Zeitmanipulation: Vertrauensbruch am Arbeitsplatz

24.11.2005 von Thomas Feil
Die Manipulation der Zeiterfassung ist einer der wenigen Fälle, bei denen dem Arbeitnehmer sofort gekündigt werden kann. Rechtsanwalt Thomas Feil erklärt die einzelnen Schritte.

Manipulationen bei der Zeiterfassung gefährden das Arbeitsverhältnis. Das musste der Arbeitnehmer feststellen, über dessen Fall das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Az.: 11 Sa 1285/03) zu entscheiden hatte. Der Arbeitnehmer hatte die Nachtschicht zwei Stunden zu früh verlassen. Seine Stechkarte wies allerdings das reguläre Arbeitszeitende aus. Dem Mitarbeiter war nicht nachzuweisen, dass er einen Kollegen angestiftet hatte, statt seiner die Stechkarte abzustempeln.

Vor Gericht gestand der Mann, wegen Magenschmerzen vorzeitig seinen Arbeitsplatz verlassen zu haben. Das Landesarbeitsgericht ließ diese Ausrede nicht durchgehen. Bei Manipulationen an Zeiterfassungsgeräten müssten Arbeitnehmer auch ohne vorherige Abmahnung mit einer Kündigung rechnen. Der Arbeitnehmer hat Arbeitszeit vorgetäuscht, die er tatsächlich nicht abgeleistet hat. Alle anderen Aspekte sind nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts nebensächlich, weil sonst jede Art der Zeiterfassung sinnlos würde und der Arbeitgeber keine Instrumente zur Kontrolle der Arbeitszeiten mehr habe.

Entscheidung anderer Richter

Diese Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz bestätigt die Urteile, die bereits andere Gerichte veröffentlicht haben. Beispielsweise hatte das Arbeitsgericht Frankfurt/Main entschieden, dass auch ohne einen konkreten Schaden für das Unternehmen Manipulationen an den Zeiterfassungssystemen eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.

In dem vom Arbeitsgericht Frankfurt/Main zu entscheidenden Fall hatte ein Sachbearbeiter seit längerem Arbeitszeit in das Erfassungsgerät eingegeben, die mit dem tatsächlich geleisteten Arbeitsumfang nicht übereinstimmte. Vor Gericht berief sich der Sachbearbeiter darauf, dass er nicht nach geleisteten Arbeitsstunden, sondern nach Arbeitsergebnissen bezahlt wurde. Davon ließ sich das Arbeitsgericht Frankfurt/Main nicht beeindrucken. Es verwies darauf, dass ein Unternehmen sich derartige Unkorrektheiten nicht bieten lassen müsse.

Kündigungsschutz beachten

Bei Manipulationen an Zeiterfassungsgeräten wird in der Regel eine fristlose verhaltensbedingte Kündigung ausgesprochen. Ein solcher Verstoß des Arbeitnehmers ist einer der wenigen Fälle, in denen eine verhaltensbedingte Kündigung ohne Abmahnung ausgesprochen werden kann.

Die Unternehmen, die unter das Kündigungsschutzgesetz fallen, müssen anders als Kleinbetriebe besondere Voraussetzungen für Kündigungen beachten. Nach dem Kündigungsschutzgesetz, das auf Unternehmen mit mehr als zehn Arbeitnehmern anzuwenden ist, ist eine Kündigung nur dann sozial gerechtfertigt, wenn ein Kündigungsgrund vorliegt. Ein solcher Kündigungsgrund kann in dem Verhalten des Arbeitsnehmers begründet sein.

Wann gekündigt werden darf

Im Grundsatz kommt als verhaltensbedingter Kündigungsgrund nur ein solcher Umstand in Betracht, der einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung bringen kann. Dabei sind sowohl fristgemäße als auch fristlose verhaltensbedingte Kündigungen möglich. An fristgemäße verhaltensbedingte Kündigungen werden erheblich geringere Anforderungen gestellt. Dann wird nicht gefordert, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber unzumutbar ist.

In der Praxis ist es für einen Arbeitgeber schwierig, eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen durchzusetzen. Im Rahmen der gerichtlichen Verfahren wird geprüft, ob aus der Art, der Schwere oder der Häufigkeit der Pflichtverletzungen geschlossen werden kann, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft seine Pflichten verletzen wird.

Darüber hinaus wird von den Gerichten geprüft, ob dem Arbeitgeber ein milderes Mittel als Reaktion auf die Arbeitsvertragsverletzung zur Verfügung stand. Ein solches milderes Mittel ist in den meisten Fällen eine Abmahnung. Zum Schluss wird von den Gerichten geprüft, ob die Interessen des Arbeitgebers an der Beendigung die Interessen des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses überwiegen.

Anforderungen an Abmahnungen

Eine Abmahnung liegt immer dann vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer hinreichend deutlich macht, dass er Vertragsverstöße und Pflichtwidrigkeiten beanstandet. Des Weiteren ist ein Hinweis notwendig, dass im Wiederholungsfalle der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist. Der notwendige Inhalt einer Abmahnung hat damit zwei Funktionen: die Rügefunktion und die Warnfunktion.

