Wettbewerb mit Online-Shops

So können PC-Händler überleben

28.01.2013 von Alexander Roth
Haben Laden- und Fachgeschäfte, die mit ITK-Produkten und PCs handeln, noch eine Zukunft? PC-Welt ging dieser Frage nach, fand überraschende Antworten und erklärt die aktuelle Situation für PC-Händler.

Haben die klassischen PC- und Handy-Shops in der Straße um die Ecke ausgedient? Und Sie, lieber Leser: Kaufen Sie Ihre Computer lieber im Ladengeschäft oder im Online-Shop? ChannelPartner-Schwesterpublikation PC-Welt befragte Experten und Fachhändler, wühlte sich durch Statistiken und Emotionen: In welcher Situation befindet sich aktuell der deutsche PC-Fachhandel?

Von Alexander Roth, PC-Welt

Ladengeschäfte vom Etailer

Microtrend-PC-Laden in Südlohn
Foto: Microtrend

In Bundesgebiet gibt es aktuell rund 37.000 Unternehmen, die mit Computer-Hardware und Softwarelizenzen handeln dürfen. Interessanterweise ist diese Zahl in den vergangenen Jahren gewachsen, nachdem sie zuvor jahrelang gesunken war. Diese Größenordnung ergibt sich übrigens vor allem aus den Angaben des Hause Microsoft: Wer in Deutschland mit IT handelt oder dazu berät, der ist mit hoher Wahrscheinlichkeit zugleich offizieller Vertriebspartner der Redmonder. Und die haben aktuell knapp registrierte 40.000 Vertriebspartner in Deutschland. Fragt man Microsoft nach dem Grund für das jüngste Wachstum, wird schnell klar, dass der stationäre PC-Fachhandel kaum der Verursacher ist. Vielmehr sprießen nach den Angaben des Herstellers heute allerorts App-Entwickler, Cloud-Consultants und Wirtschaftsberater mit sonstiger IT-Affinität aus dem Boden, während die klassischen PC-Ladengeschäfte aktuellen Schätzungen zufolge von ehemals über 10.000 Unternehmen auf wenige Tausend geschrumpft sind.

Online-Händler eröffnet Ladengeschäfte

Für manche mag das wenig überraschend klingen, boomt der Onlinehandel mit klassischer IT-Hardware doch seit Jahren. Wo soll da noch Platz für die Shops sein? Hier sei aber die Frage erlaubt: Warum betreibt dann der E-Tailer Notebooksbilliger zwei Ladengeschäfte in München und Heidelberg, zumal das Haus die Stores erst im Anschluss an seine Etailing-Erfolge eröffnet hat? (Als Etailer bezeichnet man einen Einzelhändler (also Retailer), der seine Produkte via Internet verkauft). Warum quetschen sich in den Apple-Stores in diesen Tagen die Menschen wie Sardinen in der Büchse? Salopp eingeworfen: Warum fühlt sich der Vater des Autors dieser Zeilen nur in einem PC-Ladengeschäft wohl und würde seine IT-Produkte niemals im Web bestellen, selbst wenn es dort ein paar Euro günstiger wäre?

Sinniert man kurz darüber, wird schnell klar: Es geht in der Frage, ob stationär oder nicht, mindestens um Emotionen, wenn nicht um deutlich mehr. Reicht dieses besondere Kauferlebnis, das der E-Tail/Online-Kauf offensichtlich aktuell noch nicht bieten kann aus, um die Zukunft des Fachhandels zu sichern?

PC-Welt fragt Arndt von Wedemeyer: Der Manager und Firmengründer macht sich in diesem Jahr mit seinem Brand Notebooksbilliger gerade daran, den Jahresumsatz von 500 Millionen Euro zu knacken.

Herr von Wedemeyer, welche Bedeutung hat für Notebookbilliger heute das stationäre Geschäft - in strategischer Hinsicht? Gegenüber der Presse äußerten Sie ja noch vor zweieinhalb Jahren, Ihr erster Münchner Store sei gewissermaßen ein Experiment.

