eBay-Chef Stephan Zoll

„Die Händler verstehen uns heute besser“

02.10.2013 von Matthias Hell
Um für die Kunden attraktiv zu bleiben, muss eBay mit den von Amazon gesetzten Standards mithalten. Doch fühlten sich dadurch in der Vergangenheit viele Händler gegängelt. Im Interview sieht eBay-Deutschland-Chef Stephan Zoll sein Unternehmen hier nun auf einem besseren Weg – und berichtet von einer guten Resonanz bei großen Herstellern und Retailern.

eBay arbeitet an der Weiterentwicklung seines Online-Marktplatzes und hat in Deutschland unter anderem mit den „Autorisierten Händlern“ und den Markenwelten spannende neue Features präsentiert. In beiden Fällen setzen Sie dabei auf Pilotpartner aus dem Elektronikbereich. Ist das Zufall oder nimmt das Elektroniksegment für eBay eine besondere Rolle ein?

Zoll: Der Bereich Elektronik ist bei eBay eine der größten Kategorien. In den letzten 12 Monaten haben wir hier noch einmal viele Fortschritte gemacht und gutes Wachstum gesehen. Insofern haben wir uns für unsere neuen Angebote zunächst bewusst den Elektronikbereich ausgesucht.

Ein Pilotprojekt für eine enge Zusammenarbeit mit einer Handelskette ist das Saturn Outlet. Inzwischen bietet dort mehr als die Hälfte der Saturn-Märkte Waren an, allerdings nur B-Waren und Ausstellungsstücke. Wird das Saturn-Angebot auf eBay künftig auch Neuwaren umfassen?

Zoll: Das müssen Sie Media-Saturn fragen. Wir befinden und derzeit in einer Pilotphase, in der beide Partner sehen wollen, wie gut die Zusammenarbeit funktioniert. Aus unserer Sicht entwickelt sich das Saturn Outlet sehr gut, und wir sind auch allgemein der Ansicht, dass für Handelsunternehmen jetzt ein guter Zeitpunkt ist, um in den Verkauf bei eBay einzusteigen. Wir werden wir auf jeden Fall intensiv mit Media-Saturn im Gespräch dazu bleiben, wie wir dieses Thema weiterentwickeln.

Indem im Saturn Outlet die einzelnen Saturn-Märkte als Verkäufer auftreten, gelingt es eBay sehr gut, die dezentrale Unternehmensaufstellung von Media-Saturn widerzuspiegeln. Würde sich das Verkaufsformat nicht auch für andere dezentral strukturierte Handelsunternehmen eignen, wie z.B. Verbundgruppen?

Zoll: Grundsätzlich haben wir das Verkaufsformat zunächst einmal nur mit Saturn gestartet. Aber natürlich gibt es auch viele andere Branchen, für die sich ein Modell, wie wir es mit dem Saturn Outlet pilotieren, eignen würde. Und wir scheuen auch nicht davor zurück, mit geeigneten Unternehmen oder Firmengruppen Kontakt aufzunehmen.

Im Saturn Outlet werden Artikel aus stationären Filialen angeboten, die Kunden können aber entscheiden, ob sie gekaufte Waren nach Hause geliefert bekommen oder lieber im Markt vor Ort abholen möchten. Werden solche Features bei eBay bald zum Standard?

Zoll: Die Möglichkeit der Vor-Ort-Abholung ist bislang bei uns keine Standardfunktion, sondern wird so derzeit nur im Rahmen des Saturn-Pilotprojekts angeboten. Unser Ziel ist aber, diese Option mittelfristig zu einem Standard zu machen.

Was das Angebot von lokal verfügbaren Waren über eBay betrifft, ist eine wichtige Voraussetzung dafür der Zugriff auf das stationäre Warensortiment. Auch hier gibt es bisher keine Standardlösung. Bei Saturn werden die Artikel zum Beispiel derzeit von den teilnehmenden Märkten manuell eingegeben. Es ist allerdings unser Ziel, das möglichst weiter zu automatisieren. Darin sieht man, wie stark wir gewillt sind, auf die Anforderungen einzelner Händler einzugehen, um mit diesen gemeinsam ihr Geschäft weiterzuentwickeln.

„Möglichst viele Retailer und Hersteller sollen bei eBay verkaufen“

Nach drei Jahren bei der eBay-Tochter Brands4Friends kehrte Stephan Zoll 2013 wieder in die Position des Deutschland-Chefs von ebay zurück

Pilotprojekte wie das Saturn Outlet könnten dazu beitragen, die Vorbehalte von großen Retailern gegen eine Präsenz bei eBay zu entkräften. Verfolgen Sie mit den „Autorisierten Händlern“ und den neuen Markenwelten eine ähnliche Zielsetzung? Hoffen Sie damit, auch Hersteller wie z.B. Loewe, Scout oder Adidas, die sich bisher aktiv gegen ein Angebot ihrer Produkte bei eBay sträubten, zu einer Zusammenarbeit zu bewegen?

