Rewe-Chef Caparros

"ProMarkt war unsere Schocktherapie"

14.10.2013 von Matthias Hell
In einem Zeitungsinterview spricht Rewe-Chef Alain Caparros über die fortlaufende Umsatzverschiebung ins Netz: Das Scheitern von ProMarkt sei für den Handelskonzern ein Weckruf gewesen. Nun will Caparros von jungen Startups lernen.
Nach dem Desaster mit ProMarkt gibt sich Rewe-Chef Alain Caparros nun lernbereit.
Foto: Rewe

Alain Caparros, 57 Jahre alt und nach einer klassischen Handelskarriere seit 2006 Vorstandsvorsitzender der Rewe Group, ist nicht unbedingt für sein Verständnis für den fortlaufenden Online-Trend bekannt: Unter seiner Führung wurde trotz Gegenwind im stationären Handel das Filialnetz von ProMarkt ausgebaut und mit der Myby.de-Übernahme 2009 bei der Elektronikkette ein teurer Multichannel-Kurs eingeschlagen. In diesem Sommer folgte nun das Eingeständnis des Scheiterns und wurden sämtliche ProMarkt-Standorte zum Verkauf ausgeschrieben. Caparros Begründung für den Niedergang des Elektronik-Retailers fiel demgegenüber recht eindimensional aus: ProMarkt habe die Konkurrenz aus dem Internet unterschätzt, erklärte der Manager im Frühjahr dem Bonner General-Anzeiger.

In einem Interview mit dem Kölner Stadtanzeiger äußert sich Caparros nun erstmals ausführlicher zur ProMarkt-Schließung und zur zukünftigen Online-Strategie von Rewe: „ProMarkt war eine Schocktherapie“, erklärt der Handels-Experte in dem Gespräch. Obwohl sich die Rewe Group um Anschluss an die Entwicklung im Handel bemüht habe, habe man letztlich den Online-Trend verpasst.

Daran, dass der E-Commerce heute ein wichtige Rolle im Einzelhandel spielt, hegt Caparros keinen Zweifel: „Die Städte verlieren an Attraktivität, der demographische Wandel ist eine Herausforderung, die Verkaufsfläche nimmt zu, die Bevölkerung ab.“ Währenddessen nehme das Internet für viele Konsumenten eine immer wichtigere Rolle ein und wandere das Schaufenster so gewissermaßen „ins Wohnzimmer“. Quer durch alle Bevölkerungssegmente werde heute online eingekauft, wobei Preisargumente nur noch einen Teil der Anziehungskraft des E-Commerce darstellten. „Wir merken, dass wir bestimmte Kunden mit klassischer Werbung nicht mehr so erreichen wie früher“, so Caparros. Ohne Digitalwerbung, etwa im Social Media-Bereich, könne heute kein flächendeckender Marketingeffekt mehr erzielt werden.

Samwer-Startups als Vorbild

Um die Mechanismen im E-Commerce besser zu verstehen, setzt der Rewe-Chef nun auf Investments bei aufstrebenden Online-Händlern. Dazu zählt unter anderem der von Rocket Internet – dem Startup-Inkubator der Samwer-Brüder – gestartete Einrichtungs-Onlineshop Home24, an dem sich Rewe im September im Rahmen einer Kapitalerhöhung beteiligt hat. „An Home24 haben wir uns nicht beteiligt, um Möbelhändler zu werden“, erklärt Caparros dazu in dem Interview, „wir wollen lernen, wie die Online-Jungs ticken.“ Mit kurzen Entscheidungswegen, hochmotivierten Mitarbeitern und einer kollaborativen Unternehmenskultur sei Rocket Internet für den stationären Handel eine gewaltige Herausforderung. Um ihre Zukunftschancen zu wahren, müssten sich traditionelle Händler wie Rewe intensiv mit der Online-Konkurrenz auseinandersetzen.

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Deshalb kündigt Caparros auch für die Zukunft weitere Beteiligungen an E-Commerce-Unternehmen an. Gleichzeitig dämpft der Spitzenmanager die Erwartungen an die Innovationsfähigkeit von Handelskonzernen wie Rewe: „ Aufnahmefähigkeit ist leider nicht unsere Stärke. Die meisten stationären Händler wissen alles, können alles und und haben – noch – den Anspruch unsterblich zu sein.“ Daher gebe es oft passiven Widerstand bei Mitarbeitern, die von den Anpassungen an den Online-Trend betroffen seien. Ab einem gewissen Alter sei zudem „die Festplatte voll“, so Caparros.

Rest-ProMärkte könnten Supermärkte werden

Mit dem Kapitel ProMarkt hat Rewe jedenfalls komplett abgeschlossen. So schließt Caparros auch beispielsweise einen Outlet-Verkauf von Restware per eBay, wie ihn Saturn und die Metro praktizieren, aus. ProMarkt-Filialen, für die sich kein Käufer finden lasse, würden geschlossen. Eine Option, die man prüfe, sei es allerdings, dort Supermärkte oder Temma-Filialen mit Bio-Lebensmitteln zu eröffnen. So würde es sich zum Beispiel anbieten, anstelle der ProMarkt-Filiale in den Kölner Opern-Passagen einen Rewe-Supermarkt sowie ein „Made by Rewe“-Bistro zu eröffnen. (mh)