"Windows NT und Unix drängen immer stärker in den Publishing-Markt"

11.07.1997
MÜNCHEN: Eine Messe für die eingeschworene Gemeinde der Mac-Anwender zu veranstalten lohnt sich offensichtlich nicht mehr. Der Veranstalter der MacWorld Expo lenkt nunmehr den Fokus auf das Thema Publishing und Medienproduktion. Das soll auch mit dem Umzug der Messe von Frankfurt in die Medien-Stadt Düsseldorf dokumentiert werden. Über die neue Ausrichtung der Messe sprachen CP-Chefredakteur Damian Sicking und CP-Redakteur Christian Meyer mit dem Veranstalter und Herausgeber der Fachzeitschrift "MacWelt" Stefan Scherzer.

MÜNCHEN: Eine Messe für die eingeschworene Gemeinde der Mac-Anwender zu veranstalten lohnt sich offensichtlich nicht mehr. Der Veranstalter der MacWorld Expo lenkt nunmehr den Fokus auf das Thema Publishing und Medienproduktion. Das soll auch mit dem Umzug der Messe von Frankfurt in die Medien-Stadt Düsseldorf dokumentiert werden. Über die neue Ausrichtung der Messe sprachen CP-Chefredakteur Damian Sicking und CP-Redakteur Christian Meyer mit dem Veranstalter und Herausgeber der Fachzeitschrift "MacWelt" Stefan Scherzer.

? Herr Scherzer, was ist der Grund für die Namensänderung der Messe von MacWorld Expo in MacWorld & Publishing Expo, und warum findet sie nunmehr statt in Frankfurt in Düsseldorf statt?

SCHERZER: Der Grund für die Namensänderung und den Umzug nach Düsseldorf erklärt sich folgendermaßen: Der Macintosh-Markt in Deutschland ist ein seit jeher professioneller Markt. Es gab nie einen Home-Markt. Und dieser professionelle Markt war schon immer stark auf den Publishing-Bereich fokussiert. In Deutschland gibt es beispielsweise im Vergleich zu den USA oder England keinen Education- oder Schul-Markt für den Macintosh. Das ist einer der Gründe, warum wir in den letzten Jahren die Messe immer stärker professionalisiert haben. Auch an der Art der Besucher macht sich dies bemerkbar. Zudem hat sich die Möglichkeit ergeben, nach Düsseldorf umzuziehen. Düsseldorf ist die Hochburg des Publishing. Das Land Nordrhein-Westfalen tut sehr viel für die Medienindustrie und puscht sie sehr stark. Das war für uns eine sehr gute Möglichkeit, mit diesem Standortwechsel auch den Namen zu ändern. Jetzt besetzen wir die Themen MacWorld und Publishing. Aber: Wir sind nach wie vor im Macintosh-Bereich zu Hause, gehen jetzt aber auch wesentlich stärker den plattformunabhängigen Bereich an. So stellt sich die Medien- und Produktions-Industrie nun einmal dar. Das Zusammenspiel der verschiedensten Lösungswege ist ja auch das Interessante.

? Das heißt, die Messe entwickelt sich so ganz allmählich weg von der reinen Macintosh-Welt, hin zu einer offenen Publishing-Messe?

SCHERZER: Ja. Im Prinzip ist es so, daß das Thema digitale Medienproduktion und Computer-Publishing eine immer größere Bedeutung bekommt. Daß der Mac in dem Umfeld immer noch die erste Geige spielt, sei unbestritten. Aber auch andere Plattformen sind stark im kommen. Windows NT, Unix-basierte Systeme drängen in diesen Markt. Der zunehmende Druck auf den Mac-Markt wird von Jahr zu Jahr spürbarer.

? Ist es vorstellbar, daß der Name Macworld irgendwann komplett aus dem Titel der Messe verschwindet?