Zoll: Unser Autorisiertes Händlerprogramm ist auf jeden Fall eine gute Möglichkeit, um Berührungsängste zu verlieren. Das sieht man auch daran, dass im Bereich Unterhaltungselektronik bereits eine Reihe hochwertiger Marken an dem Programm teilnehmen. Wir befinden uns auf einer Reise, um immer mehr Marken für eBay zu gewinnen. Ein wachsende Anzahl an Markenherstellern erkennt, dass eBay auch für sie hilfreich sein und eine Zusammenarbeit viele Facetten haben kann. Unser Ziel ist es natürlich, möglichst viele Marken zu überzeugen und für eBay zu begeistern.

Wie sieht es angesichts der neuen Verkaufsformate mit Angebotsformen aus, die sie bereits früher geschaffen haben, um den Bedürfnissen von Markenherstellern und umsatzstarken Händlern entgegenzukommen: Wird es z.B. die eBay Markenshops und die täglichen WOW!-Angebote weiter geben?

Zoll: Ja, auch nach dem Start der Markenwelten – die sich ja speziell an Hersteller richten, die nicht selbst bei eBay verkaufen - wird es die bereits bestehenden Markenshops weiter geben. Genauso wie die WOW!-Angebote. Diese haben für uns einen hohen Stellenwert und sind so etwas wie ein Schaufenster für eBay.

Eine weitere Neuerung ist die eBay-Garantie, mit der Sie auch anspruchsvollen Kunden ein hochwertiges Online-Einkaufserlebnis bieten wollen. Teilnehmende eBay-Händler werden auf ein hohes Service-Niveau verpflichtet. Führt das auch heute noch zu den früher üblichen Klagen über die „Gängelung durch eBay“ oder verstehen die Verkäufer inzwischen besser, dass nicht zuletzt sie von einer möglichst hohen Kundenzufriedenheit profitieren?

Zoll: Es gibt immer ein paar Händler, die den Weg, den wir einschlagen, nicht mitgehen möchten. Doch der Großteil versteht, warum wir bestimmte Veränderungen durchführen. Vor allem die größeren Händler, die ihre Waren nicht nur über eBay verkaufen, wissen, dass Serviceleistungen wie ein kostenloser Versand heute immer mehr Standard sind. Insgesamt würde ich daher sagen, dass heute weniger Verkäufer in solchen Initiativen eine „Gängelung“ sehen, sondern vielmehr das Momentum schätzen, dass durch solche Serviceleistungen erzielt wird.

Trotzdem zeigt das Beispiel Ihres Wettbewerbers Amazon, dass bei weitem noch nicht jeder Händler den Kunden in den Mittelpunkt seiner Bemühungen stellt. Denn letztlich bedeutet der Jubel über das Ende der von Amazon vorgeschriebenen Preisparität nur, dass die Händler ihre Produkte nun teurer verkaufen dürfen. Würde eine ähnliche Niedrigpreisverpflichtung nicht auch die Attraktivität von eBay weiter erhöhen?

Zoll: Aus unserer Sicht wäre eine solche Regelung weder für den Markt noch für die Kunden gut. Der Wettbewerb muss frei sein und Daumenschrauben sind hier nicht der richtige Ansatz. Natürlich ist auch für uns die Attraktivität unserer Online-Plattform wichtig, doch muss das nicht immer der niedrigste Preis sein. Die Attraktivität kann auch darin bestehen, dass die Kunden leichter und schneller einkaufen können. Unser Ziel muss es sein, den Kunden ein möglichst erstklassiges und inspirierendes Einkaufserlebnis zu bieten.

„Wir helfen Händlern, sich für die Zukunft des Handels aufzustellen“

Neben konkreten Verbesserungen für Händler und Käufer präsentierte Stephan Zoll in Berlin auch die Vision von eBay für die Zukunft des Handels

Neben Amazon hat sich Rakuten weltweit als dynamischer Wettbewerber von eBay in Szene gesetzt. Das japanische E-Commerce-Unternehmen setzt stark auf das Kundenerlebnis und kommt damit zumindest beim Fachpublikum gut an. Wie würden Sie die Resonanz von Rakuten bei den Kunden einschätzen?

Zoll: Rakuten spüren wir ehrlich gesagt bislang in Deutschland überhaupt nicht.

Trifft das auch händlerseitig zu? Zuletzt konnte Rakuten beispielsweise mit Getgoods einen der größten Elektronikversender auf seiner Plattform begrüßen – wird der Wettbewerb um die Händler immer härter?

