eBay-Chef Stefan Wenzel im Interview

"Wir müssen besser erklären, wofür eBay heute steht"

30.11.2016 von Matthias Hell
Nach einem halben Jahr im Amt zieht eBay-Deutschlandchef Stefan Wenzel im ChannelPartner-Interview eine erste Zwischenbilanz: Die Plattform biete Händlern einzigartige Chancen, müsse sich aber noch klarer bei den Kunden positionieren.
Stefan Wenzel ist seit April 2016 Deutschland-Chef von eBay
Foto: Ebay

Herr Wenzel, Sie sind jetzt seit rund einem halben Jahr Deutschlandchef von eBay. Was können Sie über Ihre bisherigen Erfahrungen mit der neuen Aufgabe sagen?

Stefan Wenzel: Ich bin gut in meiner neuen Rolle angekommen - und habe das Gefühl, dass eBay oft unterschätzt wird. Wir haben ein Sortiment von weltweit einer Milliarde Artikeln, 140 Millionen Artikeln alleine in Deutschland und zählen 165 Millionen aktive Käufer weltweit, davon 17 Millionen in Deutschland. Wir sind hinsichtlich Traffic und Reichweite unter den stärksten Webseiten in Deutschland überhaupt und können jedem Händler eine effektive und hocheffiziente Verkaufsplattform bieten.

Gerade diese Angebotsgröße und auch das Nebeneinander von professionellen und privaten Angeboten wird eBay gelegentlich als eine gewisse Beliebigkeit ausgelegt. Woran kann das liegen?

Stefan Wenzel: Die Herausforderung unserer immensen Sortimentsgröße ist es, jedem Kunden ein relevantes Einkaufserlebnis zu bieten. Genau deshalb hat das Thema strukturierte Daten derzeit eine so hohe Priorität für uns: Denn nur wenn es uns gelingt, die einzelnen Artikel einem systematischen Produktkatalog zuzuordnen, können wir dem Kunden auch eine ansprechende Personalisierung bieten. Wir sind jetzt bei 48 Prozent der Artikel, die strukturiert und katalogisiert sind, möglich sind jedoch bis zu 90 Prozent. Welche Vorteile sich daraus für die Kunden ergeben, sieht man zum Beispiel bereits an den neuen Browse und Product Pages sowie an den Produktbewertungen, die wir seit dem Frühjahr 2016 integriert haben. Das wollen wir in Zukunft noch deutlich ausweiten.

Trotz 80 Prozent Festpreisangeboten ist eBay oft noch als "Online-Auktionshaus" in den Köpfen der Kunden.
Foto: Denys Prykhodov - Shutterstock.com

Versandservice eBay Plus entwickelt sich nach Plan

Als Online-Plattform muss eBay nicht nur bei den Endkunden punkten, sondern auch die Verkäufer überzeugen. Welche Schwerpunkte setzen Sie hier?

Stefan Wenzel: In der Tat sind die Verkäufer unsere zweite zentrale Zielgruppe und da wir am Erfolg unserer Händler partizipieren, liegt es in unserem ureigenen Interesse, diese so erfolgreich zu möglich zu machen. Dafür haben wir unter anderem gerade das neue Verkäufer-Cockpit Pro eingeführt, das alle für eBay-Händler relevante Funktionen in einem User-Interface bündelt. Ebenso wichtig ist mit Sicht auf die Verkäufer auch die Positionierung von eBay bei den Endkunden. Nach wie vor kennen viele Kunden eBay vor allem als Online-Auktionshaus. Wir müssen noch wirkungsvoller erklären, wofür eBay heute steht. Circa 80 Prozent unseres Geschäfts erfolgt über Neuware zu Festpreisen, das müssen wir klar kommunizieren. Wir verfügen über eine einzigartige Verkäuferbasis von privaten und gewerblichen Anbietern, die dafür sorgt, dass es nahezu nichts gibt, was es bei eBay nicht gibt. Dass wir dadurch jedem einzelnen das genau für sie oder ihn Perfekte bieten können, werden wir mit unserer diesjährigen Weihnachtskampagne sehr deutlich machen.

Vor rund einem Jahr haben Sie den kostenlosen Versand- und Retourenservice eBay Plus eingeführt. Wie sind ihre Erfahrungen mit dem Angebot?

Stefan Wenzel: Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung von eBay Plus. Wir haben inzwischen 185.000 Mitglieder und eine Inventarabdeckung von rund 18 Prozent. Wir stellen wie erwartet fest, dass die Teilnahme an eBay Plus die Loyalität der Kunden steigert. Das mit dem Service verbundene Retourenaufkommen ist sogar unter unseren Annahmen geblieben. Wir werden eBay Plus weiter mit attraktiven Zusatz-Angeboten, besonderem Kundenservice und Anreizen für private Verkäufer ausbauen.

eBay Plus ist ein Vorstoß von eBay Deutschland - gibt es bereits Pläne, den Service in anderen Ländern ebenfalls einzuführen?

