Stationärer Handel oder Online-Handel

Die schöne neue Online-Welt und das schlechte Gewissen

07.07.2015
Dass es nicht in Ordnung ist, sich erst im Laden beraten zu lassen, um die Schuhe dann billig im Internet zu bestellen (Stichwort: "Beratungsdiebstahl"), leuchtet ein. Aber auch der Online-Kunde wird vor knifflige Gewissensfragen gestellt.

Die schöne neue Online-Welt stürzt so manchen Nutzer in Gewissenskonflikte: Darf ich fairen Kaffee kaufen und gleichzeitig beim umstrittenen Versandhändler Schuhe bestellen? Darf ich die Taxi-Alternative Uber nutzen, weil sie billiger ist? Am Ende läuft es auf die Frage hinaus: Wem schade ich, wenn ich diese Dienste nutze? Oder ist es im Internet-Zeitalter gar nicht mehr zeitgemäß, sich darüber Gedanken zu machen?

Die Versuchung der schnellen Klicks ist oft übermächtig: Immer häufiger lassen sich Verbraucher im stationären Fachhandel beraten und kaufen dann billiger im Internet.
Foto: oneblink1/Fotolia

Grundsätzlich verteufeln kann man den Online-Handel sicher nicht. "Das Internet ist eine neue Technologie, die alte Technologien ablöst", sagt der Ethikprofessor Kurt Bayertz von der Universität Münster. "Das war schon so, als das Auto aufkam und alle Sattler dadurch arbeitslos wurden." Bitter für diejenigen, die es trifft – aber es entstehen ja auch neue Jobs.

Eine reine Einstellungssache

Dass Amazon vielen schönen kleinen Buchhandlungen das Wasser abgräbt, ist an sich wohl auch noch nicht verwerflich. "Die Frage, ob Buchhandlungen sein sollen oder nicht, ist keine primär ethische, sondern eine kulturelle Frage", sagt der Berliner Ethiker Prof. Markus Tiedemann. So gibt es auch Menschen, die gar nicht gern ins Buchgeschäft gehen, weil sie nicht gleich von einem Verkäufer angesprochen werden möchten. "Wenn Sie zu dem Schluss kommen: Ja, ich wünsche mir eine rein digital kommunizierende und sich organisierende Gesellschaft, dann können Sie guten Gewissens alles übers Internet bestellen", meint Tiedemann. Reine Einstellungssache.

Wie verhält es sich aber mit folgendem Fall: Man probiert im Laden Joggingschuhe an, lässt sich beraten – und bestellt dann billig im Internet. Auch bekannt als "Bertungsdiebstahl". Dass das nicht fair ist, sagt einem schon das Gefühl. Man muss da noch nicht mal mit der Moral kommen. "Langfristig schade ich mir damit selbst", erläutert Bayertz. "Denn auf Dauer werden diese Läden dadurch natürlich verschwinden, und dann gibt's niemanden mehr, der mich berät. Sondern nur noch das Internet."

Die gnadenlosen Killerphrasen der Kunden

"Das ist aber alles andere als ein Schnäppchen!"

"Letzlich entscheidet der Preis, ob wir zusammenkommen!"

"Sie sind mindesten 20 Prozent teurer als der Wettbewerb!"

"Jetzt packen Sie die alle einfach mal aus. Dann können wir morgen über günstige Ausstellungsstücke reden."

"Ein Bekannter hat vielleicht die Hälfte dafür bezahlt."

"Wie ist denn der Preis, wenn Sie die "vergoldete" Verpackung weglassen?"

"Das ist doch eh ein Auslaufmodell."

"Sie wissen doch so gut wie ich, dass nach einem halben Jahr der Preis um die Hälfte runtergeht."

"Das gibt es doch bestimmt gebraucht wesentlich günstiger, oder?"

"Sie haben ein Geschäft – ich habe hunderte."

"Jetzt versuchen Sie es bitte nochmal mit Kopfrechnen."

"Hallo? Ich möchte nicht gleich den ganzen Laden kaufen!"

"Holen Sie mir mal den Chef ran!"

"Was muss denn passieren, damit Sie mit dem Preis runtergehen?"

"Über den Wartungsvertrag reden wir dann morgen."

