Käufer muss Kosten bestätigen

Müssen Webshops umprogrammiert werden?

14.12.2010
Ein Gesetzentwurf gegen Abo-Fallen greift auch erheblich in den allgemeinen Internethandel ein.
Manche Internetangebote sind nur auf den ersten Blick kostenlos.
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Sogenannte Abo-Fallen sind eine moderne Geißel des Internets: Auf den ersten Blick werden kostenlose Leistungen angeboten, wie beispielsweise Malvorlagen, Software oder Kochrezepte. Meist gut versteckt in AGB findet sich dann eine Regelung, dass das Angebot entgegen der offensichtlichen Werbung zum einen mit Kosten verbunden ist, zum anderen wird dem Nutzer auch noch ein Abonnement mit einer Laufzeit von 12 oder 24 Monaten untergeschoben.

Einschlägig spezialisierte Rechtsanwälte oder Inkassobüros machen dann - aufbauend auf der Vorleistung der "Anbieter" - später die Kosten für den Abo-Zeitraum geltend. Auf die reinen Abo-Gebühren werden dann noch erhebliche Rechtsanwalts- oder Inkassokosten aufgeschlagen.

Die Rechtsprechung ist in der Regel davon ausgegangen, dass eine entsprechende Kostenvereinbarung versteckt in AGB nicht wirksam ist. Nach unserem Eindruck werden nicht zuletzt auch vor diesem Hintergrund die Kosten wohl auch in der Regel durch die entsprechenden Anbieter nicht eingeklagt. Unabhängig davon hat die Politik das Problem erkannt - nicht zuletzt deshalb, weil eine große Anzahl von Internetnutzern, die nicht zuletzt auch Wähler sind, mit diesem Problem konfrontiert ist.

Die Button-Lösung

Das Bundesjustizministerium hat den Referentenentwurf eines "Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum besseren Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Kostenfallen im elektronischen Geschäftsverkehr" vorgelegt. Auch in der EU wird diese sogenannte Button-Lösung diskutiert.

Vorgeschlagen wird eine sogenannte Button-Lösung. In einer Pressemitteilung des Justizministeriums heißt es: "Das neue Gesetz stellt sicher, dass nur zahlen muss, wer die Kostenpflicht kennt. Internetanbieter werden verpflichtet, mit deutlichem Hinweis über den genauen Preis zu informieren. Verbraucher sind nur zur Zahlung verpflichtet, wenn sie durch Mausklick bestätigen, dass sie den Hinweis auf die Kosten gesehen haben. Unseriösen Geschäftsmodellen wird der Boden entzogen."

Alles fein, sollte man denken. Das Gesetz zeigt jedoch, dass man im Bundesjustizministerium in Sachen Internethandel nur wenig begriffen hat. Geplant ist unter anderem eine Änderung des § 312 e BGB. Sollte der Referentenentwurf als Gesetz verabschiedet werden, würde § 312 e BGB wie folgt geändert werden:

2. Nach Absatz 1 wird der folgende Absatz 2 eingefügt:

" (2) Bei einem Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, der eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand hat, hat der Unternehmer

1. den Verbraucher vor Abgabe von dessen Bestellung durch einen hervorgehobenen und deutlich gestalteten Hinweis zu unterrichten über

a) den vom Unternehmer bestimmten Gesamtpreis der Ware oder Dienstleistung einschließlich aller damit verbundenen Preisbestandteile, oder, wenn von ihm kein genauer Preis angegeben werden kann, seine Berechnungsgrundlage, die dem Verbraucher eine Überprüfung des Preises ermöglicht,

b) die gegebenenfalls anfallenden Liefer- oder Versandkosten und

c) die Mindestlaufzeit und eine automatische Verlängerung des Vertrags, wenn dieser eine dauernde oder regelmäßig wiederkehrende Leistung zum Inhalt hat, sowie

2. den Bestellvorgang so zu gestalten, dass der Verbraucher eine Bestellung erst abgeben kann, nachdem er bestätigt hat, den Hinweis gemäß Nummer 1 zur Kenntnis genommen zu haben.

Ein Vertrag, der nicht unter Beachtung der Nummern 1 und 2 geschlossen wird, ist nichtig."

Auch Internethandel ist elektronischer Geschäftsverkehr

Der Gesetzentwurf, der erkennbar auf die Abo-Fallen abzielt, greift auch erheblich in den allgemeinen Internethandel ein. Der klassische Internet-Shop, der Verkauf über eBay, Amazon oder andere Plattformen, ist ein "Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr". Das Gesetz würde somit für jeden Internethändler gelten, insbesondere solche, die einen eigenen Internet-Shop haben. Aus unserer Beratungspraxis ist uns eigentlich kein Fall bekannt, in dem bei einem klassischen Warenkauf über das Internet der Verbraucher nicht halbwegs vernünftig über den Preis der Ware sowie Liefer- und Versandkosten informiert wird. Alle bekannten Internet-Shop-Lösungen zeigen einen Endpreis einschließlich Versandkosten im Rahmen des Bestellablaufes an. Eine entsprechende Informationsverpflichtung über den Preis der Ware sowie Liefer- und Versandkosten gibt es bereits jetzt, und zwar gemäß § 312 c Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB sowie nicht zuletzt aus der Preisangabenverordnung.