Stefan Wenzel: In anderen Ländern ist das Thema Retouren nicht so relevant für eine Kaufentscheidung wie in Deutschland. Wir haben eBay Plus deshalb bewusst für den Markt hierzulande entwickelt. Konkrete Pläne zur Einführung in anderen Ländern gibt es derzeit nicht.

"eBay bietet stationären Händlern Zugang zum digitalen Handel"

Eine weitere interessante Initiative im letzten Jahr war die Zusammenarbeit mit dem stationären Handel im Rahmen der Pilotprojekte, die eBay zunächst in Mönchengladbach und dann auch in Diepholz gestartet hat. Was können Sie darüber berichten?

Stefan Wenzel: Die offizielle Projektzusammenarbeit in Mönchengladbach ging im Juni mit einem sehr erfolgreichen Fazit zu Ende. Im Rahmen des Projekts wurden Artikel im Gesamtwert von über 3,2 Millionen Euro verkauft - das bedeutet pro aktivem Händler ein durchschnittliches zusätzliches Jahresumsatzplus von rund 90.000 Euro. Uns ist es damit erfolgreich gelungen, den stationären Händlern in Mönchengladbach Zugang zum digitalen Handel zu bieten. Händler konnten und können weiterhin über den eBay-Marktplatz schnell und hochvolumig neue Kunden aus dem gesamten Bundesgebiet und sogar aus dem Ausland gewinnen.

Das Folgeprojekt zu "Mönchengladbach bei eBay" ist nun die Zusammenarbeit mit Diepholz. Hier sind wir gerade mit 29 Diepholzer Händlern live gegangen. Weitere Händler werden folgen und wir werden die Diepholzer Innenstadt in Kürze auch mit kostenlosem WLAN versorgen.

Die jüngste Zusammenarbeit mit dem lokalen Handel startete eBay in Diepholz
Foto: eBay

Wird eBay künftig immer mehr lokale Portale starten oder ist es das primäre Ziel von Aktionen wie in Mönchengladbach und Diepholz, zusätzliche Händler für den gesamten Marktplatz zu gewinnen?

Stefan Wenzel: Die Einstiegsseite von "Mönchengladbach bei eBay" ist nach wie vor online, der Umsatz läuft aber wie erwartet größtenteils über die allgemeine eBay-Plattform. Ein Ziel der Projekte ist es, stationären Händlern zu verdeutlichen, wie einfach und kosteneffizient es ist, Online-Zusatzumsätze über eBay zu generieren - ohne in eigene Infrastruktur oder eigenes Online-Marketing investieren zu müssen.

"Wir verstehen und als ‚Enabler’ für neue Shopping-Trends"

In den letzten Jahren hat eBay bei der Zusammenarbeit mit stationären Händler auch Services wie Same-Day-Delivery oder Click & Collect getestet. Was ist von diesen Pilotprojekten geblieben?

Stefan Wenzel: Gerade mit Bezug auf das Thema Same-Day-Delivery ist wichtig zu verstehen, dass eBay hier nie als Logistikanbieter auftrat. Wir haben in der Vergangenheit ein Pilotprojekt mit DHL durchgeführt und beobachten auch weiter den Markt. Doch gibt es in diese Richtung derzeit keine Pläne.

Auch beim Thema Click & Collect verstehen wir uns als "Enabler". Wir haben die entsprechende Technologie entwickelt, die es Händlern mit einer stationären Präsenz ermöglicht, auch Click & Collect über eBay anzubieten. Nun liegt es beim Händler, sich die Frage zu stellen: Ist das Thema relevant für mich und kann ich das in meine In-Store Prozesse nutzenstiftend integrieren. eBay ist eine Plattform, die Zugang zu Traffic und Kunden über alle Endgeräte, aber auch zum Beispiel zu Cross-Border-Trade, anbietet. Dieser Zugang ist technisch einfach und die geringe Provision für all das fällt nur bei einer erfolgreichen Transaktion an - das heißt rein variable Kosten auf den Netto-Umsatz. Es lohnt sich, diese Kosten-Umsatz-Relation mit anderen Werbe- oder Vertriebswegen zu vergleichen. Die Effizienz bei eBay ist enorm wettbewerbsfähig. (mh)

Die Deutschland-Zentrale von eBay in Dreilinden vor den Toren von Berlin
Foto: eBay Germany

Lesen Sie auch: Was bedeutet der Chefwechsel bei eBay?