SCHERZER: Die Beantwortung dieser Frage hängt natürlich ganz stark von der weiteren Marktentwicklung ab und auch von der Struktur der Besucher. Wenn der Mac eine derartige Rolle auch in Zukunft spielt, kann man sich auch vorstellen, auch im nächsten Jahr noch eine Macworld & Publishing Expo zu veranstalten. Wenn sich der Markt aber weiterhin in Richtung Windows und Unix verschiebt und Industrie wie Besucher einen Schwerpunkt im Bereich Publishing fordern, dann kann man auch über eine Namensänderung nachdenken. Ich halte das durchaus nicht für ausgeschlossen.

? In den vergangenen Jahren stand der Mac im Vordergrund der Messe. Nun wurde das Thema Publishing in den Messetitel mit aufgenommen. Drängt man dadurch denn nicht den ganzen Macintosh-Markt in eine bestimmte Ecke? Sind diese Rechner für nichts anderes zu gebrauchen?

SCHERZER: Ich kann als Messeveranstalter keinen Markt machen. Die Industrie und die Kunden prägen den Markt. Ich kann als Messe nur Spiegel des Marktes sein. Und wenn der Markt von mir eine Macworld & Publishing Expo oder später vielleicht sogar eine Computer-Publishing Expo erwartet, dann werden wir das auch umsetzen. Die Zahl der Aussteller und auch die Resonanz der Industrie zeigt jedenfalls ganz klar, daß wir den richtigen Nerv getroffen haben.

? Wie haben diejenigen Aussteller auf die Namensänderung reagiert, die zwar Produkte für die Apple-Plattform anbieten, aber sich nicht auf Publishing spezialisiert haben? Fühlen die sich nicht fehlplaziert?

SCHERZER: Nein. Weil diese Messe die wirklich einzige Heimat für Mac-Anwender ist. Es gibt sonst keine Messe, die sich in der Form auf diesen Anwenderkreis konzentriert. Auf den bekannten Großmessen geht der Macintosh-Bereich einfach unter.

? Das heißt, Sie wollen auf der einen Seite neue Klientel ansprechen, gleichzeitig aber auch die alte Stammkundschaft halten?

SCHERZER: Ja. Die Basis der Messe bilden bislang die Mac-Anwender, wobei wir letztes Jahr schon den Trend erkennen konnten, daß es jede Menge Besucher gab, die sich ganz einfach zum Thema Publishing informieren wollten. Denen war egal, welche Plattform hier im Vordergrund stand. Wir haben schon letztes Jahr damit begonnen, den Bereich Publishing zu fokussieren. Wir hatten die Besucherwerbung darauf ausgerichtet und verstärkt die professionelle Anwenderschaft angesprochen. Es handelt sich also bei der MacWorld & Publishing Expo um eine Fachmesse, die sich an Besucher richtet, die mit dem Mac oder mit Windows NT-Systemen oder mit was auch immer ihr Geld verdienen. Das ist keine Turnschuh-Messe mehr wie noch 1992 oder 1993 - damals noch in Berlin. Es hat sich alles grundlegend verändert.

? Im Publishing-Markt angestammte Hersteller wie Adobe oder Quark fahren eine Cross-Plattform-Strategie und erwirtschaften nach eigenen Aussagen schon heute 50 Prozent ihres Umsatzes mit Windows-Software.

Lockt das weiter Unternehmen aus der "Wintel-Welt" auf den Plan, die sich nunmehr auch im Publishing-Markt ihre Pfründe sichern wollen?

SCHERZER: Ein Vorzeigeunternehmen, das genau diese Strategie verfolgt, ist beispielsweise der Druckerhersteller Epson. Er will ganz offensichtlich im Medienproduktions- und Publishing-Bereich stärker Fuß fassen. Dieser Hersteller entwickelt mittlerweile Drucktechnologien für diesen Markt und ist sicherlich deswegen zum ersten Mal mit einem eigenen Firmenstand auf der Messe vertreten. Epson will sicherlich nicht den Mac-Markt erobern, das Interesse gilt aber sicherlich dem professionellen Publishing-Markt. Es gibt dieses Jahr einige Unternehmen, die nunmehr mit einem eigenen Stand vertreten sind.

