Vorwürfe in ARD-Sendung

Amazon und seine Leiharbeiter

14.02.2013
Es ist nicht die erste Kritik an den Arbeitsbedingungen bei Amazon. Doch eine ARD-Doku zeichnet ein ziemlich düsteres Bild vom Umgang des Versandriesen mit Leiharbeitern.
Notlösung? Amazon benötigt Leiharbeiter aus dem Ausland, "weil viele einheimische Arbeitskräfte schlechte Erfahrungen gemacht haben".

Der Internet-Versandhändler Amazon steht nach der ARD-Dokumentation "Ausgeliefert! Leiharbeiter bei Amazon" über den Umgang mit Leiharbeitern erneut wegen der Arbeitsbedingungen in seinen Logistikzentren in der Kritik. Der am 13. Februar ausgestrahlte Fernsehfilm (--> in der ARD Mediathek abrufbar) zeigt unter anderem, wie Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma die oft aus dem Ausland stammenden Leiharbeiter und das Film-Team bedrängen. Auch die Gewerkschaft Verdi wirft dem Konzern seit längerem vor, gerade Saisonkräfte schlecht zu bezahlen und etwa mit strengen Kontrollen und Überwachung zu gängeln. Amazon selbst will die Vorwürfe prüfen.

Der Online-Riese, der 2012 in Deutschland Waren im Wert von 6,4 Milliarden Euro verkauft hat, beschäftigt hierzulande etwa 7.700 festangestellte Mitarbeiter in den Logistikzentren in Graben bei Augsburg, Bad Hersfeld, Leipzig, Rheinberg, Werne, Pforzheim und Koblenz. "In der Weihnachtssaison stellen wir zusätzliche Mitarbeiter saisonal befristet ein", teilt Amazon mit. In Spitzenzeiten arbeite Amazon mit Zeitarbeitsfirmen zusammen. Im ersten Jahr verdienten Mitarbeiter einen Bruttostundenlohn von mehr als 9,30 Euro. Danach steige der Bruttolohn auf über 10 Euro.

Der Amazon-Experte der Gewerkschaft Verdi, Heiner Reimann, sagte, das Unternehmen werbe viele Zeitarbeiter mittlerweile im Ausland an, da in der Umgebung der Logistikzentren viele Arbeitskräfte bereits schlechte Erfahrungen gemacht hätten und nicht mehr dort arbeiten wollten. Seinen Angaben zufolge setze Amazon in der Weihnachtszeit mehrere tausend Zeitarbeiter ein, die oft in der Umgebung in im Winter leerstehenden Ferienparks untergebracht würden. Manchmal seien kleine Bungalows mit bis zu sechs Menschen belegt. In den Anlagen würden die Arbeiter zudem von Sicherheitsfirmen überwacht.

Für viele Spanier sei der Ruf nach Deutschland in Zeiten der Eurokrise wie ein Lottogewinn, heißt es in dem Film. Was die Arbeiter tatsächlich erwarte, sei eine böse Überraschung: Nicht Amazon lege ihnen in Deutschland einen Vertrag vor, sondern eine Leiharbeitsfirma.

Auf der nächsten Seite erfahren Sie unter anderem, dass die Sicherheitsleute die Unterkünfte der Mitarbeiter durchsuchen.

"Die Zustände bei Amazon sind ein Dauerproblem"

Im Film wird berichtet, dass Sicherheitsleute zum Beispiel Unterkünfte von Zeitarbeitern durchsucht hätten. "Auch wenn das Sicherheitsunternehmen nicht von Amazon beauftragt wurde, prüfen wir derzeit selbstverständlich den von den Redakteuren gemachten Vorwurf bezüglich des Verhaltens des Sicherheitspersonals und werden umgehend geeignete Maßnahmen einleiten", heißt es in der Stellungnahme von Amazon dazu. Man dulde "keinerlei Diskriminierung oder Einschüchterung".

Auch überprüfe Amazon Dienstleister, "die die Unterbringung von Saisonkräften aus anderen Regionen verantworten, regelmäßig". Reimann sagte, die Zustände bei Amazon seien ein "Dauerproblem", auch im Branchenvergleich. Es gebe in anderen Versandfirmen ebenfalls Missstände, aber nicht in diesem Ausmaß. Dennoch habe Amazon durchaus auch auf Beschwerden reagiert und Mängel abgestellt. Allerdings bleibe angesichts des Geschäftsmodells dem Konzern kaum etwas anderes übrig, als befriste Mitarbeiter oder Zeitarbeiter einzusetzen.

Die Reaktionen auf die ARD-Sendung sind jedenfalls heftig: In den sozialen Netzwerken fegt der "Shitstorm" (frei übersetzt: Entrüstungssturm, Empörungswelle) über Amazon hinweg. Vor allem die Facebook-Community-Manager von Amazon.de haben alle Hände voll zu tun.

Wie es der Zufall will, konnten die etwa 2.500 Mitarbeiter im Amazon-Logistikzentrum in Graben bei Augsburg am 14. Februar, also am Tag nach der ARD-Ausstrahlung erstmals einen Betriebsrat wählen. Der 19-köpfige Betriebsrat wurde aus insgesamt 94 Kandidaten gewählt. Die Gewerkschaft Verdi erhofft sich von diesem Mitbestimmungsgremium Verbesserungen insbesondere beim Thema Arbeitszeit und den Sicherheitskontrollen beim Ein- und Ausgang. (dpa/tö)