeiter merken, dass wir die Werte auch leben, die wir vertreten, motiviert sie das stärker", sagt Schmitz. Die Verbundenheit und Identifikation mit dem Unternehmen sei dann viel höher. Zur Unternehmenskultur gehört auch der persönliche Führungsstil: "Man muss auch erleben, dass einem der Chef den Rücken stärkt", sagt Schmitz. Wenn das Kind krank sei und man deswegen nicht in die Arbeit könne, dürfe der Chef eben nicht genervt reagieren, sondern müsse dem Mitarbeiter zeigen, dass das zu regeln ist. "Die Aufgaben müssen natürlich trotzdem erledigt werden, das ist ja klar", sagt Schmitz. Trotz allem sollte ein Mitarbeiter in solchen Fällen Unterstützung erfahren.

Dass ein guter Führungsstil Mitarbeiter bindet, bestätigt auch Rebetzky. Das gelte insbesondere für die Generation Y, die auf flache Hierarchien setzt. "Mit einer Organisation, die nach Befehl und Gehorsam aufgebaut ist, hält man heutzutage keine jungen Mitarbeiter mehr", sagt der promovierte IT-Leiter. Viel wichtiger und inzwischen weit verbreitet sei der kooperative Führungsstil, meint Rebetzky. "Es ist wichtig, dass Mitarbeiter auch Ideen ausprobieren können, die etwas risikoreicher sind, ohne gleich dafür abgestraft zu werden", sagt Rebetzky. "Dazu gehört ein kommunikatives Umfeld, in dem man auch diskutieren kann."

Standing der IT

"Großen Einfluss auf die Attraktivität hat auch die Frage, welchen Stellenwert die IT im Unternehmen hat", erzählt Rebetzky. "Freuen sich die Fachabteilungen oder sind sie eher genervt, wenn man als ITler zu ihnen kommt? Das beeinflusst stark, wie attraktiv ein Arbeitgeber ist. Und das kann der CIO beeinflussen." Diese Regel gelte nicht nur für Fachabteilungen, sondern auch für die IT-Abteilung selbst: "Wenn der IT-Leiter sich nicht für Innovationen stark macht, ist das kein Anreiz für Mitarbeiter, im Unternehmen zu bleiben", sagt Rebetzky.

Auf der nächsten Seite geht es um verschiedene Möglichkeiten, die der Arbeitgeber zur Bindung von Talenten hat.

Dienstwagen, Kitas, Sportkurse

Riskant kann es sein, den Mitarbeitern einen alten Hut als besondere Förderung anbieten zu wollen: den Dienstwagen. Der ist zwar nett – mehr aber auch nicht. "Höheren Managern können wir einen Dienstwagen nicht als besonderes Incentive anpreisen. Den bieten alle anderen Firmen auch an, das ist selbstverständlich", sagt Schmitz. Gleiches gelte inzwischen für Angebote wie Kitas und Sportkurse. Sie sind mittlerweile bei großen Firmen fast schon Standard.

Vor lieblosen Weiterbildungsmaßnahmen, die an den Bedürfnissen der Arbeitnehmer vorbei gehen, warnt Rebetzky: "Weiterbildungsmöglichkeiten wie etwa Englischkurse gibt es in jedem Unternehmen." Er rät dagegen zu individuellen Inhalten: "Ich finde es viel wichtiger, dass sich meine Mitarbeiter inhaltlich weiterbilden können." So schicken viele Chefs ihre Talente zu den Young Talent Award der CIO Sitftung und der Otto Beisheim School of Management (WHU). Dem Sieger bekommt ein Stipendium im berufsbegleitenden MBA Programm der WHU in Düsseldorf, Auslandsaufenthalte inklusive.

