Nützliche Gadgets

Livescribe Pulse Smartpen – der Stiftcomputer

06.05.2010
Mit dem Pulse Smartpen des jungen US-Unternehmens lässt sich alles Geschriebene und Gesagte aufzeichnen und auf den PC oder Mac übertragen. Zubehör wie das nötige Dot-Papier verheißt Händlern gute Verdienstchancen.

Es gibt unnütze und nützliche Gadgets, manche können auch begeistern. So der Pulse Smartpen von Livescribe, einem erst 2007 gegründeten US-Unternehmen, der mit Infrarotsensor, eingebautem ARM-9-Prozessor und Diktierfunktion alles Geschriebene und Gesagte aufzeichnet, um es dann auf den Computer zu übertragen.

Das Papier verfügt über winzige, kaum sichbare Punkte und Steuerelemente unten.

Damit der Text übertragen werden kann, braucht man ein von Livescribe angebotenes Spezialpapier in Form von Blöcken oder Notizbüchern. Wird die Diktierfunktion aktiviert und spricht man den Text während des Schreibens nach, liest der Stift bei der Wiedergabe auch die angetippten Wörter oder Textstellen nach. Mit Sprache oder anderem Sound hinterlegte Textstellen werden später im Desktop-Programm von Livescribe grün angezeigt.

Auf dem frei herunterladbaren Livescribe Desktop können die Daten dann weiterbearbeitet, als PDF- oder Bilddatei (GIF, BMP oder JPEG) verschickt oder oder zum Beispiel auf Facebook als sogenannter Pencast veröffentlicht werden, um sie mit anderen zu teilen. Auf Facebook soll Livescribe schon über 100.000 Fans haben.

Motto des Unternehmens ist "Never miss a word", und dem scheint es alle Ehre zu machen. Man könnte natürlich auch ein Touch-Handy wie das iPhone oder gar ein iPad zur Hand nehmen und darauf Notizen machen. Aber auf Papier schreibt es sich viel leichter. Auf den Touchscreens rutscht der Stift gelegentlich ab, die Schrifteingabe erweist sich selbst mit entsprechernder OCR oft als zu langsam und kompliziert.

Stark wachsende Fan- und Entwicklergemeinde

So sieht die Mac-Oberfläche des Livesribe Desktop aus.

Auch in der Mac-Community erfreuten sich die Stiftcomputer großer Beliebtheit, wie der weltweite Marketingdirektor Eric Petitt erklärte. Seit 2008 habe sich der Pulse Smartpen (in verschiedenen Versionen) schon 350.000 Mal verkauft. In Deutschland habe man mit Partnern wie den Bürospezialisten Gravis, Unimall und Macstores in nur vier Monaten bereits über 6.000 davon absetzen können.

Und das sei erst der Anfang. Erst Anfang der Woche hat Amazon Livescibe aufgenommen, Gespräche mit Media Markt stehen ihm zufolge kurz vor dem Abschluss, ebenso mit einem großen Broadline-Distributor aus München, um den breiten CE- und IT-Fachhandel zu erreichen.

Auf der amerikanischen Livescribe-Homepage finden sich bereits viele Apps, viele davon von freien Entwicklern. Das Unternehmen bietet entsprechende Developer-Kits für die Java-basierende offene Plattform an.

In Bälde soll so ein solcher App-Store auch in Deutschland gestartet werden. Es gibt jede Menge kleine Programme, die in den USA teilweise Freeware sind, teilweise zu Preisen von 0,99 bis 117 Dollar angeboten werden, darunter Utility-Tools, Lern- und Spiele-Software sowie, in Amerika ganz wichtig, auch die Rubrik Religion mit übrigens dem teuersten Programm. Der Bildungssektor ist für Livescribe ein ganz wichtiger.

Der Smartpen enthält auch einige lustige Tools wie ein kleines Übersetzer-Demo für verschiedene Sprachen, darunter auch Arabisch, Chinesisch und Koreanisch, und ein Mini-Klavier. Das Übersetzerdemo ist auf ganz wenige Begriffe und Höflichkeitsfloskeln begrenzt und auch bei Deutsch als Gerätesprache auch nur mit englischer Texteingabe nutzbar. Aber vielleicht finden sich dafür demnächst auch ein paar Apps.

Für die Klavierfunktion einfach nur neun senkrechte Linien ziehen, oben und unten mit einem vertikalen Strich schließen, die schwarzen Tasten hinzufügen, i und r darunter schreiben und schon kann man eine kleine Melodie spielen. Der eingebaute und vom Kunden selbst nicht auswechselbare Akku soll mit einer Ladung für bis zu 400 Stunden reichen und eine Lebensdauer von zwei bis drei Jahren haben.

Handschrift- in Textumwandlung optional

Der Livescribe Desktop, auf dem man die Notizen und Aufzeichnungen herunterlädt, verfügt über eine einfache Handschriftenerkennung, die es ermöglicht, die Notizen nach Stichworten zu durchsuchen. Wer kennt das nicht, dass man einen bestimmten Begriff im Ohr hat, diesen aber in seinem Notizbuch nicht findet? Die Erkennungsgenauigkeit hängt natürlich von der Handschrift ab. Mit einer "Sauklaue" tut sich das Tool schwer. Die Lesegenauigkeit ist teilweise dennoch erstaunlich und soll laut Livescribe bei 90 Prozent liegen. Allerdings haben Amis auch meist eine "genormtere" Handschrift als wir Europäer.

