Fachhändler im Einkaufsdilemma

Auslaufmodell Distribution?

05.11.2009
E-Tailer werden zum Wettbewerber der Distributoren, da eine zunehmende Zahl von Fachhändlern die Onliner als alternative Einkaufsquelle nutzt. Viele Reseller fühlen sich von der Distribution nicht mehr genügend unterstützt. Denn zu den erwarteten Services zählt für sie in erster Linie ein wettbewerbsfähiger Preis.

Gebetsmühlenartig hört der Fachhandel seit Jahren von Herstellern und Distributoren, dass er sich gegenüber seinen Kunden durch Zusatzservices und Dienstleistungen verkaufen soll - dann klappt's auch mit der Marge. Eine neue Art der Zusatzdienstleistungen, die immer mehr kleine Fachhändler und Systemhäuser erbringen, hat nichts mit Hard- und Software, also dem Produkt, das der Kunde will, zu tun. Die Zusatzleistung ist das Suchen der günstigsten Einkaufsquelle, die immer häufiger dort endet, wo sie auch beim Endkunden geendet hätte - nämlich bei einem großen E-Tailer.

Der Trend, dass immer mehr Händler bei E-Tailern kaufen, da sie dort bessere Preise als bei der Distribution bekommen, ist laut Ingram-Micro-Europa-Präsident Alain Monié kein rein deutsches Phänomen: "Wir beobachten das", erklärt er. Allerdings sieht er die Handlungsfähigkeit der Distributoren begrenzt, vielmehr seien hier die Hersteller gefragt.

Die Folgen dieser Entwicklung sind bereits real in der Distribution angekommen. Immer häufiger berichten Reseller in den Online-Foren auf channelpartner.de, dass Vertriebsleute der Distribution bei ihnen angerufen und nachgefragt hätten, woran es denn liege, dass ihr Umsatz zurückgegangen sei. Die Antwort der Händler: Es liegt an den Preisen. "Mein Ansprechpartner bei Mindfactory ist äußerst nett. Er nennt von sich aus gleich den günstigsten Preis und entschuldigt sich dafür, dass es manchmal nicht günstiger geht, obwohl er schon der Billigste ist. Und zwischen 11.00 und 13.00 Uhr sind Bestellungen völlig versandkostenfrei - ohne versteckte Zusatzkosten", schreibt der Vertreter eines Bayreuther Systemhauses.

Sind E-Tailer die besseren Distributoren?

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Aufseiten der Broadline-Distribution nutzte Ingram-Micro-Chef Gerhard Schulz im Editorial der Kundenzeitschrift "IM Talk" die Gelegenheit, das Thema Kundenbindung anzusprechen. Ein Auszug daraus: "Wir haben zum Ziel, immer den entscheidenden Tick schneller, kompetenter, freundlicher zu sein. Wenn Sie sich für das preiswerteste Produkt am Markt entscheiden, können wir Sie dafür nicht kritisieren; Sie handeln kaufmännisch." Die Entscheidung der Händler für das preiswerteste Produkt am Markt fällt häufig zugunsten großer E-Tailer aus. Laut einer Online-Befragung auf channelpartner.de vom Juli dieses Jahres nutzt bereits mehr als die Hälfte (51 Prozent) der Fachhändler die E-Tailer als alternative Einkaufsquelle (siehe Grafik).

Actebis Peacock Geschäftsführer Uwe Neumeier.
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Doch vor allem auf die große Zahl der SMB-Händler wollen die Broadline-Distributoren als Kundengruppe nicht verzichten: "Selbstverständlich stehen SMB-Partner im Fokus von Actebis Peacock, künftig sogar noch stärker. Wir arbeiten permanent an der Verbesserung unserer Leistungen und verzeichnen daher eine sehr stabile Entwicklung im SMB-Segment", sagt Actebis-Peaocock-Geschäftsführer Uwe Neumeier.
Dass dieser Fokus eines Distributors in manchen Fällen aber nicht ausreicht, sieht Tech-Data-Geschäftsführerin Simone Frömming: "Das hat weniger mit dem Fokus des Distributors als mit den jeweiligen Anforderungen des Kunden zu tun. Wenn Hersteller einzelne Produktgruppen preisgünstiger über E-Tailer verfügbar machen und der Reseller zu dem Zeitpunkt keine zusätzlichen Produkte oder Services und Beratung benötigt, dann kann der E-Tailer unter reinen Preisgesichtspunkten der attraktivere Partner sein", sagt sie und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Denn nicht jeder Reseller braucht die von der Distribution angebotenen Zusatz-Services. Oft geht es vor dem Hintergrund der Preistransparenz im Internet einzig und allein um den Preis. Denn nicht vielen gelingt es, einem Kunden ein Komplettangebot zu unterbreiten, ohne die Hardwarepreise darin offenzulegen.

"Soviel Geld können wir nicht draufzahlen."

Mathias Schwenk, Fachhändler aus Senftenberg, erinnert sich: "Die Distribution hatte sich einstmals aufgestellt für den Fachhandel: 'Wir sind euer Lager und liefern auch kleine Mengen direkt zum Kunden günstig in 24 Stunden. Die Händler können sich voll und ganz auf ihr Geschäft konzentrieren.' Bis etwa Anfang 2000 ging das auch halbwegs. Aber durch die Preistransparenz im Web brechen immer mehr Kunden weg. Das bekommt man als Händler selbst mit sehr guten Services nicht kompensiert, von Neukunden wollen wir gar nicht erst reden. Ich werde niemals und zu keiner Zeit einen teuren Disti-EK durch meine Arbeitsleistung subventionieren."