Die jetzt angedachte Lösung hat eine zwingende Umprogrammierung von Internetshops zur Folge, da nach den neuen Anforderungen der Bestellvorgang so zu gestalten ist, dass der Verbraucher eine Bestellung erst abgeben kann, nachdem er - bezogen auf den Warenhandel im Internet - über den Preis und über die Liefer- und Versandkosten informiert wurde und er die Kenntnisnahme entsprechend bestätigt hat. Dies lässt sich letztlich nur durch einen Button mit einem entsprechenden Häkchen realisieren, ohne dessen Anwahl ein Bestellvorgang nicht weitergeführt werden kann.

Wird die neue Informationspflicht nicht ordnungsgemäß umgesetzt, ist der Vertrag null und nichtig.

Dass eine entsprechende fehlende Information mit Bestätigungsmöglichkeit im Weiteren wettbewerbswidrig wäre, versteht sich an dieser Stelle schon fast von selbst.

Gesetzgeber will Warenlieferung ausdrücklich mit einbeziehen

Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass der sachliche Anwendungsbereich ausdrücklich auch die Warenlieferung mit einbezieht. Hierbei ist sich der Gesetzgeber über die Kosten durchaus bewusst, heißt es doch im Gesetzentwurf:

"Um Waren- oder Dienstleistungsangebote im Internet zu präsentieren, werden Internetauftritte häufig nach den Vorgaben des Versandhändlers erstellt. Vielfach kommen jedoch auch vorgefertigte Shop-Systeme und Verkaufsplattformen zum Einsatz, die über alle wesentlichen Grundfunktionen verfügen und nur an die individuellen Bedürfnisse des jeweiligen Versandhändlers, der die Lizenz für ein solches System erworben hat, angepasst werden müssen.

Diese unterschiedlichen Gegebenheiten sind bei der Ermittlung, welcher Anpassungsaufwand für die einzelnen Online-Verkaufsplattformen durchschnittlich anzusetzen ist, zu berücksichtigen. Bei individuell erstellten Internetauftritten trägt jedes Versandhandelsunternehmen die Kosten für die erforderlichen Anpassungen seines Internetauftrittes. Shop-Systeme sind vom jeweiligen Anbieter nur einmalig anzupassen, die veränderte Funktionalität steht dann prinzipiell jedem der Nutzer dieses Shop-Systems zur Verfügung. Das einzelne Versandhandelsunternehmen wird hier nur mit den Kosten für ein Update (das heißt für eine aktualisierte und verbesserte Version) belastet, die gegenüber einer Individualprogrammierung in der Regel geringer ausfallen. Weil insbesondere kleinere Unternehmen auf vorgefertigte Shop-Systeme zugreifen, wird hier die Belastung des einzelnen Unternehmens bezogen auf seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit relativ gering ausfallen."

Dies wagen wir zu bezweifeln. Nach unserem Eindruck haben die wenigsten Internethändler ein Shop-System, das sich durch ein Update mal eben so auf die neue Rechtslage einrichten lässt.

Auch eine weitere Einschätzung zeigt, dass der Gesetzgeber wenig begriffen hat:

"Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass die Online-Shops der seriösen Anbieter schon heute vielfach so gestaltet sind, dass sie den Anforderungen des § 312 e Abs. 2 BGB-E weitgehend entsprechen. Der Bestellprozess ist häufig so aufgebaut, dass alle im Verlauf des Bestellvorgangs gesammelten Vertragsdaten am Ende noch einmal zusammengefasst präsentiert werden. Die Bestellung wird erst durch eine abschließende Bestätigung durch den Verbraucher ausgelöst. Es wird davon ausgegangen, dass jedenfalls 30 Prozent der im Online-Handel tätigen Unternehmen ihre Online-Shops nicht anpassen müssen, weil sie in ihrer Gestaltung und Funktionalität bereits den Vorgaben des § 312 e Abs. 2 BGB-E entspricht. Damit sind nur ca. 193.300 Unternehmen direkt von der erforderlichen Umstellung betroffen. Bei einem Teil dieser Unternehmen werden nur geringfügige Anpassungen notwendig werden."

Was treibt den Gesetzgeber?