Arndt von Wedemeyer: „Unsere Stores in Sarstedt (Hannover) sowie in der Innenstadt von München laufen fantastisch. Wir haben von Wedemeyerhier ein Konzept, das nicht beliebig schnell skalierbar ist. Wir setzen auf Flächen, die untypisch für den Einzelhandel sind, um unseren Kunden ein tolles, vom Angebot spezialisiertes und kompetentes Einkaufserlebnis bieten zu können. Und das zu unseren bekannt günstigen Online-Preisen.“

Planen Sie, weitere Stores zu eröffnen?

von Wedemeyer: „Wir haben in Deutschland sechs bis sieben Standorte identifiziert, an denen wir uns Stores vorstellen können. Es ist nur leider schwierig, geeignete Flächen zu finden. Wir müssen naturgemäß auch die Kosten im Griff haben, um unsere günstigen Preise realisieren zu können. Grundsätzlich stellen wir fest, dass sich Städte mit Store sowohl online wie auch offline überproportional entwickeln. Wir glauben mit unserem Konzept einen der höchsten Umsätze pro Quadratmeter in diesem Segment vorweisen zu können. Und genau das hilft uns, weiter attraktive Angebote für unsere Kunden zu platzieren.“

Beobachten Sie einen andere Art von Käufer im Store vor Ort? Wenn ja, wie unterscheidet sich der Käufertyp, gibt es vielleicht sogar Unterschiede in soziographischer Hinsicht im Vergleich zum Internet-Shopper? Man könnte an Senioren oder Personengruppen denken, die einen Rechner erst grob und persönlich erklärt haben wollen, bevor sie ihn sich kaufen.

von Wedemeyer:„Wir beobachten in unseren Stores, dass der Kauf von neuer Hardware einen Eventcharakter hat – es kommen häufig Freunde oder Pärchen gemeinsam in unsere Stores, um sich die unterschiedlichen, aktuellen Notebooks, Tablets oder Ultrabook-Modelle anzuschauen. Wahrscheinlich, weil unser Konzept eben so neu und einzigartig ist. Wo finden Sie sonst eine solche Auswahl und dazu noch gute Beratung? Und ja, es gibt tatsächlich auch Personengruppen, die online schwächer vertreten sind, wie z.B. Senioren, die sich gern bei uns persönlich beraten lassen.“

Gehen im Store vermehrt andere Produkte als Online über den Ladentisch? Z.B teurere Geräte, deren Preis mehr Erklärung Bedarf?

von Wedemeyer:„Insgesamt scheint auch die Bereitschaft vorhanden zu sein, nach einer Beratung ein höherwertiges Produkt zu kaufen. Natürlich ist dies aber nicht immer sinnvoll, sondern hängt vom Einsatzzweck des Produkts ab.“

Fazit:

Mit diesen Aussagen liefert von Wedemeyer Zündstoff für eine lebhafte Diskussion. Da der Firmenchef im Zusammenhang mit den Stores das Wort „fantastisch“ und – vielleicht bewusst - nicht das Wort „profitabel“ verlauten lässt (was er als Inhaber einer privat geführten Firma zwar auch nicht muss), lässt das dennoch für Spekulationen Raum. So betont der Manager, dass die potentiellen Kosten offensichtlich bislang noch zu hoch sind, um weitere Ladengeschäfte zu eröffnen. Ob die aktuellen Stores bereits profitabel sind, bleibt offen, dass sie dem Laden aber Imagegewinn und zusätzliche Käufergruppen bescherten, muss man dagegen kaum bezweifeln

On- oder offline kaufen?

Es gibt verschiedene Quellen und Erhebungen, die allesamt darauf hinweisen, dass es sich bei der Entscheidung, ob man seinen PC online kauft, in der Tat um eine Gretchenfrage handelt. Wenn es rein um den Handel mit IT geht, halten sich die Orte des Erwerbs (Laden-Geschäft vs. Online-Shop) die Waage. Das will die Allensbacher Computer- und Technikanalyse in einer Umfrage unter mehreren Tausend Konsumenten herausgefunden haben. Wenn es über die gesamte Linie ihrer digitalen Technik-Einkäufe geht, bevorzugen bei Mehrfachnennung zwar noch 80 Prozent Großmarktketten und rund 30 Prozent Fachhandelgeschäfte für den Erwerb, zugleich kommt aber auch das Web nicht zu kurz: 30 Prozent nutzen große Internethändler wie Amazon, 15 Prozent spezialisierte Online-Stores, 10 Prozent kaufen direkt beim Hersteller und 17 Prozent nutzen Auktionshäuser wie Ebay.

Laut dem Beratungshaus Roland Berger liegen im Unterhaltungselektroniksektor die stationären Shops (Fachhandel, Großmarktketten) im Vergleich zum E-Commerce allerdings immer noch deutlich vorne: Sie hielten 2010 rund 70 Prozent des Gesamtumsatzes des Markts, Tendenz allerdings fallend.

Interessant ist das wechselseitige Rechercheverhalten: 65 Prozent der Käufer von IT bevorzugen laut dem Statistikunternehmen Statista den Erwerb im Ladengeschäft, nachdem sie zuvor im Web Recherche betrieben haben, genau andersrum verhält es sich bei 62 Prozent (Mehrfachnennung möglich). Bezieht man auch noch das neue Phänomen mit ein, dass zunehmend in den Stores vor Ort per Smartphone recherchiert oder gar manchmal noch vor Ort gleich (woanders) eingekauft wird, ist schnell klar: Onlineshopping und stationäres Einkaufverhalten sind extrem miteinander verknüpft.

