Ernüchterung im Online-Business

Media-Saturn setzt zunehmend auf Services

16.02.2016 von Matthias Hell
Auch bei der jüngsten Bilanzpräsentation des Metro-Konzerns nahm die Online-Entwicklung von Media-Saturn großen Raum ein. Doch kehrt in dem Bereich eine gewisse Ernüchterung ein und wird stattdessen der Service-Ausbau priorisiert.
Metro-Chef Olaf Koch gab bei der Bilanzpräsentation Einblick in die Strategie von Media-Saturn
Foto: Metro AG

Bereits kurz nach Jahresanfang zeigte sich der Metro-Konzern mit dem zurückliegenden Weihnachtsgeschäft bei Media-Saturn zufrieden. Bei der Vorstellung der Quartalsbilanz unterfütterte der Handelskonzern dies vor wenigen Tagen nun mit handfesten Zahlen: Der Umsatz von Media-Saturn lag im Jahresendquartal 2015 - dem ersten Quartal im Metro-Geschäftsjahr 2015/16 - flächenbereinigt um 0,4 Prozent über dem Vorjahresniveau. Besonders erfreulich war die Entwicklung auf dem deutschen Heimatmarkt. Hier kam Media-Saturn im Weihnachtsgeschäft auf einen Umsatzzuwachs von 3,2 Prozent, was auf vergleichbarer Fläche einem Plus von 2,8 Prozent entspricht.

Wenn es um die Frage geht, wie dieses Wachstum in Zukunft fortgeschrieben werden soll, sprach Metro-Chef Olaf Koch bei der Bilanzpräsentation am liebsten von der künftigen Service-Fokussierung von Media-Saturn. Schon jetzt sollen die Einnahmen aus dem Service-Geschäft bei Europas größtem Retailer rund 10 Prozent des Umsatzes ausmachen und damit in einer Größenordnung von rund einer Milliarde Euro in 2015 liegen.

Service-Strategie mit vielen Facetten

Koch schwärmte von dem durch Media-Saturn übernommenen After-Sales-Dienstleister RTS. Dieser sei wirtschafte profitabel und ermögliche es dem Retailer, künftig auch Kunden zu erreichen, zu denen man bisher keinen Zugang gefunden habe. So biete zum Beispiel die Reparatur einer Waschmaschine durch RTS die Chance, das Warenangebot von Media-Saturn günstig in Szene zu setzen. Weitere Chancen im Service-Bereich sieht Koch durch die Verbreitung von Internet of Things und Smart Home: "Das wird zumindest übergangsweise zu mehr Komplexität führen. Dabei wir sehen Komplexität nicht als Manko, sondern als Chance." Wenn Produkte mit richtigem Service gekoppelt würden, könne Media-Saturn ein besseres Kundenerlebnis bieten und höhere Loyalität schaffen. "Die Ausweitung und Intensivierung des Service-Angebots von Media-Saturn hat für uns großen strategischen Wert", so Metro-Chef Olaf Koch im Analystengespräch.

Auch den neu gelaunchten Media Markt Club stellte der Manager in einen Zusammenhang mit der Service-Strategie des Elektronik-Retailers. Und die in den MSH-Accelerator Specalab eingezogenen Start-ups Expertiger, kaputt.de, MyHomeServices und Deutsche Technikberatung könnten helfen, die Servicebedürfnisse der Media-Saturn-Kunden noch flexibler zu befriedigen.

Auch der Media-Saturn Accelerator Spacelab soll der neuen Service-Strategie dienen
Foto: Media-Saturn

Online-Ernüchterung

In einem auffallenden Kontrast zur Service-Begeisterung bei Media-Saturn stand die nüchternere Betrachtung der Online-Entwicklung des Elektronikhändlers. Zwar konnte im Weihnachtsquartal der über das Internet generierte Umsatz um 12 Prozent weiter gesteigert werden und erreichte 574 Millionen Euro. Im Gesamtjahr 2015 kam Media-Saturn damit auf einen Online-Umsatz von rund 1,8 Milliarden Euro, was einem Umsatz-Anteil von etwas mehr als 8 Prozent entspricht. Doch die Wachstumszahlen sind weiter rückläufig: Von plus 65 Prozent 2013 ging das Online-Wachstum über plus 25 Prozent 2014 auf einen Zuwachs von 16 Prozent im vergangenen Jahr zurück. Selbst langfristig spricht MSH-Chef Pieter Haas nur noch von einem Zielwert von 15 bis 20 Prozent Online-Anteil.

