Fujitsu-Chef Jürgen Walter im Interview

"Wir werden nicht als Service-Company wahrgenommen"

18.07.2013 von Joachim Hackmann
Fujitsu Technology Solutions strebt in Deutschland einen umfangreichen Personalabbau und eine inhaltlichen Neuausrichtung an. Deutschland-Chef Jürgen Walter erläutert die Vorhaben im Gespräch mit CW-Redakteur Joachim Hackmann.
Jürgen Walter, Fujitsu: "Wir hatten schon vor eineinhalb Jahren angekündigt, dass die Verwaltungskosten in der Region zu hoch sind."
Foto: Fujitsu

Fujitsu Technology Solutions strebt in Deutschland einen umfangreichen Personalabbau und eine inhaltlichen Neuausrichtung an. Deutschland-Chef Jürgen Walter erläutert die Vorhaben im Gespräch mit Joachim Hackmann, Redakteur der CP-Schwesterpublikation Computerwoche.
CW: Anfang des Jahres hat Fujitsu angekündigt, weltweit rund 5500 Stellen zu streichen. Bislang waren die Auswirkungen auf die deutsche Belegschaft unklar. Können Sie schon Details zum Restrukturierungsprogramm nennen?
Walter: Unser Transformations-Programm hat zwei Dimensionen: Den leider notwendigen Mitarbeiter-Abbau haben wir im Februar angekündigt. Der Prozess ist konstruktiv verlaufen, so dass wir Anfang Mai den Interessensausgleich mit den Arbeitnehmervertretern unterzeichnen konnten. Derzeit beschäftigen wir uns mit der Umsetzung, beispielsweise mit der Einrichtung der Qualifizierungsgesellschaft. In anderen Ländern ist der Prozess weiter fortgeschritten, zum Teil konnten wir die Reduktion bereits im März abschließen. Je nach gesetzlichen Rahmenbedingungen gibt es hier unterschiedliche Geschwindigkeiten.

Die zweite Dimension betrifft die inhaltlich wichtigere strategische Entwicklung der Company. Wir werden unsere extrem gute Produkt- und Technologiebasis nutzen, um uns noch stärker in Richtung Lösungen und Services zu entwickeln. Fujitsu ist weltweit die Nummer drei im IT-Service-Markt und in den meisten Ländern werden wir auch als IT-Service-Company wahrgenommen. Das ist in Deutschland anders, obwohl wir beispielsweise für große DAX-Unternehmen die Data-Center betreiben. Hierzulande gilt Fujitsu zumeist als Produkt- und Technik-Unternehmen, das PCs, Server und Storage fertigt und vertreibt. Wir werden klar machen, dass wir mehr können.

Der Eingang zum Fujitsu-Werk
Die noch nackte Platine
So sieht die Platine vor der Bestückung aus.
Hier beginnt alles
Der Anfang der Produktionsstrecke der noch nicht bestückten Mainboards.
Auf solchen Rollen werden die Bauteile geliefert, die maschinell auf die Platine gesetzt oder gelötet werden.
Produktionshalle für PC- und Server-Mainboards
Hier stehen die Bauteile in kleinen Karren bereit.
Blick über die Produktionshalle
Bestückung
Der Bildschirm zeigt die Stellen an, an denen eine Bestückung erfolgen wird.
Aufbringung der Leiterbahnen
So sieht ein Platinenbestückungsrahmen aus.
Platinenbestückungsrahmen
Bereich des Lotpasten - Schablonendruck (Lötseite)
Die Maschine übergibt eine Platine an die andere.
Diese Frau entfernt den Bestückungsrahmen.
Lötung
Die silberne Flüssigkeit in Form einer Rolle ist die Lötpaste.
Die Lötung geschieht automatisch.
Ein Großteil der Bauteile werden von den Maschinen aufgebracht.
Kleine Bauteile, die die Maschine nicht aufbringen kann, werden von geschickten Frauenhänden aufgesteckt.
Fujitsu Mainboard-Produktion
Fertig produzierte Mainboards
Supermarkt
Die Lagerstätte der Mainboards wird intern Supermarkt genannt.
Die fertig bestücken Mainboards kommen jetzt in den Testbereich.
Testbereich
Das Mainboard kommt in den Testbereich. Im Hintergrund sieht man die bereits fertigen Boards.
Prüfung der Systeme (1)
Prüfung der System (2)
Prüfung der Systeme (3)
UFT
Hier ist der Bereich des Universial Function Test.
Fehler
Ist ein Board fehlerhaft wird es rot gerahmt und muss von einem Mitarbeiter überfprüft werden.
Überprüfung
Diese Frau überrprüft gerade ein Board. Bei diesem scheint alles OK zu sein.
Hier scheinen die Systeme alle in Ordnung sein.
Erklärung des Tests (1)
Erklärung des Tests (2)
Absorberkammer
In der Absorberkammer wird die elektromagnetische Verträglichkeit gemessen. An diesem Tag wurde die Lautstärke des Servers gemessen.
Absorberkammer (2)
Diese Antenne definiert den Abstand zu dem Prüfling.
Absorberkammer (3)
Absorberkammer (4)
In diesem Raum wird die Geräuschemission gemessen.
Letzter Schliff
Letzte Komponenten werden verbaut und kontrolliert.
Das ist die Halle der Verpackungsarbeiten
Hier werden die Produkte, die benötigt werden zusammengestellt und vom Logistik-Train abgeholt.
Verpackungshalle
Verpackung bzw. Kartonagen
Nicht nur der Ablauf von der Bestückung und Kontrolle sind gut durchdacht, sondern auch die Verpackungen selbst.
Fertig zusammengestellte Notebooks bzw. Systeme.
Verpackung
Hier findet die finale Packungsarbeit der Systeme statt.
Verpackung bzw. Kartonagen
Platzsparrende Verpackungen von Fujitsu.
Logistik-Train
KUKA
Einer von Fujitsus Kunden ist der Roboterhersteller KUKA.

