Recht und Robotik

Zur Rechtspersönlichkeit von Robotern

30.06.2017 von Markus Häuser
Brauchen wir neue rechtliche Rahmenbedingungen für den Einsatz künstlicher Intelligenz und Robotik? Mit dieser Frage beschäftigen sich Juristen in ganz Europa. Das EU-Parlament verabschiedete hierzu einen Beschluss über zivilrechtliche Regelungen im Bereich der Robotik.
Roboter werden immer häufiger zu Kollegen des Menschen.
Foto: Willyam Bradberry - shutterstock.com

Die Einsatzmöglichkeiten und natürlich auch die Grenzen des Einsatzes von intelligenten IT-Systemen und autonom agierenden Maschinen werden lebhaft diskutiert. Die Phantasien der Entwickler und Anwender werden derzeit durch die rasante technische Entwicklung in diesem Bereich beflügelt. Der Markt für Roboter boomt und die Einsatzbereiche sind vielfältig: Produktionsroboter in der Industrie, Drohnen und fahrende Lieferroboter in der Logistik und Lagerhaltung, Healthcare-Roboter, autonome Fahrzeuge, Haushaltsroboter und vieles mehr. Besonders in den Bereichen Produktion und Logistik sind vielfach bereits intelligente Roboter am Werk. Nach Angaben des Internationalen Verbands für Robotik (IFR - International Federation of Robotics) wurden im Jahr 2016 weltweit 290.000 Einheiten Industrie-Roboter verkauft.

Dies ist eine Steigerung der Verkaufszahlen von etwa 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Für 2017 bis 2019 wird mindestens mit einem weltweiten Zuwachs von durchschnittlich 13 Prozent pro Jahr gerechnet. Der Verband erwartet, dass bis 2019 weltweit mehr als 1,4 Millionen neue Industrie-Roboter verkauft und installiert werden. Damit würde die Zahl der weltweit eingesetzten Industrie-Roboter auf rund 2,6 Millionen Einheiten steigen.

Auch in der Medizin hält die Robotik immer stärker Einzug. Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, dass Fördergelder in Millionenhöhe in die Entwicklung von Medizin-Robotern fließen. Entscheidend für den Erfolg der Robotik ist nicht allein die Weiterentwicklung der physischen Bewegungsfä-higkeit und Autonomie der Geräte. Auch der zunehmende Fortschritt im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) spielt eine wesentliche Rolle. Gerade die Fähigkeit zu lernen und eigene Entscheidungen zu treffen, erhalten Roboter erst durch das neuronale Netz der KI.

Früher Science-Fiction, jetzt Realität

Nutzungsszenarien, die vor wenigen Jahren noch als Science-Fiction galten, sind nun zur Realität geworden. Roboter werden mehr und mehr zu einem Bestandteil unseres Alltages. Die Wirtschaft, das Arbeitsleben und auch das gesellschaftliche Leben werden sich durch den breiten Einsatz von Robotik und die in den Robotern verbaute Kl ändern. Die Entwicklung und Nutzung der Robotik, die grundsätzlich eine Erleichterung für den Menschen darstellt beziehungsweise darstellen soll, birgt allerdings auch eine Reihe von ethischen und rechtlichen Fragen.

Aus juristischer Sicht sind im Hinblick auf die Robotik und die KI noch viele Fragen ungeklärt, vor allem, wenn Roboter, die über einen sehr hohen Autonomiegrad verfügen, im Alltag mit Menschen interagieren. Die damit zusammenhängende politisch-juristisch-ethische Problematik wird zunehmend bedeutsam. Zunächst wird es viele Fragen im Zusammenhang mit dem autonomen Fahren, das als prestigeträchtiges Pilotprojekt für den Einsatz autonomer Systeme gilt, geben. Wer hat beispielsweise zu haften, wenn ein "intelligenter" Roboter einen Schaden verursacht? Braucht ein Roboter eine Versicherung? Muss er in einem Register angemeldet werden?

Empfehlungen und Vorschläge

Mit solchen Fragen und mit Maßnahmen der Regulierung der Robotik hat sich der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments befasst und am 12.01.2017 einen Bericht mit Empfehlungen an die Kommission zu zivilrechtlichen Regelungen im Bereich Robotik (2015/2103(INL)) veröffentlicht. Am 16.02.2017 wurde über diesen Bericht abgestimmt und mit 396 Ja-Stimmen (bei 123 Nein-Stimmen und 85 Enthaltungen) ein Beschluss mit Empfehlungen und Vorschlägen an die Kommission verabschiedet. Die Kommission ist nicht verpflichtet, den Empfehlungen des Parlaments zu folgen. Tut sie dies nicht, muss sie diesen Schritt allerdings begründen.