? Zum ersten Mal wird auf dieser Messe auch ein eigener Bereich für den Fachhandel eingerichtet. Warum sollen Händler die Messe besuchen? Wurde dieser Bedarf seitens der Händler angemeldet, möchten die Aussteller ihre Vertriebspartner um sich haben?

SCHERZER: Ich denke, daß der Fachhandel nur dann langfristig eine Überlebenschance hat, wenn er sich in beratungsintensive Bereichen hineinbewegt. Und Publishing ist nun sicherlich kein triviales Geschäft. Hier geht es um die Vernetzung verschiedener Plattformen und um programmübergreifende Lösungen. Hier geht es auch um den Vertrieb von Medien aller Art. Wer hier tätig sein will, muß in der Lage sein, CD-ROM-Produktion, Internet und Papier-Publishing und Dokumentendruck verbinden zu können. Und das ist sehr, sehr beratungsintensiv. Das Marktpotential, das sich dem Händler bietet ist sehr hoch. Es gibt keinen großen Erfahrungshorizont, weil die Entwicklung in den letzten Jahren sehr schnell vorangeschritten ist. Von daher könnte ich mir vorstellen, daß es gerade auch für Händler sehr interessant ist, im Rahmen von so einer Messe einfach mal das komplette Spektrum vor Augen zu haben und zu überlegen, ob eine Spezialisierung des eigenen Geschäftes möglich ist. Ich halte das für sehr wichtig.

? Sie wollen also nicht nur die klassischen Macintosh-Händler ansprechen, sondern vor dem Hintergrund des erweiterten Messekonzeptes eigentlich alle Händler, die darüber nachdenken, in diesem Marktsegment aktiv zu werden?

SCHERZER: Ja. Die Messe ist für alle Händler interessant, die sich in irgendeiner Form mit dem Thema Publishing auseinandersetzen wollen, oder dies bereits tun.

? Was glauben Sie denn, wie viele Händler Sie aktivieren können, die Messe zu besuchen?

SCHERZER: Das ist eine schwere Frage. Ich kann mir aber gut vorstellen, daß es einige hundert werden. Im Großraum Düsseldorf sitzt die Medienproduktions-Industrie, und ich gehe davon aus, daß dort auch jede Menge Händler ansässig sind. Auch viele Druckereien und die Werbeszene sind hier zu finden.

? Mit wie vielen Besuchern der Messe rechnen Sie insgesamt?

SCHERZER: Wir rechnen insgesamt mit 35.000 Besuchern. Das ist in etwa der Level des letzten Jahres. Wir erwarten zudem rund 300 Aussteller, die sich auf einer Fläche von 16.000 Quadratmetern präsentieren. Das sind 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Für die beiden Kongresse, die während der Messe stattfinden, haben wir bereits 400 Anmeldungen.

? Gibt es besondere Highlights auf der Messe?

SCHERZER: Ja. Das Digital Solution Center ist sicherlich einer der Höhepunkte. Dort werden vernetzte Lösungen und Produktionsabläufe gezeigt. Hier können sich Besucher und auch Unternehmen informieren, wie digitaler Druck oder Web-Publishing funktioniert. Das ist einmalig in der deutschen Messelandschaft. In dieser Form wurde so etwas noch nie einem breiten Publikum gezeigt.

Dann gibt es ein sogenanntes "Digitales Theater" auf der Messe zu sehen. Dort werden Fachvorträge, Vorführungen, Produkt-Demonstrationen und Diskussionen stattfinden. Und das an allen drei Messetagen. Zudem findet parallel zur Messe das Fogra-Symposium 1997 statt.

? Was verbirgt sich dahinter?

SCHERZER: Das ist die Veranstaltung der Forschungsgesellschaft für Druck in München. Die sind mit der MacWorld & Publishing Expo nach Düsseldorf umgezogen. Die letzten sieben Jahre fand die Konferenz immer in München statt. Und ab diesem Jahr läuft ihr Jahressymposium parallel zur Macworld & Publishing Expo. Dort geht es um das Thema Computer-Publishing. Außerdem findet zur Messe die Jahreshauptversammlung des Arbeitskreises Digitale Fotografie, kurz ADF, statt. Auch hier werden etwa 500 Besucher erwartet.