Negativ-Erfahrungen mit Webshops

Was bedeutet das für den Fachhändler? Wenn traditionelle PC-Fachhandelshäuser zu diesem Thema recherchieren, schlägt ihnen alleine im Netz eine unendliche Litanei an Empfehlungen entgegen. Der häufigste Tipp heißt „Multi-Channel-Vertrieb“ und meint einen verzahnten Vertrieb des Ladengeschäfts mit einem eigenen Onlineshop. Gerne wird an dieser Stelle auf Tipps wie „Verkaufen Sie Zubehör im ihrem Webstore“ oder „Ihre Kunden bestellen im Shop, holen sich die Geräte aber bei Ihnen im Laden ab“ verwiesen.

Man kann davon ausgehen, dass eine solche Zwei-Kanal-Strategie im ITK-Fachhandelsumfeld von den wenigsten traditionellen Häusern gefahren wird, aber immerhin: Es gibt zahlreiche Erfolgstories in diesem Umfeld, die von Notebooksbilliger und den Apple-Stores ist nur eine von vielen. Auch Microsoft eröffnet zunehmend eigene Shops, dazu kommt die Strategie vieler Hersteller wie HP eigene kleine Stores in Stores eröffnen zu wollen. Dagegen stehen aber Gegenbeispiele wie der aus vieler Sicht missglückte und zu späte Einstieg von Media Markt in das E-Business und die vielen Negativerfahrungen, die kleine Händler mit der Einführung eines eigenen Webshops gemacht haben beziehungsweise immer noch regelmäßig machen. Zum einen würden die Preise zu transparent, so klagen viele, man „verramsche“ sich, mache sich unmittelbar vergleichbar mit dem „Billigangebot im Web“, zum anderen – die Technik macht es möglich – kann ein Händler nun problemlos das gesamte Sortiment seiner Lieferanten im Web mitanbieten.

Wie PC-Welt in der Recherche erfuhr, konnten viele Häuser dieser Verlockung nicht widerstehen und mussten das teuer bezahlen: Kunden bestellten in solchen Fällen oft Produkte, von der Händler nicht einmal wussten, dass sie bei ihnen im Sortiment geführt sind, und so mussten sie sich mit den Folgen herumärgern. Zahlreiche Rückabwicklungen und Reparaturen von Produkten, welche die Händler selbst eigentlich niemals empfehlen würden, sind nur Beispiele. Ein anderes ist die teure Tatsache, dass sich der technische Aufwand und die logistische Instandhaltung von Webshops im Nachhinein oft als deutlich teurer herausstellten, als zu Beginn gedacht. Gehen wir also davon aus, ein PC-Händler möchte einfach nichts verzahnen oder im Web vertreiben. Hat er dann noch eine Chance zu überleben?

Frontalangriff von Amazon

Stationäre Shops haben schon seit längeren mit dem Problem zu kämpfen, dass sie direkt oder indirekt von Kunden mit dem meist günstigeren Preisen im Web konfrontiert werden und sich diesem Problem zu stellen haben. In den USA gipfelte dieser Konflikt in der Offensive von Amazon, Kunden mit Rabatten zu belohnen, die in Shops günstigere Preise für Produkte (auch Computer) fanden, als Amazon sie bot. Das Haus würde jeden belohnen, der einen solchen Preis entdecke, abfotografiere und einschicke, so die Kampagne.

Fachhändler haben natürlich nur wenige Möglichkeiten, sich hier zu wehren. Ihnen kommt zwar die Tatsache entgegen, dass neue virtuelle Bestellprozesse, die von IT-Großhändlern und anderen E-Commerce-Dienstleistern neuerdings angeboten werden, Einkaufspreise günstiger machen. Dazu kommen schnellere Lieferzeiten, welche die Kosten der eigenen Lagerhaltung drücken. Dennoch sind sie reinen Schnäppchenjägern oft machtlos ausgesetzt. Bisweilen bestellen Fachhändler selbst bei Amazon, um Kunden zu halten, wie manche immer wieder berichten.

Ein weiteres Dilemma kommt übrigens aus Redmond. Auch wenn es Microsoft genau das Gegenteil verspricht: Viele Fachhändler tun sich schwer, die neue Welt rund um Windows 8 an den Mann zu bringen. Sie sehen schlicht keinen Mehrwert, den Sie ihren Kunden, ob Firmen oder Privatanwendern, rund um das neue Betriebssystem und seinen Formfaktoren anpreisen können, zumal es an Apps und an spannender Hardware immer noch weit fehlt. Das „Microsoft Surface“ etwa, ehemals Hoffnungsträger für viele Fachhändler, hat seinen Weg immer noch nicht in die deutschen Stores gefunden und wird sowieso von vielen als zu teuer angesehen, um es wie geschnitten Brot zu verkaufen.

