Unter vier Augen

Die Fujitsu-Strategie

12.06.2014 von Beate Wöhe
CP-Redakteurin Beate Wöhe durchpflügte mit Jörg Brünig, Channel-Chef und Mitglied der Geschäftsleitung bei Fujitsu Deutschland, die Fujitsu-Strategie. Der Manager nahm dabei kein Blatt vor den Mund.
"Ich behaupte nicht, dass das Thema Managed Services oder Datacenter-Infrastruktur der größte Anteil unseres Geschäfts sei." Jörg Brünig, Senior Director Channel Germany Fujitsu Technology Solutions GmbH
Foto: Fujitsu

Herr Brünig, alle großen Hersteller, die noch im PC-Geschäft tätig sind, behaupten, genauso wie Fujitsu, dass sie seit der XP-Abkündigung sehr gute PC-Absatzzahlen vermelden können. Aber wie sieht es bei Fujitsu für den Rest dieses Jahres aus?

Jörg Brünig: Das Geschäft mit PCs und Notebooks für Business-Anwender wird für uns auf alle Fälle weiterhin eine sehr große Rolle spielen. In der Distribution entspricht der Sell-out hier klar und deutlich dem Sell-in und verzeichnet hohe Wachstumszahlen.

Das PC-Geschäft ist für einen großen Hersteller doch eher ein Nebenverdienst.

Brünig: Das wird immer wieder unterschätzt. Für Fujitsu liegt im PC-Bereich ein großer Teil unserer Wertschöpfung im Werk Augsburg, wo sich auch unsere Server- und Storage-Fertigung befindet. Übrigens haben wir unsere Marktanteile im PC-Bereich klar ausbauen können.

Das mag sein, aber bei diesen Produkten handelt es sich doch nicht um das Kerngeschäft, mit dem Fujitsu seinen Hauptumsatz erzielen will. Die Rede war von Software as a Service, Storage as a Service und Cloud-Angeboten. Wie laufen denn in diesen Segmenten die Geschäfte?

Brünig: Absolut zufriedenstellend. Fujitsu hat sich - auch durch diese Angebote - weltweit als einer der vier größten ITK-Service-Anbieter positioniert.

Für große Hersteller ist Flexibilität eine überlebenswichtige Fähigkeit. Dabei spielen Schnelligkeit und die richtigen Produkte zur richtigen Zeit am richtigen Ort eine große Rolle.
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Erst im November 2013 bestätigte Fujitsu aber doch zum Beispiel den Rückzug aus dem Cloud-Store-Projekt, das erst ein Jahr zuvor ins Leben gerufen wurde.

Brünig: In diesem Bereich haben wir tatsächlich die von uns selbst erbrachten kundenindividuellen Services zurückgefahren. Diese bisherigen Angebote gehen in einem neuen Angebot auf, das sich an globalen Standards von Fujitsu orientiert. Damit setzen wir künftig verstärkt auf ticketierbare, also einzeln abrufbare Managed Services, die weltweit als Global Services - vorwiegend für die Major-Account-Kunden - zur Verfügung stehen. Dies gilt insbesondere für den Cloud-Bereich. Wir haben weltweit zehn große Delivery-Center aufgebaut, um dafür die entsprechende Cloud-Infrastruktur bereitzustellen.

Und wo kauft der Mittelstand?

Brünig: Im Mittelstand werden Cloud-Services bevorzugt beim lokalen Systemhaus eingekauft. Und diese Systemhäuser kaufen bei uns die dafür nötigen Server- und Storage-Systeme.

Das heißt, dass Fujitsu sich von eigenen Service-Angeboten wieder zurückgezogen hat, diesen Geschäftsbereich den Partnern komplett überlässt und nur die dazugehörige Infrastruktur in den Channel verkauft.

Brünig: Ganz so kann man das nicht sagen. Wir ergänzen das Angebot unserer Partner ja durch Global Services. Das heißt, wir bieten zusätzlich zum Cloud-Angebot, das unsere Partner liefern, globale, ticketierbare Services. Diese ergänzen und unterstützen das Geschäft unserer Partner mit ihren deutschen, auf den Kunden zugeschnittenen Angeboten.

Warum wurde dieser Wechsel vollzogen?

Brünig: Damit reagieren wir auf die Marktanforderungen. Viele Kunden wollen sich zwar einerseits nicht mehr selbst um ihre IT kümmern oder Kosten durch Outsourcing einsparen. Auf der anderen Seite wollen insbesondere Mittelständler hierzulande IT-Services bevorzugt aus Deutschland heraus beziehen - nicht zuletzt aufgrund der erhöhten Sensibilität bezüglich IT-Sicherheit und Datenschutz angesichts der diversen Affären.Einige große Systemhäuser, mit denen wir zusammenarbeiten, müssen diese Unternehmen, die bisher ihre komplette IT im eigenen Haus hatten, derzeit im wahrsten Sinne des Wortes einfach nur einsammeln und in ihr Rechenzentrum holen. Wir als Fujitsu generieren derzeit entsprechend hohes High-Invest-Geschäft genau in diesem Bereich. Aber ich behaupte nicht, dass das Thema Managed Services oder Datacenter-Infrastruktur der größte Anteil unseres Geschäfts sei.