Simone Frömming, Geschäftsführerin Broadline bei Tech Data.
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Die Broadliner beteuern allerdings, dass sie keinen Einfluss auf die Preisgestaltung innerhalb der Multi-Channel-Strategie der Hersteller hätten. Der Handlungsspielraum sei laut Tech-Data-Vertriebs-Chefin Frömming durch die Natur der Sache deutlich begrenzt. Den EK bestimmten die Hersteller, insofern sei die Preisgestaltungsmöglichkeit zur Channel-Unterstützung vom Hersteller getrieben und nicht vom Distributor.

Die E-Tailer indes freuen sich über zusätzlichen Umsatz vonseiten der ITK-Fachhändler, ohne dass sie für diese Kundengruppe großen Aufwand betreiben müssen. "Grundsätzlich liefern wir natürlich an jeden Kunden, der bei uns bestellt. Da wir uns auf das B2C-Geschäft konzentrieren, wird der ITK-Fachhandel allerdings bei uns nicht gezielt bedient und erhält auch keine speziellen Konditionen", sagt Dominik Eberle, Geschäftsführer der HOH Home of Hardware GmbH.

Arnd von Wedemeyer ist Vorstand bei notebooksbilliger.de
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ChannelPartner fragte auch Arnd von Wedemeyer, Chef von notebooksbilliger.de: Was kann ein E-Tailer besser als ein Distributor? "Das kann ich wirklich nicht einschätzen. Vermutlich bessere Online-Shops auf die Beine stellen. Die Frage ist aus meiner Sicht eher anders zu stellen: Kann ein spezialisierter Händler seinen Kunden ein interessanteres Produktportfolio anbieten?"

Das umfangreicher Produkt- und Lösungsportfolio ist es auch, das die Broadline-Distributoren gegenüber den Resellern als Argument in die Waagschale werfen. Bei kleinen Händlern und Systemhäusern fällt dieses Argument allerdings nur wenig ins Gewicht. Sie brauchen im Einzelfall kein großes Produktsortiment, sondern nur einen guten Preis für ein einziges Produkt, das ihr Kunde wünscht. Und den gibt es immer häufiger bei den großen E-Tailern, denen Hersteller vermeintlich andere Preiskalkulationen bieten. " Wir haben jahrelang bei der Distribution gekauft. Wir würden dies zwar gerne beibehalten, aber so viel Geld können wir nicht draufzahlen. Da die Lieferungen der E-Tailer sowieso einen Ingram-Micro- oder Tech-Data-Aufkleber haben, mir Ingram Micro beziehungsweise Tech Data den Preis aber nicht bietet, hat sich das erledigt", zieht das CP Forumsmitglied Magicweis den Schlussstrich.

Produkte ohne Service

Vor allem Commodity-Produkte wie Notebooks, Bildschirme und Drucker liegen bei den E-Tail-Bestellung der Fachhändler ganz vorne. Trotzdem ist vielen unverständlich, warum die Hersteller durch ihre Preisgestaltung den Kunden gegenüber keine Wertigkeit ihrer Produkte mehr implizieren. Steigende stückzahlengetriebene Quartalsergebnisse sitzen den Vertriebsmannschaften im Nacken. Dass immer größere Stückzahlen nötig sind, um durch steigenden Umsatz zumindest gleich bleibende Gewinne zu erzielen, zieht sich seit Jahren wie ein roter Faden durch die Branche. Der Einzige, der einen Vorteil von der anhaltenden Preiskastration hat, ist der Endkunde.

Carl Roeseler, Fachhändler in Grenzach-Whylen
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Viele Fachhändler wie Carl Roeseler suchen ihre Einkaufsquellen mittlerweile nach der jeweiligen Produktgruppe aus und machen sich gleichzeitig Gedanken über die Einstellung der Hersteller: "Ja, auch wir kaufen immer häufiger bei Amazon ein. Insbesondere Drucker, bei denen die Preise erheblich unter denen der Distis liegen oder die aus der Distribution nicht lieferbar sind, aber auch Notebooks, Telefone und viele Kleinteile. Neben dem Preis ist ein weiterer Grund: keine Versandkosten. Was veranlasst die Hersteller, ihre zum großen Teil hochwertigen Produkte auf diese Art zu verramschen? Offensichtlich geht es den Managern nur noch um Zahlen. Moral und Wertvorstellungen, wie sie auch unser Bundespräsident fordert, sind dahin."
Auch Fachhändler Johann Fertl sieht es ähnlich:" Genau wie an der Börse hat den Handel die Verrohung der Sitten erreicht. Ich frage mich immer noch, was die Hersteller dazu veranlasst, dieses böse Spiel zu spielen." (bw)

Preisdiskussionen - Reseller unter sich

Befinden Sie sich auch im Preisdilemma zwischen Distributoren und E-Tailern? Dann kommen Sie in den geschlossenen Fachhandelsbereich "CHIC" ("Chancengleichheit im Channel") im CP forum! Dort können sich Fachhändler mit Fachhändlern austauschen - und zwar ohne dass Hersteller, Distributoren und Endkunden "mitlesen" können.