Die beliebtesten Dienstwagen des Jahres 2012
Der Test
Bei Europas größtem Praxis-Vergleichstest "Firmenauto des Jahres" dominierten 2012 Dieselfahrzeuge. 250 Fuhrpark-Manager testeten für die Zeitschrift "Firmenauto" und die Prüfgesellschaft Dekra 66 Modelle in neun Kategorien und legten dabei an zwei Tagen in 66 Fahreugen rund 30.000 Testkilometer zurück. Jede Kategorie teilt sich in Import- und Gesamtwertung. Bei den kleinen Vans gab es mangels mehrerer Import-Modelle nur einen Gesamtsieger. Die Sieger im Überblick ...
Minicars
Somit siegten 17 verschiedene Modelle, darunter 13 Diesel, zwei Benziner und jeweils ein Diesel-Hybrid und Elektroauto. Die Dominanz der Selbstzünder resultiert aus der Tatsache, dass die Tester neben Fahrverhalten und Komfort insbesondere die Wirtschaftlichkeit der Autos bewerteten. In den beiden Kategorien Minicars und Kleinwagen sind allerdings die Benziner vorne. Der Fiat 500 0.9 Twin Air wurde bestes Import-Minicar, ...
Elektro
... den Gesamtsieg sicherte sich, als einziges Elektroauto, der Smart Fortwo Electric-Drive.
Kleinwagen
Bei den Kleinwagen gewann der Peugeot 208 e-HDI 92 die Import- und der Audi A1 Sportback 1.4 TFSI (Foto) die Gesamtwertung.
Obere Mittelklasse
Die Gesamtwertung in der oberen Mittelklasse entschied mit dem Mercedes E300 Bluetec Hybrid T-Modell (Foto), das einzige Fahrzeug mit Diesel-Hybrid-Antrieb, für sich. Die Importwertung ging an den Jaguar XF.
Mittelklasse
Mittelklasse: Während der Gesamtsieg an den Mercedes E 300 Bluetec Hybrid T-Modell ging, fuhr der Jaguar XF 2.2 Diesel in der Importwertung die besten Noten ein.
Mittelklasse-Kombi
Nur ein Fahrzeug von asiatischen Herstellern schaffte den Sprung aufs Siegertreppchen. Der Hyundai i40 cw 1.7 CRDI lag bei der Importwertung in der Mittelklasse vorne, der Gesamtsieg ging an den BMW 320d. Der Mittelklassekombi i40cw feierte seinen Marktstart in Deutschland im September 2011 und wurde seither, gemeinsam mit der Limousine i40, die im Februar 2012 die Modellreihe ergänzte, rund 5.000 Mal verkauft. Beide Fahrzeuge entstanden im europäischen Forschungs-, Entwicklungs- und Designzentrum von Hyundai in Rüsselsheim unter der Federführung von Chefdesigner Thomas Bürkle. Mit einem Gepäckraumvolumen von 553 bis 1.719 Litern gehört der Kombi zu den geräumigsten Fahrzeugen seiner Klasse. Für beide Modellvarianten bietet Hyundai spezielle Business-Pakete an, die für zusätzlichen Komfort bei Vielfahrern sorgen. Der i40cw 1.7 CRDi ist erhältlich ab einem Bruttopreis von 24.990 Euro (23.352 Euro netto).
Importwertung
Der Hyundai i40 lag zwar bei der Importwertung in der Mittelklasse vorn, der Gesamtsieg in der Mittelklasse ging jedoch an den BMW 320d (Foto).
Innovationspreis
Immerhin gewann Mazda für seine "Skyactive-Technologie", die konsequenten Leichtbau und eine Optimierung der Verbrennungsmotoren propagiert, den Innovationspreis.
Kleine SUV
In den Klassen SUV und Vans vergaben die Tester jeweils einen Preis für kompakte und große Fahrzeuge. Bei den kleinen SUV gewannen Volvo XC60 D5 AWD (Foto) und BMW X3 xDrive 20d.
Kompakte SUV
Kleine und kompakte SUV: Der gesamtsieg geht an den BMW X3 xDrive 20d (Foto), der Volvo XC 60 D5 AWD führt 2012 die Importwertung in dieser Klasse bei den Fuhrpark-Managern an.
Große SUV
Bei den großen SUV siegten der Range Rover Sport SD V6 (Foto) und der Porsche Cayenne Diesel.
Kompaktwagen
Der Sieg in der Klasse der Kompakten ging an den Volkswagen-Konzern, die Importwertung gewann Skoda mit dem Octavia Combi in der Ausführung 1.6 TDI Greentect, die Gesamtwertung gewann in diesem Jahr in dieser Klasse Audi mit dem A3 Sportback (Foto), ebenfalls mit 1.6 TDI-Motorisierung.
Kompakt Vans
Die einzige Wertung bei den Kompakt-Vans entschied der Mercedes B 180 CDI für sich.
Maxi-Vans
Die besten Maxi-Vans waren der Seat Alhambra und der VW Sharan (Foto), beide mit der Motorisierung 2.0 TDI.
Die Teilnehmer
An der Wahl nahmen 2.732 Fuhrparkprofis teil. Neben Fahrzeugherstellern, Leasinggesellschaften und Versicherungen stellten sich auch Tankkartenanbieter, Werkstätten und Reifenhersteller der Wahl. Gewürdigt wurden Unternehmen, die sich erfolgreich im Flottenmarkt engagieren, überdurchschnittliche Qualität liefern, sich großer Sympathie erfreuen oder besonders kundenorientiert arbeiten.
Die besten Marken
Als "Die besten Marken" wurden ausgezeichnet: Audi für guten Service für Flottenkunden; Volkswagen Leasing, CPM Car Professional Management, Europcar, Volkswagen als umweltfreundlichste Marke, Continental, Vergölst für den Reifeservice, Aral für die Tankkarten, Allianz, A.T.U. als freie Werkstätten und als Pkw-Börse autoscout24.de.

