Wohin steuert Linksys?

31.07.2008
Um die Cisco-Tochter Linksys ist es merkwürdig still geworden. Das könnte damit zu tun haben, dass Cisco sie leise dreht in Richtung Heimnetze.

Von Wolfgang Leierseder

In den USA ist die Cisco-Tochter Linksys uneingeschränkt Marktführer im Segment der Heimvernetzung und einer der großen Anbieter von Netzwerkkomponenten für kleine Unternehmen ("Small Business"). Die im Jahr 2003 von Cisco für 550 Millionen Dollar übernommene Firma, deren Jahresumsatz damals so hoch war wie der Kaufpreis, hat seitdem allerhand Versuche unternommen, sich sowohl im Retail-Kanal zu etablieren als auch mit einer Reihe von Netzkomponenten, deren spektakulärstes die in Deutschland niemals in den Markt gebrachte VoIP-Lösung "Linksys One" war, sich bei Service Providern bekannt zu machen.
Dass Linksys zudem einen indirekten Kanal aufbaute, um mit den von Cisco nicht abgedeckten kleinen Unternehmen ins Geschäft zu kommen, entsprach ebenfalls den offiziellen Plänen. Schließlich war es erklärtes Ziel des Netzwerkers, die Milliarden Dollar-Grenze beim Umsatz zu überschreiten.Doch sosehr Linksys sich in den USA anstrengte und anstrengt, um eine "Multi Billion-Company" zu werden, wie der ehemalige Linksys-Chef und heutige Avaya-CEO Charles Giancarlo gesagt hat - seine Bemühungen, in Europa Fuß zu fassen, waren ungefähr so überzeugend wie die eines Bergsteigers, der in Turnschuhen die Eiger-Nordwand durchsteigen will. Um das am Beispiel des deutschsprachigen Raumes zu belegen, genügt, sich allein die Personalentwicklung der Linksys Deutschland zu betrachten.

Als Linksys hierzulande vor drei Jahren begann, Geschäfte zu machen, zählte es zwei Mitarbeiter. Einer war Thomas Retzlaff, vormals bei der Aachener Elsa AG, nunmehr als Regional Manager D.A.CH verantwortlich für die Geschäfte im deutschsprachigen Raum. Er hatte die wenig dankbare Aufgabe, die Produkte von Linksys sowohl im Retailkanal zu etablieren als auch den indirekten Kanal für SB-Geschäfte zu gewinnen.

Das tat Retzlaff auch. Es gelang ihm, den Umsatz während der drei Jahre deutlich nach oben zu schrauben, und er schaffte es, die Mitarbeiterzahl auf fünf aufzustocken. Dass das zuwenig war, um Linksys so zu plazieren, wie es davor der einstigen Nortel-Tochter Netgear gelungen war: als eindeutiger Platzhirsch im SoHo-Markt für Netzkomponenten, und als einer der gefragten Anbieter im SMB-Markt – das lag auf der Hand.

Zwar versuchte Linksys mit allerhand Getrommel, etwa mit der Ankündigung von Produkten, die jedoch nie das Licht des Marktes erblickten, oder mit Allianzen, die stillschweigend zu den Akten gelegt wurden, den Eindruck zu erwecken, es sei kurz davor, im SMB- und auch im Consumer Business-Geschäft zur entscheidenden Aufholjagd anzusetzen. Doch auf die Frage, mit welchen Mitarbeitern die hochgemuten Pläne erreicht werden sollen, musste die Company jedes Mal kleinlaut zugeben, mit eben denen, die sich auch bis dato abgemüht hatten. Die einzige Personalmeldung von Linksys Deutschland in den vergangenen 24 Monaten lies immerhin den Schluss zu, dass mit der Einstellung einer Person die D.A.CH.-Mannschaft um 25 Prozent größer geworden war.