"Das ist jetzt nicht Ihr Ernst, oder?"

"Ich kaufe doch schon so lange bei Ihnen ein."

"Sie wollen doch auch mal einen Großauftrag von uns bekommen, oder?"

"Ich wette, dass Ihr Kollege dort drüben wesentlich billiger ist."

"Sie kennen wohl geizhals.at nicht, was?"

"Und ich dachte immer, Sie hätten die besten Preise weit und breit."

"Da kann ich ja gleich in der Apotheke einkaufen."

"Ist doch nicht mein Problem, wenn Sie zu teuer einkaufen!"

"Jetzt kommen Sie mir nicht wieder mit Ihren Mondpreisen!"

"Für so was habe ich noch nie mehr bezahlt."

"Warum kostet das denn soviel? Das kommt doch eh alles aus China."

"Bei meinem Umsatz mit Ihnen müssen fünf Prozent Rabatt locker drin sein!"

"Der Preis muss schon knackig sein, wenn Sie im Rennen bleiben wollen."

"Ich empfehle nur jene weiter, die mir einen guten Preis machen."

"Sie wollen doch Folgegeschäfte mit mir machen, oder?"

"Jetzt nennen Sie mir einfach mal den Projektpreis dafür."

"Dafür verdienen Sie doch an allem anderen sehr gut."

"Im Internet habe ich das viel billiger gesehen!"

"Wie sagt man so schön: A bisserl was geht immer!"

"Wollen Sie mich nun als Kunden oder nicht?"

"Welche günstigeren Alternativen haben Sie denn?"

"Für Service zahle ich prinzipiell nichts."

"Hopp oder topp – mehr zahle ich nicht."

"Ich weiß genau, dass Sie da immer noch gut daran verdienen."

"Reden wir nicht lange rum: Was ist Ihr bester Preis?"

"Ich bin ganz Ohr, was Ihr Entgegenkommen anbelangt."

"Sie sind doch sicherlich an einer längerfristigen Zusammenarbeit interessiert, oder?"

"Rechnen Sie bitte nochmal mit spitzem Stift nach."

"Das liegt weit über meinem Budget."

"Ihr Angebot liegt weit über dem der anderen."

"Ich bin sicher, dass das nicht Ihr letztes Wort war."

"Ohne ein Entgegenkommen wird das nichts mit uns!"

"Warum sind Sie eigentlich so viel teurer als andere?"

"Was kostet es, wenn ich 300 Stück abnehme?" (wohlwissend, dass der Bedarf bei zwei Stück liegt)

"Sehen Sie, mir ist das letztlich doch eh egal, von wem ich das kaufe."

"Das kann ich woanders viel billiger kaufen!"

Die Regeln der Fairness

Wenn über Großhändler wie Amazon oder Zalando diskutiert wird, geht es oft um die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Muss man sich dafür interessieren? Viele Ethiker halten es da mit dem US-Philosophen John Rawls (1921-2002). Rawls erfand ein in Fachkreisen berühmtes Gedankenexperiment, das er den "veil of ignorance" – den Schleier des Unwissens – nannte. Das Experiment geht so: Man stelle sich vor, wir würden morgen alle neu geboren und wüssten nicht, wer wir in der kommenden Gesellschaft sein werden. Wir wissen nicht, wieviel Geld oder welche Ausbildung wir haben werden. Und jetzt dürfen wir aber die Regeln der Gesellschaft aufstellen.

"Da würden wir wahrscheinlich alle dazu tendieren, bestimmte Regeln einzuführen, schon deshalb, um uns selbst zu schützen", sagt Tiedemann. Schließlich wissen wir ja nicht, ob wir nicht selbst der Magazin-Arbeiter oder der Paketbote sein werden. "Rawls nennt das 'die Regeln der Fairness'. Und da gibt es dann einige Dinge, die ganz eindeutig verboten sind, nämlich zum Beispiel, jemanden auszubeuten. Da kommen wir relativ schnell zu Ergebnissen."