Beigetragen haben zur Online-Ernüchterung von Media-Saturn dürfte auch die enttäuschende Entwicklung, die der 2011 übernommene reine Online-Händler Redcoon unter dem Dach des Retailers genommen hat. Bei der Bilanzpräsentation bestätigte Metro-Chef Olaf Koch Meldungen über Rückschläge bei Redcoon: Den Umsatz des Elektronikversenders bezifferte er auf rund 500 Millionen Euro - ein Wert, den das Unternehmen einige Jahre zuvor bereits deutlich überschritten haben dürfte. Zudem habe Redcoon mit einem Verlust "im einstelligen Millionenbereich" das EBIT von Media-Saturn im Jahresendquartal belastet.

Als Gegenmaßnahme sprach Koch von einer Repositionierung von Redcoon, zu der einzelne Maßnahmen aber eher schwammig blieben. Bereits Ende 2015 wurde Redcoon bei Media-Saturn eingegliedert. Seitdem ist das Online-Geschäft von Redcoon den jeweiligen MSH-Landesgesellschaften zugeordnet und wird der Einkauf gemeinsam abgewickelt. Bei der Vorstellung der Bilanz des Jahresendquartals sprach Koch zudem von einer Bereinigung der Verkaufsstrategie. Redcoon habe in der Vergangenheit auch wenig profitable Großhandelsgeschäfte abgewickelt, auf die man künftig nun verzichten wolle. "Redcoon ist eine Herausforderung, doch ist die Situation weniger dramatisch als es klingt", bemühte sich Koch um Optimismus.

Redcoon: Vom Pace-Maker zum Sorgenkind
Foto: Redcoon

Wie groß sind die Online-Perspektiven?

Grundsätzlich werfen die neuen Zahlen die Frage nach den Online-Perspektiven von Media-Saturn auf. So urteilte unlängst Media-Markt-Gründer Erich Kellerhals: "Die Online-Umsätze sind erfreulicher Weise gestiegen, führen jedoch, wie es zu erwarten war, zu keinen neuen Gewinnen." Eine Einschätzung, mit welcher der zunehmend erratisch wirkende MSH-Minderheitsgesellschafter nicht falsch liegt. Geht man davon aus, dass Media-Saturn rund die Hälfte seines Umsatzes auf dem deutschen Heimatmarkt erzielt, dürfte das Unternehmen hierzulande rund 900 Millionen Jahresumsatz im Internet erwirtschaften - und liegt damit nur knapp vor Notebooksbilliger.de, Cyberport und Alternate/Wave, die mittlerweile einen Jahresumsatz zwischen 600 und 700 Millionen Euro erzielen.

Der größte Online-Händler im Elektronikbereich ist in Deutschland heute klar Amazon. Das Unternehmen kam hierzulande 2015 auf einen Umsatz von 10,6 Milliarden Euro. Selbst wenn man Insidern wie Cyberport-Gründer Olaf Siegel oder 004-COO Michael Gerke nicht folgen will, die davon ausgehen, dass Amazon rund die Hälfte seines Umsatzes mit Elektronikartikeln erwirtschaftet, ist der weltgrößte Online-Händler im deutschen Elektronikhandel auf jeden Fall ein Milliardenunternehmen. Demgegenüber hat sich das E-Commerce-Segment auf das Spitzentrio aus Notebooksbilliger, Cyberport und Alternate konsolidiert und sind ehemalige Angreifer wie Getgoods oder Home of Hardware inzwischen Geschichte.

Vor diesem Hintergrund macht es für Media-Saturn durchaus Sinn, von einer einseitigen Fokussierung auf das Online-Wachstum Abstand zu nehmen und stattdessen durch eine Stärkung der Service-Kompetenz das Multichannel-Profil zu schärfen. Die Frage, inwieweit die Kunden dem langjährigen "Geiz ist geil"-Verfechter dabei folgen, kann heute allerdings noch nicht beantwortet werden. (mh)