Sondern?

Brünig: Im Channel ist dies nach wie vor das Client-Geschäft von Notebooks, über Desktops bis hin zu den Workstations.

Die zehn teuersten Outsourcing-Fehler -
Die zehn teuersten Outsourcing-Fehler
Eine interne Studie von ISG (Information Service Group) hat die 10 „teuersten“ Fehler im Rahmen globaler Transformationen zusammengestellt und mögliche „Lessons Learned“ für andere Projekte in dem „ISG IT-Infrastructure Transformation Fahrplan“ zusammengefasst. Dies beinhaltet den gesamten Verlauf einer Transformation, inklusive möglicher Sourcing-Transaktionen.
Der Vertrag
Beistell-Leistungen aller Parteien müssen im Vertrag im Detail dokumentiert sein und über die gesamte Transformation laufend gemessen werden – auch ein fertiger Outsourcing-Vertrag wird weiter verhandelt!
Change-Management
Das zukünftige Betriebsmodell und die Vision der Transformation (Future Mode of Operation – FMO) wird in der Organisation nicht ausreichend durch Change Management verankert und bringt Widerstand auf allen Mitarbeiterebenen.
Vorteile darstellen
Benefits der Transformation verschwinden schnell aus dem Bewusstsein der Stakeholder und werden am Ende nicht mehr der Transformation zugeordnet – sehr wohl aber die Fehler in der Service Delivery.
Schlechte Verzahnung
Parallele Projekte und Linienarbeit sind nur unzureichend mit der Transformation verzahnt und verschwenden damit unnötig Ressourcen, Budget und Zeitpläne. Risiken werden nur selten ganzheitlich und eher pro Initiative gemessen, während das Business zeitgleich alle Transformations- und Linien-Initiativen mit den gleichen Mitarbeitern bearbeitet.
Die Übergabe der Transformation in den Betrieb
Oftmals fehlt der Betriebsorganisation die Nähe zum Projekt und die Übergabe erfolgt zu schnell. Viele offene Punkte bleiben für die Mitarbeiter im Betrieb ungeklärt, was zu Konflikten führen kann.
Partnerschaften
Jegliche kommerziellen Verhandlungen gilt es durch das Vertrags-Management vom operativen Projektgeschäft zu trennen. Projektteams sollten sich auf die Erfüllung der Projektziele konzentrieren und Empfehlungen abgeben. Das Vertrags-Management kümmert sich hingegen um die kommerziellen Aspekte, bei denen auch einmal mit härteren Bandagen gekämpft werden darf.
Alte Verträge und Services (Ramp Down)
Oft gerät in der Transformations-Aktivität die fristgerechte Kündigung bestehender Verträge in Vergessenheit und Services werden nicht entsprechend heruntergefahren. Wird dieses Thema vernachlässigt, rechnet sich möglicherweise das Projekt nicht mehr.
Unklare Governance und Entscheidungswege
Nur wenn das Thema klar beschrieben und entsprechend in der Kunden- und Providerorganisation gelebt wird, kann die Transformation mit realistischen Zeitplänen durchgeführt werden, sonst entstehen, neben einer Verzögerung, zusätzliche nicht steuerbare Abhängigkeiten.
Andere Länder, andere Sitten
Was in Deutschland gut ist, muss in den USA oder Spanien noch lange nicht funktionieren. Viele Unternehmen vernachlässigen bei der Einführung globaler Services immer noch die Gegebenheiten lokaler Märkte. So zum Beispiel regulatorische Anforderungen, unterschiedliche Kulturen oder auch spezielle rechtliche Herausforderungen.
Standardisierung
Am Anfang steht ein Standard. Wieviel wird davon aber am Ende eingehalten oder doch den Anforderungen des lokalen Business zu Gunsten verworfen? Globale Business Case bauen in der Regel auf Standards – fehlende Governance verhindert an vielen Stellen noch heute bis zu 20 Prozent höhere Standardisierung durch globale Transformationen.
Diskussion
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Im Oktober 2013 hat Fujitsu die direkten und indirekten Vertriebsstrukturen maßgeblich geändert und das gesamte Mittelstandsgeschäft in den Channel gegeben. Wie hat sich das neue System bisher bewährt?

Brünig: Durch die Neustrukturierung gibt es keine Kundensituation mehr, in der kein Partner mit an Bord ist.

Welches Feedback kam bisher von den Partnern?

Brünig: Sie sind sehr zufrieden, weil es keine Diskussionen mehr gibt, wer anhand welcher Ziele gemessen wird, mit wem sie sich abstimmen müssen oder wer für welchen Endkunden zuständig ist. Es gibt einen verantwortlichen Fujitsu Mitarbeiter in der spezifischen Region, der das Gesamtgeschäft mit Partnern und Endkunden verantwortet.

Wo liegen für Fujitsu die Ziele für dieses Geschäftsjahr?