Um die rechtlichen Anforderungen an die Rügefunktion zu erfüllen, muss das Fehlverhalten des Arbeitnehmers klar, deutlich und ausreichend konkretisiert dargestellt werden. Es genügt nicht, in der Abmahnung auf "bekannte Vorkommnisse" oder das "wiederholte Zuspätkommen" Bezug zu nehmen. Da die Abmahnung zumeist Voraussetzung für eine verhaltensbedingte Kündigung ist, soll der Arbeitnehmer aufgrund der konkreten Beschreibung seines Fehlverhaltens zu vertragsgerechtem Verhalten veranlasst werden.

Wenn beispielsweise ein Mitarbeiter ständig zu spät zur Arbeit kommt, ist im Rahmen der Abmahnung zunächst auf den Arbeitsbeginn im Betrieb hinzuweisen und dann konkret auszuführen, an welchem Tag um wie viele Minuten der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin zu spät gekommen ist.

Die Gerichte verlangen für die Warnfunktion der Abmahnung den deutlichen Hinweis, dass der Bestand des Arbeitsverhältnisses im Wiederholungsfall gefährdet ist. Es muss nicht ausdrücklich eine fristgerechte oder fristlose Kündigung angedroht werden. Es genügt, wenn sich aus dem Zusammenhang ergibt, dass im Wiederholungsfall eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses besteht. Das Bundesarbeitsgericht hat beispielsweise die Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen als ausreichend angesehen. In der Praxis empfiehlt es sich aber, bereits in der Abmahnung deutlich auf die Kündigung zu verweisen.

Keine Drohungen ohne Konsequenzen

Vorsicht ist geboten, wenn ein Mitarbeiter mehrfach abgemahnt wurde und die Abmahnungen regelmäßig den Hinweis enthielten, dass bei weiteren Verstößen eine Kündigung droht. Wenn ein Arbeitgeber mehrfach solche Abmahnungen gegenüber dem Arbeitnehmer ausspricht, werden Rüge- und Warnfunktion abgeschwächt. Dann muss in der letzten Abmahnung vor der Kündigung dem Arbeitnehmer gesteigert verdeutlicht werden, dass der Arbeitgeber nunmehr weitere Verstöße nicht mehr hinnimmt. Dies kann beispielsweise durch die Überschrift "Letztmalige Abmahnung" erklärt werden.

Form der Abmahnung

Die Abmahnung bedarf keiner bestimmten Form. Sie kann auch mündlich ausgesprochen werden. Allerdings ist im Rahmen von Kündigungsschutzprozessen der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig, dass eine ordnungsgemäße Abmahnung erfolgt ist. Insoweit kann dem Arbeitgeber nur dringend angeraten werden, eine Abmahnung schriftlich auszusprechen und diese von dem Mitarbeiter gegenzeichnen zu lassen. Wurde bisher nur eine mündliche Abmahnung ausgesprochen, so sollte im Nachgang gegebenenfalls die Abmahnung protokolliert oder dem Mitarbeiter schriftlich bestätigt werden.

Fristen für Abmahnungen

Eine Frist für den Ausspruch einer Abmahnung besteht nicht. Gegebenenfalls kann das Recht zur Abmahnung verwirkt sein. Dann muss allerdings ein erheblicher Zeitraum vergangen sein.

Entbehrliche Abmahnung

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass bei verhaltensbedingten Gründen eher eine Abmahnung auszusprechen ist. Nur in wenigen Ausnahmen kann auf die Abmahnung als Vorbereitung einer Kündigung verzichtet werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer seine Vertragsverletzung hartnäckig und uneinsichtig fortsetzt, obwohl er die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens kennt. Dazu gehört beispielsweise der kontinuierliche Genuss von Alkohol mit betrieblichen Auswirkungen trotz eines entsprechenden Verbotes. Weiterhin ist eine Abmahnung bei unprovozierten Beleidigungen durch den Arbeitnehmer oder Tätlichkeiten gegenüber anderen Arbeitnehmern entbehrlich.

Ein in der Praxis leider immer wieder auftretender Fall sind Verstöße eines Arbeitnehmers gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Wenn weibliche Angestellte oder Auszubildende durch Äußerungen oder durch Handgreiflichkeiten in sittlich anstößiger Weise belästigt werden, kann dies ohne Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.

Rechtsschutz gegen Abmahnungen

Der Arbeitnehmer kann sich mit Hilfe der Gerichte gegen eine Abmahnung wehren und die Entfernung aus der Personalakte verlangen. Dann ist der Arbeitgeber beweispflichtig, dass sich der in der Abmahnung beschriebene Sachverhalt auch so tatsächlich zugetragen hat. Neben der Möglichkeit, Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte zu erheben, hat der Arbeitnehmer das Recht auf Gegendarstellung.