In seinem Beschluss macht das Parlament nicht nur zahlreiche Empfehlungen und Vorschläge zur Regulierung der Robotik, sondern ruft die Kommission auch dazu auf, gesetzgeberisch tätig zu werden und konkrete Gesetzesvorschläge vorzulegen, um in der EU harmonisierte rechtliche Rahmenbe-dingungen zu schaffen. Es gilt, gewisse Sicherheitsstandards zu garantieren, aber natürlich auch das wirtschaftliche Potenzial ausschöpfen zu können. Der EU-Abgeordneten Mady Delvaux, die den Be-richt auf den Weg gebracht hat, ist es ein großes Anliegen, Leben und Entscheidungsfreiheit der Menschen zu schützen und den Einsatz der Robotik zu regulieren. Um zu verhindern, dass einzelne Mitgliedsstaaten ihre eigenen teils unterschiedlichen Gesetze erlassen, möchte das Europäische Parlament darauf hinwirken, dass zeitnah europäische Standards geschaffen werden.

Interessant erscheint, dass der Beschluss des Europäischen Parlaments auch den Science-Fiction-Autor Isaac Asimov zitiert. Dieser setzte sich bereits 1942 in seinen Werken mit der Beziehung zwi-schen Mensch und Maschine auseinander und hat in diesem Zusammenhang seine eigenen "Robotergesetze" entwickelt, die das Zusammenleben zwischen Mensch und Roboter regeln sollen: 1. Ein Roboter darf einem menschlichen Wesen keinen Schaden zufügen oder durch Untätigkeit zulassen, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird. 2. Ein Roboter muss den Befehlen gehorchen, die ihm von Menschen erteilt werden, es sei denn, dies würde gegen das erste Gebot verstoßen. 3. Ein Roboter muss seine eigene Existenz schützen, solange solch ein Schutz nicht gegen das erste oder zweite Gebot verstößt.

Datenschutz erhält hohen Stellenwert

Der neue Beschluss des Europäischen Parlaments plädiert aber nicht dafür, die Asimovschen Gesetze als Vorlage für die europäische Gesetzgebung heranzuziehen. Der Beschluss beinhaltet einen breit gefächerten Strauß von Vorschlägen zum Umgang mit der KI und der Robotik. Wichtig ist dem Euro-päischen Parlament auch der Datenschutz, da der Austausch von Daten eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren intelligenter Roboter darstellt. Aber auch viele andere relevante Aspekte werden vom Europäischen Parlament angesprochen. Besondere Bedeutung haben hier Fragen rund um die Haftung und Verantwortlichkeit der Entwickler, Hersteller und Nutzer autonomer Systeme.

Ein zentraler Punkt des neuen Beschlusses ist die Einrichtung einer europäischen Agentur für Robotik und künstliche Intelligenz. Eine solche Agentur soll dazu dienen, das erforderliche technische, ethische und regulatorische Fachwissen zur Verfügung zu stellen. So sollen rechtzeitig und fundiert Ant-worten auf die Herausforderungen und Chancen gegeben werden können, die sich aus der Entwicklung der Robotik ergeben. Das Einrichten eines unionsweiten Roboterregisters wird ebenfalls angestrebt. Es soll eine Registrierungspflicht und eine Versicherungspflicht eingeführt werden sowie ein Zusatzfonds, über den Personen im Schadensfall entschädigt werden können. Aus Sicherheitsgründen und zur Wahrung der menschlichen Autonomie fordert das Parlament auch den Einbau eines sogenannten "Kill"-Schalters in jeden Roboter. Mit Hilfe dieses Schalters sollen die Roboter in Notfällen umgehend deaktiviert werden können.

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Eigener Rechtsstatus für Roboter?

Sehr zukunftsorientiert erscheint der Vorschlag des Parlaments, langfristig die Einführung eines eige-nen Rechtsstatus für Roboter zu erwägen. Dieser Vorschlag dürfte sicher für große Diskussionen sorgen. Was zunächst sehr eigenartig klingt, basiert bei genauerer Betrachtung auf sehr praktischen Gründen: Sobald einem Roboter ein eigener Rechtsstatus zugewiesen wird, kann er auch über diesen Status für seine "Handlungen und Entscheidungen" verantwortlich gemacht werden. Im Schadensfall kann man dementsprechend den Roboter direkt auf Schadensersatz verklagen. Da dies nur Sinn ergibt, wenn Schäden über eine Versicherung abgedeckt werden, schlägt das Parlament auch die Einführung einer Versicherungspflicht für intelligente Roboter vor.

Aus juristischer Sicht könnte die Einführung einer "elektronischen Person", gepaart mit einer Versicherungspflicht für Roboter, gerade bei der Klärung von Zurechnungs- und Verantwortlichkeitsfragen vieles einfacher machen. Dabei ist zu beachten, dass die Entwicklung hochintelligenter vollautonomer Systeme nur noch eine Frage der Zeit ist. Je weiter aber der Grad an Eigensteuerung zunimmt und je mehr Maschinen ihre eigenen Entscheidungen treffen, desto weniger werden diese Handlungen und Entscheidungen einem Menschen oder einem Unternehmen zuzurechnen sein können.