Chamber`s Interview

Als Cisco-Chef John Chambers im Juli 2007 in einem Interview ankündigte, Linksys werde komplett in Cisco aufgehen, mussten die Cisco-Presseabteilung Schwerstarbeit verrichten. Denn einerseits konnte sie ihren Chef nicht dementieren, andererseits auch nicht "Nichts" sagen. So wurden mehrere Korrekturen des Interviews veröffentlicht, bis sich die Linksys-PR schließlich auf "Missverständnisse" in der Wiedergabe des Interviews einigte. Zwar wurde bei der Betrachtung des Interviews nicht klar, worin das Missverständnis bestanden haben sollte, doch Linksys tauchte dann wieder ab.
Als vor der diesjährigen Cebit 2008 ein Flyer mit einem Produktfoto des Linksys-Produkts "Linksys by Cisco Continuous Data Protection for Files" auftauchte, wurde zumindest soviel klar: Künftig würde das Unternehmen unter dem Brand "Linksys by Cisco" agieren.
Was jedoch dadurch nicht geklärt wurde, war, mit welchen Produkten sich Linksys neben Cisco behaupten würde. Langjährige Beobachter des Unternehmens wussten auch nicht viel mehr, als dass eine Änderung ins Haus stehe, die den Rückzug der Cisco-Tochter aus dem SMB-Geschäft bedeuten würde. "Cisco will diese Geschäfte selber machen", sagte ein Beobachter zu ChannelPartner. Und er begründete seine Ansicht damit, dass Cisco sein SMB-Geschäft ausbauen wolle. "Der Brand Cisco soll endlich auch außerhalb der Netzwerkbranche bekannt werden."

Cisco will "ins Wohnzimmer"

Seitdem sind fünf Monate vergangen, und in dieser Zeit hat Linksys Deutschland genau eine Produkt-Neuigkeit angekündigt: den Wireless Router "WRT54G2" - das Nachfolgermodell des Routers "Wrt54g". Aber auch die amerikanische Linksys hat außer einem neuen Leasingmodell für VARs nichts zu melden gehabt, was für den indirekten Kanal wichtig gewesen wäre. Allein die 120 Millionen Dollar teure Übernahme des in Seattle ansässigen Anbieters von Management-Software für Heimnetze, Pure Netwoks, entfachte erneut Kommentare. Denn sie gab einen deutlichen Hinweis darauf, wohin Cisco Linksys steuern will: "Ins Wohnzimmer", wie ein amerikanischer Analyst sagte. Cisco selber erklärte dazu, die Akquisition von Pure Networks werde es dem Netzwerker ermöglichen, seine Endkunden-Strategie weiter zu verfolgen.
Dass das Konsequenzen für Linksy hat, und ebenso für Cisco, liegt auf der Hand. Seit dem Kauf von Kiss Technology und Scientific Atlanta im Jahr 2005 gilt als ein großes Ziel des Netzwerkers, die Netze der Endkunden zu beherrschen. Sei es durch die Settop-Boxen von Scientific, die Multimedia-Geräte von Kiss – und nun durch die zugekaufte Software, die es beispielsweise Service Providern ermöglicht, die Heimnetze der ihrer Kunden aus der Ferne zu warten.

Das heißt aber für Linksys, sich mit in diese Richtung zu bewegen – und sich von seinen SMB-Sparten zu trennen. Davon zumindest gehen Marktbeobachter aus.

Thomas Retzlaff aber, der seit 2005 die Geschäfte vorangetrieben hat, hat nunmehr auch eine Konsequenz gezogen. Er ist nicht länger Regional Manager D.A.CH bei Linksys. Er ist zu Cisco gewechselt und kümmert sich dort um die Distribution. Guido Sommer, bisher für die Distribution und das SMB-Geschäft verantwortlich, ist jetzt für das SMB-Gesc häft zuständig. Dazu erklärte Cisco Deutschland gegenüber ChannelPartner: "Der offizielle Titel von Guido Sommer lautet wieterhin: Direktor Vertrieb SMB und Distribution."

Linksys D.A.CH aber ist wieder so klein wie vor zwei Jahren.(wl)