Um die handschriftlichen Notizen in Computertext umwandeln zu können, verweist der Anbieter auf die Firma Visionobjects und "MyScipt for Livescribe" zum Preis von 29,95 Dollar Dollar, als 30-Tage-Trial-Version frei herunterladbar. Zusätzliche Sprachen sind kostenlos.

Der einzige offensichtliche "Haken" ist wie gesagt das für die schriftlichen Aufzeichnungen und die Bedienung nötige Livescribe Dot-Papier mit kaum sichtbaren winzigen Punkten und Steuerelementen. Im Lieferumfang enthalten ist normalerweise ein A5-Block mit 100 Seiten.

Weitere Blöcke und Notizbücher, große oder kleine, in Leder gebunden oder mit Pappdeckel, Ersatzminen und weiteres Zubehör bieten Fachhändlern über die ohnehin guten Margen mit der Hardware reichliche Verdienstmöglichkeiten. So kosten die Blöcke im 2er- oder im 4er-Pack jeweils rund 20 Euro.

Ohne Dot-Papier geht es (fast) nicht

Der Smartpen verfügt über einen Infrarotsensor an der Spitze, ein Mikrofon, erstaunlich klingende Speaker hier unter dem OLED-Display und einen Ein-Aus-Knopf.

Am Pen selbst sind außer dem Einschaltknopf keine Bedienelemente vorhanden. Die übrigens erstaunlich gute Diktierfunktion mit 3D-Surroundklang bei Anschluss des mitgelieferten Headsets lässt sich auch ohne Spezialblock im Handgepäck starten. Dazu muss man den Start-Button nur eine längere Zeit gedruckt halten.

Allerdings gestaltet sich das recht fummelig und gelingt es nicht immer. Außerdem gibt es ja keine Wiedergabetaste am Stift. Firmengründer Jim Marggraff hat daher immer ein kleines Band mit den Bedienelementen vom Livescribe Dot-Paper um den Arm, wie Petitt sagte.

Vorher hatte Marggraff, den man auch den "Steve Jobs der Spielzeugindustrie" nannte, unter anderem den Worldwide Content des Spiele- und Education-Spezialisten LeapFrog geleitet und dazu beigetragen, dass das Unternehmen zwischen 1998 und 2003 den Umsatz von 31 auf 680 Millionen steigern konnte. Er war auch der Erfinder von LeapFrogs Fly Pentop und blickt laut Petitt auf 15 Jahre Entwicklungserfahrungen zurück.

Mit 2 GB großem Speicher werden die Geräte selbst für 149,95 Euro angeboten, die 4-GB-Variante für 169,95 Euro. Von letzterer gibt es auch eine multilinguale Version, die bei Amazon als neuer Partner in Deutschland für 159,90 angeboten wird.

Da diese offenbar neben Englisch, Deutsch, Französisch, Spanisch und Italienisch auch Chinesisch und Koreanisch beinhaltet, gehe es sich bei den wenigen Support-Anfragen meist darum, dass jemand aus den exotischen Sprachen nicht mehr zurückfindet, betont Florian Schultz, Generalmanager für EMEA und Director für Educational International. Die Fehlerrate gibt er mit unter ein Prozent an. So habe es von 7.000 in Europa verkauften Smartpens nur vier Retouren gegeben.

Andere Lösungen wie sie Logitech zum Beispiel mit dem io Pen vor Jahren schon vorgestellt hat, sind Schultz und Petitt zufolge eher als Eingabegeräte denn als Microcomputer zu sehen und längst nicht so mächtig, wörtlich "powerful". Schließlich steckten in dem Smartpen "100 Millionen R&D-Dollar" (Forschung und Entwicklungsgelder). Das sollen andere Hersteller Livescribe einmal nachmachen, so die beiden Manager.

Die Patente habe man sich schützen lassen, weshalb man nicht befürchte, dass andere Unternehmen Livescribe das Butter vom Brot nehmen. Produziert werden die Geräte übrigens nicht von Livescribe selbst, sondern von OEM-Partnern in China und Malaysia.

Ein in Blogs häufig genannter Kritikpunkt sind die relativ hohen Preise. Dies mag man teilen oder nicht. Wie Petitt ankündigte, seien sowohl High-End- als auch Entry-Level-Produkte geplant, wobei letztere weit günstiger angeboten werden sollen. Auch an Begleiter für Smartphones arbeite man schon. Angesichts der offenen Java-Plattform könne eben auch unabhängig vom Betriebssystem entwickelt werden.

Fazit: Auch wenn man die Notizfunktion vielleicht gar nicht so viel nutzt, ist der Smartpen ein prima Diktiergerät, nur eben ohne eigene Bedienelemente. Die sind auf dem Livescribe Dot-Papier. Das und anderes Zubehör macht die Produkte für Fachhändler eigentlich erst richtig interessant. Die Margen klingen traumhaft, können hier online aber natürlich nicht kommuniziert werden. (kh)