Hier drängt sich uns der Eindruck auf, dass der Gesetzgeber entweder nie den Bestellablauf eines Internetshops durchlaufen hat oder seinen eigenen Gesetzentwurf nicht verstanden hat. Die Verpflichtung, dass der Verbraucher bestätigt (!), dass er einen Hinweis über den Gesamtpreis der Ware und die Liefer- und Versandkosten zur Kenntnis genommen hat, gibt es bisher in keinem einzigen Internet-Shop. Es gibt lediglich Informationen darüber, jedoch keine Bestätigung. Die allermeisten Shop-Systeme enthalten eine Übersicht über die bestellte Ware, den jeweiligen Preis, die Liefer- und Versandkosten sowie den Gesamtpreis. Diese Darstellung, verbunden mit dem üblichen Button, bspw. "Bestellung absenden" o. ä., hat nichts mit einer Bestätigung über Produkt und Versandkosten zu tun.

Konkrete Kostenschätzung des Gesetzgebers

Der Gesetzgeber nimmt einen "durchschnittlichen Anpassungsaufwand" von 200,00 Euro bis 250,00 Euro an. Bezogen auf die Gesamtzahl der im Online-Versandhandel tätigen Unternehmer, die tatsächlich Anpassungen vornehmen müssen, entstehen damit für die Online-Händler einmalig Bürokratiekosten zwischen 38, 7 und 48,3 Millionen Euro.

Wir bezweifeln diese Werte ganz erheblich. Nach unserer Einschätzung besteht bei allen Internetshops ein Handlungs- und Änderungsbedarf. Nicht umsonst heißt es in der Begründung zu § 312 e Abs. 2 S. 1 Nr. 2: "Der Unternehmer muss den Bestellvorgang auf seiner Webseite so gestalten, dass der Verbraucher zunächst durch eine gesonderte Handlung bestätigen muss, die geforderten Hinweise zur Kenntnis genommen zu haben. Erst dann soll der Verbraucher in einem zweiten Schritt durch eine zeitlich und funktional zu trennende weitere Handlung die eigentliche Bestellung abgeben. Der Bestellvorgang muss also schrittweise ablaufen und technisch so gestaltet sein, dass die zweite Handlungsoption erst zur Verfügung steht, nachdem der Verbraucher die erste wahrgenommen hat."

Eine entsprechende Gestaltung von Internet-Shops in dieser Art ist uns aktuell nicht bekannt. Es bleibt somit ein Geheimnis des Gesetzgebers, warum "nur" ca. 193.300 Unternehmen direkt von der erforderlichen Umstellung betroffen sind.

Folge bei Verstoß: Nichtigkeit des Vertrages

Wird der Bestellprozess den inhaltlichen Anforderungen nicht gerecht, so ist der Vertrag im Ganzen nichtig, der Unternehmer kann vom Verbraucher das Entgelt nicht verlangen. In der Gesetzesbegründung heißt es insofern: "Es sind allerdings Fälle denkbar, in denen der Verbraucher ein Interesse an der Erfüllung des Vertrages hat, z. B. bei Dauerschuldverhältnissen. Der Verbraucher ist dann nicht schutzlos, vielmehr wird in der Regel ein Anspruch auf Schadenersatz (§ 280 Abs. 1 i. V. m. § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB) bestehen. Weil der Unternehmer für die inhaltliche und funktionale Gestaltung seines Internetauftritts verantwortlich ist, hat er einen Verstoß ... regelmäßig zu vertreten."

Geplante Übergangsfrist

Das Gesetz soll am ersten Tag des 3. auf die Verkündung folgenden Kalendermonats in Kraft treten. Dies kommt letztlich einer Vorlaufzeit von drei Monaten gleich.

Unsere Einschätzung

Ob das Gesetz in dieser Form tatsächlich in Kraft treten wird, wissen wir nicht. Ebenfalls ist nicht bekannt, wie eilig es der Gesetzgeber hat. Wie bereits dargestellt, halten wir die Preisdarstellung beim Warenverkauf über das Internet für kein relevantes Problem. Dass einem Kunden eine Ware untergeschoben wird, bei der der Eindruck entsteht, sie sei kostenfrei, ist praktisch nicht der Fall. Die "Abo-Fallen-Industrie" hat somit dem gesamten Internethandel einen Bärendienst erwiesen, da ein sehr kleiner Teil von schadensträchtigen Unternehmen extreme Folgekosten in mehrstelliger Millionen-Euro-Höhe im Rahmen der Umstellung des Bestellvorganges in jedem Internetshop für den gesamten Internethandel zur Folge hat.

Wir können nur hoffen, dass entsprechende Verbände und Lobbyisten den Gesetzgeber auf die tatsächlichen Probleme und die Unangemessenheit dieses Gesetzvorschlages hinweisen. (oe)

Der Autor Johannes Richard ist Rechtsanwalt und unter anderem auf Internetrecht spezialisiert.

Kontakt:

Rechtsanwälte Langhoff, Dr. Schaarschmidt & Kollegen, Richard-Wagner-Straße 14, 18055 Rostock, Tel.: 0381 448998-0, Fax: 0381 448998-22, Internet: www.internetrecht-rostock.de