Doch komplett schwarz muss man deshalb noch lange nicht sehen: Es gibt kaum einen Branchenexperten, der den stationären Shops nicht eine reelle Chance im hartumkämpften IT-Markt zuspricht. Hardware-Margen spielen hier weniger eine Rolle als Dienstleistungen: Frank Roebers, der als Vorstandsvorsitzender die Geschicke des Franchisers PC-Spezialist verantwortet – der Fachhandelskette gehören im Bundesgebiet fast 100 Shops an - äußerte kürzlich der IDG-Fachhandelspublikation ChannelPartner gegenüber: „Den stationären ITK-Handel wird es noch sehr lange geben. Er wird sich allerdings weiter strukturell verändern. Wir müssen möglichst nah an die Online-Preise herankommen und das bieten, wo sich der E-Handel noch schwer tut: Service. Das Blech wird bei uns immer stärker als Trigger für Dienstleistungen.“ Auch Notebooksbilliger-Chef von Wedemeyer sagt: „Wer sich stärker auf Beratung und Service konzentriert, der wird auch neben dem Online-Handel eine Perspektive haben.“

Persönliche Beratung

Wir haben gelernt: PC-Fachhändler profitieren von der Tatsache, dass sie im Gegensatz zum Internethandel besser und persönlicher beraten können, dass viele Käufergruppen zudem ein Einkaufserlebnis in Shops haben wollen, wie das Pärchen auf Laptopsuche, von dem der Notebooksbilliger Chef berichtet, und dass generell einfach und ohne ersichtlichen Grund immer noch sehr viele Menschen den stationären Handel nutzen, wie die Statistiken zeigen. Warum auch nicht? Man hat hier Ansprechpartner und für diese Tatsachen allein mag man auch mal ein paar Euro mehr zahlen.

Doch warum schließen dann so viele Shops? Die Antwortet lautet kurz und knapp: Es liegt nicht zuletzt am fehlenden Marketing. Die Branche der ITK-Fachhändler ist in Deutschland traditionell eine, die viel weiß und leistet, und das oft für wenig Geld, aber zugleich auch eine, die sich schon immer nicht gut zu vermarkten wusste. PC Spezialist etwa kennt dieses Problem und versucht seit Jahren, mit zahlreichen Maßnahmen und Incentives an dieser Stelle zu schrauben, und die Fachhändler dazu zu bringen, ihren Point-Of-Sale attraktiver zu machen.

Man braucht nur in einen der vielen PC-Shops zu besuchen, die keinem Franchiser angehören (und selbst die in den Ketten sind nicht zwingend schick) und man merkt schnell, wo der Schuh drückt. Meist erwartet den Kunden ein fachlich extrem kompetenter und praktisch denkender Ladenchef in einem Geschäft, das einfach nicht ansprechend aussieht. Zudem kennen viele Menschen das PC-Fachgeschäft ihrer Umgebung nicht einmal, da diese einfach keine Werbung für sich machen. Sicherlich wären manche Menschen überrascht, wie günstig Ware in den Shops oft ist – und den persönlichen Service und wertvolle Tipps gibt es oben drauf. Kompetenz ist in der Branche vorhanden, doch an Wissen, diese an den Mann zu bringen, fehlt es noch zu oft. Viele Geschäfte versperren sich auch immer noch vor neuen Trends oder neuen Wegen der Selbstvermarktung.

Die gäbe es reichlich: Das könnte etwa ein kleiner zusätzlicher Google-optimierter hauseigener Onlineshop sein, der sich lediglich auf das eigene Sortiment beschränkt und eigene Serviceleistungen einbezieht, das könnten gezielte Flyeraktionen in der Umgebung sein, oder das könnte ein wöchentliches kostenloses Computerseminar sein, dass ein Geschäft für Senioren vor Ort abhält, und so potentielle neue Kunden in den Laden trägt. Doch an solchen Initiativen fehlt es an allen Ecken in der alteingesessenen Branche.

So ist es nicht verwunderlich, dass es derzeit zu einer natürlichen Auslese kommt. PC-Spezialist-Chef Roebers bringt es auf den Punkt: „Das Verschwinden einzelner stationärer Formate, das wir in Deutschland beobachten, ist meines Erachtens eher durch einen verschärften Wettbewerb der stationären Shops untereinander (als durch den E-Tail) zu erklären.“ (aro)