Mitspracherecht beim Änderungsvertrag

Zehn Stunden mehr arbeiten? Nicht ohne meinen Betriebsrat!

15.01.2010
Vor Abschluss eines Änderungsvertrages muss die Arbeitnehmervertretung gehört werden, sagt Dr. Christian Salzbrunn.

Die Mitbestimmungsrechte von Betriebsräten sind im deutschen Arbeitsrecht stark ausgeprägt. Nach § 99 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hat der Betriebsrat in einem Unternehmen zum Beispiel auch dann ein Mitspracherecht, wenn der Arbeitgeber einen neuen Mitarbeiter einstellen möchte.

In einem Beschluss vom 15.05.2007 hat das BAG zu dieser Regelung schon entschieden, dass eine Beteiligung des Betriebsrats nicht nur bei gänzlichen Neueinstellungen zu erfolgen hat, sondern dass auch schon eine nicht unerhebliche Erhöhung des Arbeitszeitvolumens eines Mitarbeiters das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auslösen kann. Allerdings hatte das BAG in diesem Beschluss über eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit einer Vollzeitkraft um lediglich 5 Wochenstunden zu befinden und hierzu die Auffassung vertreten, dass eine solche geringfügige Erhöhung noch nicht erheblich sei. Eine positive Grenze, ab wann aber von einer erheblichen Erhöhung auszugehen ist, nannte das Gericht seinerzeit nicht (BAG, Beschluss vom 15.05.2007, Az.: 1 ABR 32/06).

Nun hat das BAG in einem neuen Verfahren zu dieser Rechtsfrage ausdrücklich Stellung bezogen und seine Rechtsprechung hierzu weiter konkretisiert. In diesem Fall ging es um einen Arbeitgeber, der ca. 300 Modegeschäfte betrieb. In einer dieser Filialen mit ca. 38 voll- und teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern war auch ein Betriebsrat gebildet. Ende 2005 bat der Arbeitgeber den Betriebsrat um Zustimmung zu einer befristeten Einstellung einer neuen Mitarbeiterin für 20 Wochenstunden bei einer stundenweisen Vergütung. Der Betriebsrat stimmte der Einstellung am 03.01.2006 zu. Nachdem allerdings die neue Mitarbeiterin gerade einmal 2 Wochen für den Arbeitgeber tätig war, wurde die wöchentliche Arbeitszeit für einen Zeitraum von - zunächst - zwei Monaten einvernehmlich mit der Mitarbeiterin von 20 auf 37,5 Stunden erhöht. Hiervon unterrichtete der Arbeitgeber den Betriebsrat zwar, holte aber nicht erneut dessen ausdrückliche Zustimmung ein. Daraufhin klagte der Betriebsrat vor den Arbeitsgerichten auf Feststellung, dass er auch in einem solchen Fall nach § 99 BetrVG zu beteiligen sei.

Arbeitszeiterhöhung wirft gleiche Fragen auf wie Neueinstellung

Und er bekam insoweit auch in allen Instanzen Recht. In seinem Beschluss vom 09.12.2008 verwies das BAG zunächst auf seine bisherige Rechtsprechung, wonach in einer nach Dauer und Umfang nicht unerheblichen Erhöhung der regelmäßigen Arbeitszeit eines Arbeitnehmers eine Einstellung im Sinne des § 99 Abs. 1 S. 1. BetrVG vorliege. Auch wenn sich eine solche Auslegung nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm ergäbe, sei sie dennoch nach dem Sinn und Zweck des § 99 BetrVG geboten. Denn dieses Mitbestimmungsrecht diene vor allem den Interessen der bereits beschäftigten Mitarbeiter. Diese seien auch dann berührt, wenn der Umfang der vereinbarten Arbeitszeit eines Mitarbeiters erheblich erhöht werde. Da eine solche Erhöhung letztlich dieselben Fragen wie eine Ersteinstellung aufwerfe, bedürfe es auch einer erneuten Beurteilung durch den Betriebsrat. Sodann konkretisierten die Richter ihre bisherige Rechtsprechung dahingehend, dass von einer solchen nicht unerheblichen Erhöhung des Arbeitszeitvolumens immer dann gesprochen werden müsse, sofern eine Erhöhung von mindestens zehn Wochenstunden vorliegt. Denn nach Ansicht der Richter komme ein Arbeitsvolumen von zehn Wochenstunden nämlich bereits ernsthaft als ein Teilzeitarbeitsverhältnis in Betracht.

Daneben wiesen die Richter des BAG auch darauf hin, dass der Betriebsrat seine Beteiligung bereits vor dem Abschluss eines der Verlängerung der Arbeitszeit zugrunde liegenden Änderungsvertrages verlangen könne. Zwar stelle der Änderungsvertrag selbst keine Einstellung dar und unterliege als solches auch nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Die Einstellung im Sinne des § 99 BetrVG liege daher erst in der tatsächlichen Beschäftigung des Mitarbeiters mit der erhöhten Arbeitszeit. Gleichwohl müsse der Betriebsrat bereits im Vorfeld einer solchen Maßnahme beteiligt werden. Denn zur Wirksamkeit des Mitbestimmungsrechts sei es grundsätzlich erforderlich, dass die Beteiligung des Betriebsrats zu einer Zeit erfolgt, zu der noch keine abschließende und endgültige Entscheidung getroffen wurde (BAG, Beschluss vom 09.12.2008, Az.: 1 ABR 74/07).

Fazit:

Als Fazit kann aus dieser Entscheidung folgendes festgehalten werden: Künftig ist der Betriebsrat nach § 99 BetrVG noch vor dem Abschluss eines Änderungsvertrages mit einem Mitarbeiter zu beteiligen, sofern dessen regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für die Dauer von mehr als einen Monat um mindestens zehn Stunden pro Woche erhöht werden soll. (oe)

Dr. Christian Salzbrunn ist Rechtsanwalt in Düsseldorf.

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