Zoll: Natürlich müssen wir immer sehen, was im Wettbewerb passiert. Unsere Aufgabe ist es, unser Angebot so attraktiv vom Wettbewerb abzugrenzen, dass die Händler zuerst zu uns kommen. Hier sind wir ganz guter Dinge, wenn Sie zum Beispiel unsere leistungsstarken Tools für Händler anschauen. Nicht zuletzt deshalb sind inzwischen viele große Händler bei eBay und freuen sich über eine sehr gut wachsende Präsenz. Aber einen Wettbewerb um die Top-Händler gibt es natürlich immer.

Die Rakuten-Strategie vom Händler-„Empowerment“ erinnert in verschiedener Form an frühere eBay-Angebote wie z.B. die Powerseller-Akademie. Laufen Sie hier Gefahr, auf dem Weg zum „neuen eBay“ alte Erfolgsrezepte zu vernachlässigen?

Zoll: Wir befinden uns an einem Punkt, am dem die Grenze zwischen On- und Offline immer mehr verschwinden. Das hat viel mit mobilen Technologien, aber zum Beispiel auch mit taggleichen Lieferservices und ähnlichem zu tun. Durch unsere technologischen Kompetenzen unterstützen wir die Händler dabei, sich in diesem Handelsumfeld für die Zukunft erfolgreich aufzustellen. Wir bieten ihnen ein vielversprechendes Angebot. Nach dem eBay der Anfangszeit und der Ergänzung um professionelle Angebote zu Festpreisen sind wir nun auf dem Weg in den E-Commerce 3.0, in dem es vor allem darum geht, Kunden zu begeistern und ihnen inspirierende Einkaufserlebnisse zu bieten. Dabei können wir den Händlern vielfältige Unterstützung und gute Möglichkeiten bieten.

Sie haben das Thema Logistik angesprochen. Amazon – und auch Rakuten – bieten ihren Händlern hier optional eigene Logistikservices. Sind auch für eBay eigene Fulfillment- und Lieferservices vorstellbar?

Zoll: In den USA erproben wir mit dem Same-Day-Delivery-Service eBay Now derzeit ein eigenes Lieferangebot. Daher ist so etwas für uns durchaus denkbar. Allerdings entspricht es auch unserer Marktplatzidee, die Menschen zusammenzubringen und die richtigen Partner miteinander zu verbinden. Wir müssen nicht alles alleine machen. Denn wir wissen, wie schwierig es ist, alle Module selbst und gleichzeitig effizient zu steuern. Das gilt auch für den Logistikbereich.

Unter dem Motto „Was immer Dich inspiriert. eBay.“ haben Sie eine neue große Markenkampagne gestartet. Dabei ist die Marke eBay ja bereits sehr bekannt. Beschreiben Sie kurz, welche Ziele Sie mit der neuen Werbeoffensive verbinden.

Zoll: Es ist richtig, dass wir eine starke Position mit einem hohen Bekanntheitsgrad haben. Allerdings ist es auch wichtig, dass wir die Marke weiterentwickeln und den Menschen vermitteln, für was eBay heute steht. Die Kunden können bei eBay schnell, sicher und ohne Versandkosten einkaufen. Das ist der Standard, den man heute erfüllen muss. Darauf packen wir aber noch die Inspiration: Dass die Kunden neben all diesen Standards bei uns auch noch die Möglichkeit haben, sich immer wieder neu inspirieren zu lassen und besondere Sachen zu finden, auf die sie anderswo nicht stoßen. Das wollen wir mit unserer Markenkampagne verdeutlichen.

Angesichts der immer größeren Anzahl an Angeboten im Internet nimmt die Discoverability auch im E-Commerce eine zunehmende Bedeutung ein: Wie lassen sich geeignete Angebote finden? Wie können Kunden mit passgenauen Empfehlungen versorgt werden? Geht es Ihnen mit der neuen Benutzeroberfläche von eBay darum, auch auf diese Themen eine Antwort zu liefern?

Zoll: Auf jeden Fall, das ist eine der zentralen Fragen im E-Commerce. Dabei wollen wir unseren Nutzern nicht nur personalisierte Angebote liefern, sondern sie auch mit einer kuratierten Auswahl auf besondere Artikel aufmerksam machen. Beim neuen eBay-Feed handelt es sich um keinen vollautomatisierten Algorithmus. Die Kaufhistorie des jeweiligen Kunden bietet dafür nur den ersten Ansatzpunkt. Um wirklich zielgenaue Angebote zu erhalten, sollten die Kunden im Rahmen des Feeds ihre persönlichen Interessen definieren. Zusätzlich gibt es auch die Möglichkeit, sich durch die eBay-Feeds bekannter Persönlichkeiten und Trendsetter zu neuen Entdeckungen inspirieren zu lassen. Die Inspiration, die eBay und der neue eBay-Feed bieten, wollen wir unseren Kunden mit der neuen Markenkampagne erklären. Wir glauben daran, dass in dem neuen Feed großes Potenzial steckt. In den USA richten sich immer mehr Kunden ihren eBay-Feed ein und wir beobachten, dass diese Kunden mehr Zeit bei eBay verbringen und mehr kaufen. (mh)