? In Düsseldorf findet auch die DRUPA statt, die Messe der Druck- und Papierindustrie. Wird auch darüber nachgedacht, mit dieser zu kooperieren?

SCHERZER: Das ist mit einer der Gründe, warum wir nach Düsseldorf übergesiedelt sind. Denn die Düsseldorfer Messegesellschaft, hat mit der DRUPA und der Imprinta zwei sehr große internationale Druckfachmessen am Standort. Die finden aber nur alle vier Jahre statt. Aber die Medienproduktions-Industrie hat einen schnelleren Rhythmus, eine jährliche Veranstaltung war also notwendig. Und das ist die MacWorld & Publishing Expo. Wir ergänzen uns also. Wir differenzieren uns aber von diesen Druckfachmessen dadurch, daß bei uns der Computer im Vordergrund steht.

? Sie sind auch Herausgeber der Fachzeitschrift Macwelt. Welches Leserecho spüren Sie eigentlich auf die Entwicklungen bei Apple? Wie hat sich die Auflage entwickelt?

SCHERZER: Wir haben in Deutschland das Glück und das Pech gleichzeitig, daß der Marktanteil sich von Apple in den letzten Jahren immer um die drei Prozent herum bewegt hat. Das heißt, wir sind ohnehin gewohnt, mit recht geringen Marktanteilen klarzukommen. Und wir haben noch den Vorteil, daß sich das Leserklientel der Macwelt zu 70 Prozent aus professionellen Anwendern rekrutiert. Apple verkauft seine Produkte immer noch recht ordentlich in die Märkte Publishing und Medienproduktion hinein. Erhebliche Verluste mußten sie in Deutschland im Einsteiger-Markt und Education-Bereich hinnehmen. In den USA, Frankreich oder England ist das anders. Hier haben alle Mac-Titel mit Auflagenrückläufen zu kämpfen. Die Auflage der Macwelt bleibt weiterhin sehr stabil. Wir haben bei den Abonnements sogar noch deutlich zulegen können. Eines der Kernthemen ist eben das Publishing. Und dort werden zunehmend auch plattformübergreifende Lösungen vorgestellt.

? Apple-Chef Peter Dewald hat anläßlich der Bekanntgabe der Jahresergebnisse gesagt, daß sich Apple in Zukunft wieder verstärkt um den Publishing-Markt kümmern möchte. Das ist natürlich insofern interessant, als Apple eigentlich über die letzten Jahre hinweg bewiesen hat, daß ihnen gerade dort der Erfolg immer mehr verwehrt wird. Halten Sie diese Ankündigung für ein tragfähiges Konzept?

SCHERZER: Nach meinem Dafürhalten hat Apple nur eine Chance, wenn sie sich auf bestimmte Märkte fokussieren. Vom Massenmarkt sollten sie tunlichst die Finger lassen. Hier haben es selbst die großen Markenanbieter aus der PC-Welt sehr schwer. Trotzdem probieren sie es immer wieder. Im Kreativ-Markt hat Apple nach wie vor ein sehr, sehr treues Publikum. Und Apple muß vor allem mit überzeugenden Lösungen und Konzepten für die Zukunft auftreten.

Sie müssen auch klarmachen, daß das Mac-Umfeld keine Insellösung darstellt, sondern daß durchaus Kooperationsmöglichkeiten mit Windows-Plattformen bestehen. Es ist ja de facto auch so, aber sie machen es dem Markt nicht klar. Unternehmen wie Sun Microsystems oder Silicon Graphics zeigen sehr wohl auf, daß man auch in einer Nische über die Runden kommen kann, auch langfristig. Das gelingt aber nur, wenn man klare Konzepte vorzuweisen hat. Und die fehlen bei Apple derzeit.