Zur Förderung von Mitarbeitern gehört es Rebetzky zufolge auch, den nächsten Karriereschritt attraktiv zu gestalten. "Biete ich verschiedene Stellen, etwa Junior und Senior System Engineer an, ist das für Mitarbeiter ein Anreiz", sagt er. "Damit sind auch bestimmte Rechte und Privilegien verknüpft: Der Senior System Engineer darf dann einmal im Jahr auf eine mehrtägige Konferenz in die USA fliegen, verbunden mit einer Dienstreise zu einem Tochterunternehmen." Dieser Anreiz in Verbindung mit dem Senioritätsstatus sei für alle eine win-win-Situation. Denn die Firma bekomme einen Mitarbeiter mit mehr Wissen und der Kollege sei zufriedener.

Selbstbestimmtes Arbeiten

Viele Menschen arbeiten lieber selbstbestimmt als ständig unterdrückt zu werden.
Foto: El Gaucho - Fotolia.com

Work-Life-Balance scheinen noch nicht alle Unternehmen als wichtigen Mitarbeiterbindungs-Aspekt einzustufen. Ein Viertel der von Rundstedt Befragten gab an, dass ihrem Arbeitgeber das Thema egal sei. Für Rebetzky unverständlich: "Für Mitarbeiter ist die Flexibilität in der Arbeitszeit sehr wichtig." Dazu gehöre auch die Eigenverantwortung im doppelten Sinne: Einerseits wollen Mitarbeiter ihren Tagesablauf und ihren Arbeitsort ein wenig mehr kontrollieren. "Solche Themen wie Home Office sind wichtig: Die Kollegen müssen nur wissen, dass man erreichbar ist. Aber wo der Kollege ist, sollte egal sein", sagt Rebetzky.

Besonders wichtig für die Mitarbeiterbindung ist die Möglichkeit für Teammitglieder, selbst gestalten zu können, weiß KfW-Mann Schmitz: Nichts frustriere mehr, als stets detaillierte Anweisungen zu bekommen und Listen abzuarbeiten. "Wenn Mitarbeiter einen eigenen Beitrag leisten können, dann motiviert das." Dem kann Rebetzky nur zustimmen: "Ich denke, es erzeugt Bindung, wenn man nicht bloß Sachbearbeiter Nummer 23 ist, sondern Senior Consultant für den Procurement Process."

Feedback-Kultur

Mitarbeiter bleiben lieber und länger bei einem Unternehmen, wenn sie sich ernst genommen fühlen in ihren Nöten, Sorgen und in ihren Vorschlägen. "Wer einen gewissen Status erreicht hat, der wird auch dazu eingeladen, mit dem Chef über die Strategie in seinem Bereich zu sprechen", sagt Rebetzky. So zeigt ein Chef, dass er auf die Meinung seiner Mitarbeiter Wert legt.

Eine Informationskultur sollte aber auch in umgekehrter Richtung offen sein. "Wenn der Vorstand etwas beschließt, dann wird das auch den Mitarbeitern mitgeteilt. Nur so haben alle das Gefühl, dass sie am großen Ganzen mitarbeiten", sagt Schmitz.

Zeit für Ausnahmetalente

Hat ein Entscheider ein besonders talentierten Mitarbeiter rekrutieren können, kommt jede Menge Arbeit auf ihn zu: "Die Big Talents brauchen mehr Aufmerksamkeit", sagt Rebetzky. "Wenn man erkennt, dass jemand enorm viel Potenzial hat und ihn nicht verlieren möchte, dann sollte ich mir überlegen, ihn an meine Person zu binden", sagt Rebetzky. "Mit diesem Mitarbeiter sollte man einmal öfter einen Kaffee trinken gehen oder zum Mittagessen. Das ist anstrengend, aber es ist eines der effizientesten Mittel." Persönliche Bindung an Talente braucht besonderen Einsatz: "Das kann man auch mit besonderen Ereignissen, etwa Konferenzbesuchen oder bei Projekten verbinden", sagt Rebetzky. "Man nimmt den Mitarbeiter mit und verbringt automatisch mehr Zeit mit ihm."

Autorin: Bettina Dobe