Amazon und Uber

Für den Wirtschaftsethiker Prof. Klaus Peter Rippe aus Karlsruhe wiederum sind es nicht so sehr die Arbeitsbedingungen der Beschäftigen, deretwegen er nach Möglichkeit nicht bei Amazon kauft, sondern die Marktmacht des Konzerns. "Bei Amazon ist für mich Punkt 1, dass sie wirklich versuchen, ihre Marktmacht so zu nutzen, dass es Wettbewerb verhindert", sagt der Wissenschaftler.

Rippe meint, dass man jeweils sehr genau hinschauen muss. In der Diskussion um die Taxi-Alternative Uber stehe zum Beispiel nicht das moralische Verhalten des Einzelnen im Fokus: "Da haben wir Regelungsbedarf. Da ist die Frage: Wo beginnt das Gewerbe? Wann ist man selbstständig und ab wann wird man ausgebeutet als Selbstständiger? Da müssen wir einfach eine Regelung finden."

Nun sieht es in der Praxis so aus, dass die Versuchung des schnellen Klicks oft übermächtig ist. Rippe geht es da nicht anders. "Es gelingt mir nicht immer, meine Vorsätze einzuhalten", gibt er zu. Natürlich müsse jeder für sich selbst entscheiden, wie weit er bei der Umsetzung seiner Prinzipien in der Praxis gehen wolle: "Es ist für manche Leute ja auch eine Sache des Geldes."

Bayertz sieht es ähnlich: "Wenn man für einen Geburtstag ganz kurzfristig was besorgen muss und das geht nur über einen Anbieter, der nicht ganz koscher ist, okay, dann macht man das, und dann muss man, glaub' ich, auch kein schlechtes Gewissen haben. Aber dass man im Rahmen seiner Möglichkeiten dazu beiträgt, Ausbeutung und Unfairness zu minimieren, das ist etwas, was man von jedem erwarten kann." (dpa/tö)