Jürgen Walter im Porträt

Anfang April 2013 hat Jürgen Walter den Vorsitz der Geschäftsführung in Deutschland und die Verantwortung für die Region Zentraleuropa (Deutschland, Österreich und die Schweiz) übernommen. Zuvor war als Chief Corporate Development Officer für die Strategie und die Weiterentwicklung des Herstellers verantwortlich. In dieser Position hat er bereits maßgeblich an der inhaltlichen Neuausrichtung des Unternehmens in Deutschland mitgewirkt.

Walter trägt auch weiterhin als Mitglied des Fujitsu Executive Teams die Verantwortung für die Region CEMEA&I (Kontinentaleuropa, Naher Osten, Afrika und Indien). Vor seinem Wechsel zu Fujitsu Anfang 2012 hatte Walter über zehn Jahre führende Positionen bei Nokia Siemens Networks, unter anderem als Mitglied des Executive Boards, und Siemens Communications inne.

Walters Vorgänger, der vorherige Deutschland-Chef Marcel Schneider, hat das Unternehmen nach der CeBIT 2013 verlassen. Er war nur wenige Monate im Amt. Erst im Oktober 2012 hatte CEO Rolf Schwirz den Chef-Posten bei Fujitsu geräumt und anschließend den Vorstandsvorsitz bei Kontron übernommen.

Alle Geschäftsbereiche sind betroffen

CW: Wie viele Mitarbeiter sind von den Abbauplänen in Deutschland betroffen?

Walter: Wir verfolgen in unserer Region das Ziel, die Kosten pro Jahr um 150 Millionen Euro zu reduzieren. Das lässt sich nicht allein durch Personalabbau erzielen. Wir haben parallel dazu viele weitere Aktivitäten gestartet, um die Kosten zu senken. Zahlen auf Länderebene veröffentlichen wir grundsätzlich nicht.

CW: In welchen Geschäftsbereichen wird gestrichen?

Jürgen Walter, Fujitsu: Verstärkter Einsatz von Offshoring-Kapazitäten.
Foto: Fujitsu

Walter: Wir haben keinen ausgenommen. Es gibt Maßnahmen in der Entwicklung, in der Fertigung, im Service-Delivery und im Sales. Der Schwerpunkt liegt aber auf den Overhead-Funktionen. Das kommt nicht überraschend. Wir hatten schon vor eineinhalb Jahren angekündigt, dass die Verwaltungskosten in der Region zu hoch sind.

CW: Forschung und Entwicklung, sowie Services-Delivery - das sind alles Bereiche, die eigentlich für die künftige Ausrichtung des Unternehmens wichtig sind. Warum wurde dort gestrichen?

Walter: Wir müssen permanent unsere Kostenposition und Wettbewerbsfähigkeit verbessern. In der Entwicklung werden wir die Leistungsfähigkeit trotz der angekündigten Maßnahmen nicht reduzieren. Wir werden die Arbeiten durch das Offshoring von Leistungen ergänzen. Durch eine Mischkalkulation bei den Stundensätzen können wir unsere Entwicklungskapazität bei reduzierten Kosten erhöhen. Das gleiche gilt für das Service-Delivery. Wir achten streng darauf, nicht die für unsere Zukunft wichtigen Segmente zu schwächen. Deshalb liegt der Schwerpunkt der Personalmaßnahmen auf den Overhead-Kosten, die keine Wirkung auf das Kundengeschäft haben.

Der Markt ist wettbewerbsintensiv, daher musste was geschehen

CW: Wie ist angesichts der Einschnitte die Stimmung in der Belegschaft?