Brünig: Wir wollen im Server- und Storage-Bereich weiter vorankommen und auch die Marktanteile im WPS-Bereich (Workplace Systems) ausbauen. Außerdem wollen wir uns verstärkt als Anbieter von Managed Services positionieren und die Chancen nutzen, die uns der Markt gerade bietet. Und Chancen gibt es derzeit viele.

Von welchen Chancen sprechen Sie?

Brünig: Die große Chance, bei der wir bestens positioniert sind, ist unsere Servicepartner-Landschaft. Wir haben heute 1.500 Servicepartner mit über 2000 Service-Points in Deutschland. Das wesentliche Wachstum, das wir im Channel generieren, kommt aus dieser Servicepartner-Landschaft.Es existieren zum Beispiel noch viele Assemblierer, die Services nicht wegen des Profits anbieten, sondern um ihren Kundenstamm zu halten. Und genau die wollen wir erreichen.Mein Ziel ist es, im laufenden Geschäftsjahr die Anzahl der Servicepartner auf über 2000 zu steigern.

Gibt es denn noch genügend "kleine" Fachhändler?

Brünig: Wir haben nach wie vor gut 11.000 Fachhändler und Systemhäuser, die valides Geschäft machen.

Was hilft einem Partner seine Service-Zertifizierung, wenn er aufgrund der großen Anzahl der Servicepoints nur alle zwei Jahre einen Serviceauftrag erhält?

Brünig: Die Service-Autorisierung ist bei uns kostenfrei. Hinzu kommt, dass Kunden zunehmend auf solche Services achten, wenn es um die Wahl ihres Partners geht.

Von welchen Produkten reden wir im Service?

Brünig: Von Clients, Storage-Systemen und Servern bis in den Midrange-Bereich, zum Beispiel von den Speichersystemen Fujitsu Eternus DX80/90 und dem Fujitsu Server Primergy RX 250. Außerdem fallen alle PCs und Notebooks darunter. Und es muss übrigens nicht unbedingt etwas kaputt gehen: Für den Partner ist es wichtig, dass er im Falle eines Falles den Service übernehmen kann und damit kein anderes Serviceunternehmen an seiner Kundenschnittstelle 'einspringt'. Es gibt außer Fujitsu nur noch sehr wenige Hersteller, die ihren Partnern dieses Angebot machen. Das wesentliche Wachstumselement war und bleibt deshalb das Servicepartner-Thema.

Wie meinen Sie das?

Brünig: Ein Hersteller, der die Strategie: 'Wir verdichten die Umsätze in der Spitze der Pyramide mit möglichst wenig Partnern', vertritt, denkt zu kurz. Bei Fujitsu verdienen die mittleren und kleineren Systemhäuser unsere größte Wertschätzung, da hier die große Breite der Endkunden adressiert und damit auch ein sehr hoher Anteil der Umsatz- und Margenwerte generiert werden.

Eine intensive Betreuung der Partner, auch am unteren Ende der Pyramide, kostet aber viel Geld.

Brünig: Ob ein Newsletter 500 oder 30.000 Mal versendet wird, macht keinen Unterschied.

Wir reden hier nicht von Newslettern - gemeint ist richtige Betreuung. Und speziell bei den kleinen Fachhändlern fährt keiner der großen Hersteller eine durchgehende Strategie im SMB-Geschäft.

Brünig: Unser Servicepartnergeschäft gestalten wir schon seit vielen Jahren sehr erfolgreich. Eines ist doch klar: ohne umfassenden Support seitens des Herstellers, zum Beispiel in Form von Know-how-Aufbau und Unterstützung im Pre-Sales-Bereich, könnten die IT-Systemhäuser gar nicht das leisten, was der Endkunde vom Systemhauspartner erwartet. Da mag der Aufwand für die Betreuung und Unterstützung vieler Partner etwas größer sein - aber das ist es uns wert.

Wie steht es denn derzeit um die Partnerlandschaft von Fujitsu?

Brünig: Diese umfasst derzeit über 7.000 Systemhauspartner in Deutschland. Genauso arbeiten wir mit E-Tailern und Katalogversendern zusammen.

Das nervt Händler an Partnerprogrammen am meisten -










Fujitsu platziert seine Produkte vorwiegend im Business-Kundensegment. Der letzte Boom im Consumer-Segment spielte und spielt sich mit Tablets und Smartphones ab - ohne Fujitsu.

Brünig: In diesem Produktsegment sprechen wir primär über Stückzahlen. Und alleine über Stückzahlen kann ein Hersteller keinen einzigen Mitarbeiter bezahlen.

Ab einer gewissen Stückzahl kann man dieser Aussage nicht mehr zustimmen.

Brünig: Wir adressieren mit unseren Tablets und Convertibles der Stylistic-Baureihe und Lifebook T nur den B2B-Markt. Das Geschäftsmodell der klassischen Retailer unterscheidet sich hier von unserem, da es nicht auf Nachhaltigkeit, sondern auf kurzfristige Verkäufe ausgelegt ist. Unsere Geschäfte im Channel laufen immer in Richtung Nachhaltigkeit und sind nicht einfach nur Spot-Deals.