Tipps für Fachhändler und Dienstleister: Experten antworten auf konkrete Fragen
Gute neue Ideen entwickeln
Frage: "Für mein Computergeschäft möchte ich ein neues Konzept entwerfen. Erste Ideen habe ich bereits. Mir fehlen zu deren Ausarbeitung im Tagesgeschäft aber die nötige Ruhe und Zeit. Deshalb schiebe ich mein Vorhaben seit Monaten vor mir her. Was soll ich tun?"<br><br> Antwort von Klaus Kissel: "Wenn Sie etwas wirklich Neues entwickeln möchten, dann sollten Sie sich aus dem Alltagsgeschäft zurückziehen. Am besten begeben Sie sich an einen ruhigen Ort, fernab der täglichen Routine und dem täglichen Stress. Mieten Sie sich zum Beispiel in eine Ferienwohnung ein. Denn "unter Strom", kann man keine gute Ideen und Problemlösungen entwickeln. Man reproduziert nur das Alte. (...)"<br>
Beratung ist nur ein Mittel, um zu verkaufen
Frage: "Immer wieder registriere ich: Es kommen zwar sehr viele Kunden in mein Elektronikgeschäft und lassen sich beraten. Kaufen tun sie aber nichts. Wie kann ich eine höhere Abschlussquote erzielen?"<br><br> Antwort von Walter Kaltenbach: "Ihr Problem ist, dass Sie zwar viele Schau- aber zu wenig Kaufkunden haben. Das kann zwei Ursachen haben. <br> Möglichkeit 1: Der Kunde findet bei Ihnen nicht das richtige Produkt oder Ihre Preise sind zu hoch. Dann sollten Sie Ihr Sortiment oder Ihre Preisstruktur ändern. Zum Beispiel, indem Sie gezielt Produkte für Schnäppchenjäger in Ihr Programm aufnehmen. (...)"<br>
Der Umgang mit Beschwerden
Frage: "Gestern hat mich ein Kunde angerufen und sich beschwert, dass ich auf seinem PC ein falsches E-Mail-Programm installiert habe, da jetzt eine wichtige Funktion fehle. Ich solle dies kostenlos ersetzen. Dabei installierte ich genau das Programm, das er wollte. Wegen seiner massiven Beschwerde habe ich dem zugestimmt. Hätte ich anders reagieren sollen?"<br><br> Antwort von Christian Herlan: ""Eine schwierige Frage! Denn Kunden erwarten von Ihnen als ihrem IT-Dienstleister auch, dass Sie sie angemessen beraten. Deshalb kann es durchaus ein Fehler sein, wenn Sie ihnen zwar die Programme installieren, die diese wünschen, aber zuvor nicht ausreichend gecheckt haben: Was braucht der Kunde wirklich? Inwieweit dies der Fall war, müssen Sie selbst entscheiden. (...)"<br>
Die eigenen Mitarbeiter schulen
Frage: "Für mein IT-Fachgeschäft arbeiten auch einige Teilzeitkräfte. Eigentlich müsste ich sie dringend im Verkauf schulen. Doch zu mehrtägigen Seminaren kann ich sie nicht schicken – dafür ist mein Personaldecke zu dünn. Zudem wäre dies zu teuer. Wie kann ich meine Mitarbeiter dennoch schulen?"<br><br> Antwort von Ralph Guttenberger: "Erstellen Sie zunächst eine Themenliste – gemäß dem Motto: Was liegt, wenn es um das Verkaufen geht, bei meinen Mitarbeitern im Argen? Überlegen Sie sich dann, welche konkreten Inhalte Sie Ihren Mitarbeitern vermitteln möchten. (...)"<br>
Das Auftreten gegenüber Kunden
Frage: "Ich habe gehört, dass in einem Verkaufsgespräch die ersten Sekunden weitgehend über den Erfolg entscheiden. Stimmt das? Und wenn ja, wie sollte ich mich als Verkäufer in den ersten Sekunden verhalten?"<br><br> Antwort von Ingo Vogel: "Die "Liebe auf den ersten Blick", aber auch die "Ablehnung auf den ersten Blick" gibt es auch bei Verkaufsgesprächen. Denn wenn wir einer fremden Person begegnen, strömt eine Fülle von Signalen auf uns ein. (...)"<br>
Ordnung im Laden schaffen
Frage: "Ich sage meinen Mitarbeitern immer wieder: Wichtig dafür, ob ein Kunde kauft, ist auch, welchen Eindruck er von unserem Laden hat. Dazu zählen auch, dass er ordentlich, aufgeräumt und gut sortiert wirkt. Doch kaum bin ich einige Zeit weg, bricht in meinem Geschäft das Chaos aus. Wie kann ich dies vermeiden?"<br><br> Antwortvon Christian Herlan: "Etwas sagen – das reicht häufig nicht. Nehmen Sie sich einmal Zeit, und notieren Sie genau, was für Sie Ordnung bedeutet. Legen Sie also zum Beispiel konkret fest, wie die Gänge oder der Kassenbereich in Ihrem Geschäft auszusehen haben. (...)"<br>
Gegen die Konkurrenz behaupten
Frage: "Vor drei Monaten eröffnete in meiner Nachbarschaft ein Elektronik-Markt, der sehr stark für sich wirbt und frequentiert wird. Seitdem kommen in mein PC-Geschäft weniger Kunden. Wie komme ich jetzt an neue Kunden?"<br><br> Antwort von Klaus Kissel: "Jammern bringt nichts! Freuen Sie sich doch über Ihren Wettbewerber. Denn durch dessen massive Werbung kommen mehr Personen an Ihrem Geschäft vorbei – sei es zu Fuß oder mit dem Auto. Versuchen Sie einen Teil dieser potenziellen Kunden abzufangen, indem Sie Ihren Außenauftritt verstärken - zum Beispiel, indem Sie mehr Transparente aufhängen und mehr Verkaufsaktionen fahren. (...)"<br>
Kunden zu Stammkunden machen
Frage: "Vor sechs Monaten eröffnete ich einen Computerladen in einer Kleinstadt. Mein Problem ist: Ich habe noch wenig Stammkunden. Es kommen zwar immer wieder neue Kunden, doch viele sehe ich einmal und nie wieder."<br><br> Antwort von Christian Herlan: "Ich sehe zwei mögliche Ursachen für Ihr Problem: Entweder Ihre Leistung stimmt nicht. Dann stehen Sie – in einer Kleinstadt, wo sich alles schnell herumspricht – auf verlorenem Posten. Die zweite, wahrscheinlichere Möglichkeit ist: Es gelingt Ihnen nicht, eine Beziehung zu Ihren Kunden aufzubauen. (...)"<br>