Walter: Wir sind uns alle einig, dass das nicht angenehm ist. Konsens besteht aber auch darin, dass wir etwas tun mussten, weil der Markt extrem wettbewerbsintensiv ist. Ich denke, wir haben, gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern, faire Konditionen für die Mitarbeiter gefunden, was etwa Abfindungen und Qualifizierungsmaßnahmen betrifft. Wichtig ist, dass man eine solch schwierige Situation irgendwann hinter sich lassen kann.

CW: Wann wird das soweit sein?

Walter: Die Qualifizierungsgesellschaft wird zum 1. September starten. Ein wesentlicher Teil der Kollegen, die sich für diesen Weg entscheiden, werden daher zum 31. August in die Qualifizierungsgesellschaft wechseln. Wir planen, die Maßnahmen in Deutschland bis Ende des Jahres unter Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen abzuschließen.

CW: Weltweit ist Fujitsu ein wichtiger Player im IT-Servicegeschäft. Warum hat das in Deutschland bislang nicht geklappt?

Jürgen Walter, Fujitsu: Wir werden im Servicemarkt sichtbarer werden.
Foto: Fujitsu

Walter: In Deutschland wird Fujitsu mit Produkten, Notebooks, Servern und Storage-Systemen assoziiert, nicht mit Services. Wir müssen und werden mehr tun, um unser Serviceportfolio, das von Business- und Applikations-Services bis hin zu Managed-Infrastructure-Diensten und Maintenance reicht, sichtbarer zu machen.

Unser Differenzierungsmerkmal ist, dass wir Produkte - vom mobilen Client bis zum Supercomputer - mit Software, Lösungen und Services kombinieren können.

CW: Das können die weltweit größten Serviceanbieter, IBM und HP, auch.

Walter: Diverse andere Wettbewerber sind nur im Servicegeschäft unterwegs.

CW: Der Servicemarkt, so wie sie ihn mit dem genannten Portfolio beschrieben haben, ist in Deutschland reif und in festen Partnerbeziehungen. Wir wollen sie die engen Banden zwischen Partner und Kunde aufbrechen?

Walter: Wir haben gute Kundenbeziehungen, auf deren Basis sich neue Möglichkeiten ergeben, wenn wir etwa mit unseren Produktkunden über zusätzliche Services wie Managed Storage und Data-Center-Betrieb sprechen. Sowohl im Mittelstand als auch in den Großunternehmen ist der Trend weg vom internen Betrieb und hin zu externen Services noch längst nicht abgeebbt.

Zudem betreten wir mit dem Offshoring die nächste Stufe der Service-Erbringung. Fujitsu betreibt Delivery Center, die quer über die Welt verstreut sind, etwa in Polen, Portugal, auf den Philippinen und natürlich in Indien. Durch eine intelligente Mischung von Onshore- und Offshore können wir Kosten reduzieren.

CW: Die Prozesse im Offshoring genau auszutarieren, ist nicht einfach. Andere Anbieter wie Tata, Infosys, HP und IBM haben hier einen jahrelangen Erfahrungs- und Know-how-Vorsprung.

Walter: Fujitsu ist die weltweite Nummer drei, so schlecht sind wir nicht aufgestellt. Entscheidend ist nicht das Portfolio der anderen, sondern wie wir unsere Services anbieten. Wir sind nah am Kunden, gehören zu einem japanischen Konzern und orientieren uns am deutschen Datenschutz - das sind wichtige Differenzierungsmerkmale.

CW: In jüngster Zeit ist es etwas ruhig um den App Store von Fujitsu geworden.

Walter: Wir haben ständig neue Partner gewonnen. Zurzeit nutzen etwa 2000 Kunden unseren Cloud Store. Angesichts der Einnahmen ist er kein Schwerpunktthema für uns. Dennoch ist es wichtig, in dieser Richtung Präsenz zu zeigen. Der Marktplatz stellt den Partnern und Anwendern ein interessantes Delivery-Modell zur Verfügung, und uns schafft er die Gelegenheit, ein Partner-Ökosystem aufzubauen.

Wir werden weiter zu fairen Bedingungen fertigen

CW: Was denken Sie, wo Fujitsu in zwei Jahren steht?

Walter: In Deutschland werden wir im Retail-Markt deutlich stärker wahrgenommen. Die Umsatzverteilung unsere Portfolio-Mixes wird sich zu den Serviceleistungen verschieben. Heute nehmen wir etwa ein Drittel des Umsatzes mit Services ein, das wird mehr werden, bei gleichzeitig absolutem Umsatzwachstum im Produktgeschäft. Auch in zwei Jahren werden wir noch in Deutschland zu fairen Bedingungen in hoher Qualität fertigen. (mhr)