So ist zum Beispiel fraglich, ob eine lückenlose menschliche Kontrolle bei intelligenten und autonom agierenden komplexen Systemen überhaupt noch machbar sein wird. Gerade bei der Interaktion mehrerer intelligenter Systeme miteinander wird es zum Teil nicht mehr möglich sein, im Schadensfall den "Verantwortlichen" oder den "Verantwortungsbeitrag" zu ermitteln. Diese Lücken lassen sich zum jetzigen Zeitpunkt und mit dem jetzigen Rechtsverständnis noch nicht schließen, da das Zivilrecht nur die natürliche und die juristische Person kennt, nicht aber die "elektronische Person".

Zwei Szenarien

Bis zur Klärung der Problematik und bis zur tatsächlichen Einführung der "elektronischen Person" sieht das Parlament zwei mögliche Szenarien in Bezug auf die Haftung von durch Roboter verursachten Schäden:

1. Ein striktes Haftungskonzept, das in jedem Fall den Hersteller haftbar macht.

2. Kollektive Haftung der einzelnen Beteiligten. Hier müssten im Vorfeld Tests durchgeführt werden, um die möglichen Risiken und Szenarien bewerten zu können.

Erwähnenswert ist darüber hinaus, dass ein eigener Rechtsstatus für Roboter auch auf dem Gebiet des Vertragsrechts nützlich sein könnte. Geben Roboter Erklärungen im eigenen Namen ab und handeln sie dabei mit eigener Rechtspersönlichkeit, so werden sie selbst Vertragspartner und damit Trä-ger von Rechten und Pflichten. Damit würden Roboter auch selbst mit ihrem eigenen Vermögen haf-ten und wären auch vor Gericht zu verklagen. Das birgt einige Herausforderungen: Zu klären gilt, ob und in welcher Form ein Roboter überhaupt eigenes Vermögen aufbauen kann. Dies würde bedeuten, dass er für seine Arbeit entlohnt wird. Aus heutiger Sicht erscheinen diese Gedanken sehr futuristisch und schwer vorstellbar. Der wirtschaftliche Gedanke dahinter ist aber naheliegend, denn ein Roboter könnte aus seinem Lohn auch Steuern zahlen. Für die Aufrechterhaltung der Sozialsysteme könnte dies essentiell werden. Auch Versicherungsbeiträge für die Roboterhaftpflichtversicherung könnten aus diesem Lohn bestritten werden.

Sicherheit, Privatsphäre, Autonomie

Selbst, wenn den Maschinen ein eigener Rechtsstatus zugesprochen wird, ist es wichtig, immer wieder zu verdeutlichen, dass ein Roboter kein Mensch ist. Aus der Entwicklung und Nutzung der Robotik ergibt sich eine Reihe von ethischen Spannungspunkten und Risiken. Dies ist natürlich auch dem Europäischen Parlament bewusst. Aus diesem Grund gilt es, für Fragen der Sicherheit, der Privatsphäre, der Unversehrtheit, der Würde, der Autonomie und des Dateneigentums des Menschen, Lösungen zu finden.

Die Parlamentsmitglieder sind im Konsens darüber, dass ein ethischer Leitrahmen für die Konstruktion und die Nutzung von Robotern erforderlich ist. Sie unterbreiten der Kommission deshalb auch einen Vorschlag zur Errichtung einer sogenannten "Charta über Robotik", in der ein ethischer Leitrahmen für die Konstruktion und die Nutzung von Robotern festgelegt werden soll. Forscher auf dem Gebiet der Robotik sollen sich selbst zu dem höchsten ethischen und professionellen Verhalten verpflichten: Einhaltung der Grundsätze von Benefizienz (Roboter sollten im besten Interesse der Menschen handeln), Schadensvermeidung, Autonomie (Möglichkeit der autonomen Entscheidung über die Bedingungen der Interaktion mit Robotern) und Gerechtigkeit bei der Verteilung der Nutzen, die mit Robotik verbunden sind.

Es ist noch nicht abzusehen, in welcher Form eine solche Charta Gesetz werden könnte, da die geforderten Grundsätze sehr weit gefächert und allgemein gehalten sind. Hier wird es, besonders in Bezug auf das Thema Sicherheit, in den kommenden Jahren noch einiges an Diskussionsstoff geben.

Fazit

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Europäische Parlament in seinem Beschluss erste konkrete Vorschläge zur Regulierung der Robotik und zu rechtlichen Rahmenbedingungen macht. Für Maschinen, die aufgrund ihrer Ausstattung mit Kl und ihrer physischen Bewegungsfreiheit autonom agieren und allein Entscheidungen treffen können, müssen in den kommenden Jahren rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. In diesem Zusammenhang gibt es noch Diskussionsbedarf und sicher werden noch Jahre vergehen, bevor Gesetze tatsächlich verabschiedet werden. Es kann noch nicht abgesehen werden, mit welchem Tempo die technische Entwicklung in den Bereichen Kl und Robotik voranschreitet. Gewiss ist aber, dass diese Entwicklung nicht auf die nationale oder europäische Gesetzgebung warten wird. (OE)

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