Stellenabbau

T-Systems steht vor einem massiven Umbau

20.03.2014 von Joachim Hackmann
Die Telekom-Tochter T-Systems baut in Deutschland fast jeden fünften Arbeitsplatz ab. Am Ende der Entwicklung soll ein neuer, auf aktuelle Themen ausgerichteter Provider stehen.

In den kommenden zwei Jahren wird die T-Systems 4900 Vollzeitstellen streichen. Eine entsprechende Nachricht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) bestätigte das Unternehmen gegenüber der COMUTERWOCHE. Demnach werden noch in diesem Jahr 2700 Stellen allein in Deutschland abgebaut, weitere 2200 folgen im kommenden Jahr. Damit ist von der angekündigten Restrukturierung fast jeder fünfte der derzeit rund 27.500 Arbeitsplätze betroffen. Dass Einschnitte beim Personal anstehen, war bekannt; ursprünglich galten sogar 6000 Arbeitsplätze als gefährdet. Mit den nun öffentlich gemachten Plänen fallen die Streichungen etwas geringer als befürchtet aus.

Foto: T-Systems

Stellenabbau im Ausland folgt

Das Unternehmen versicherte, einen sozialverträglichen Personalabbau anzustreben, etwa mit Vorruhestands- und Altersteilzeitangeboten. Zudem sollen sich betroffene Kollegen auf freie Stellen in anderen Bereichen des Konzerns bewerben. Außerdem bestünden gute Chancen auf Stellen im öffentlichen Dienst, betonte ein Sprecher gegenüber der FAZ.

Doch damit ist das Ende der Restrukturierungen keineswegs erreicht. Einschnitte stehen auch den rund 23.000 T-Systems-Mitarbeitern im Ausland bevor. Hier nannte das Unternehmen weder Zahlen noch Termine für die insgesamt 26 Auslandsniederlassungen.

Keine Aussicht auf Wachstum im Outsourcing

Die Stellenstreichungen sind Teil eines umfassenden Umbaus der Telekom-Tochter. Der IT-Dienstleister strebt eine komplette Neuausrichtung an und will dazu vor allem personalintensive Geschäftsbereiche ausdünnen und abstoßen. "Der vor uns liegende Umbau führt uns weg vom klassischen Outsourcing und hin zu neuen Märkten in der Digitalisierung", sagte T-Systems-CEO Reinhard Clemens anlässlich eines CeBIT-Pressegesprächs.

Reinhard Clemens, T-Systems: "Das ist ein massiver Umbau. Wir wollen unser Portfolio bereinigen, schneller werden und mit Partnern arbeiten."

Keinen Zweifel ließ er daran, dass das Auslagerungsgeschäft in seiner aktuellen Form nicht weiter zu betreiben sei. Hier müsse es zu Stellenstreichungen kommen, weil die Personalkosten zu hoch seien. Zudem sollenLeistungen in Niedriglohnländer in Osteuropa verlagert werden.

Im Outsourcing erwartet Clemens auch keine Wende zum Wachstum mehr. In einem bestenfalls stagnierenden Geschäft gehe es nun darum, den Unternehmensbereich profitabel aufzustellen. "Die Kunden wollen die bekannte Leistung zu indischen Preisen", steckte Clemens den Rahmen ab.

Ausbau des Partner-Netzwerkes

Ein weiterer wesentlicher Teil des bevorstehenden Umbaus ist eine engere Kooperation mit Partnern. T-Systems strebt in den klassischen IT-Service-Segmenten eine geringere Fertigungstiefe an und wird daher Leistungen an externen Dienstleister als Subunternehmer abtreten. Denkbar ist etwa, dass die dezentrale Betreuung von Kunden im personalintensiven Field Service an Partner übertragen wird. Bestätigt wurde das bis dato nicht. Allerdings gibt es Pläne zur Veräußerung von Unternehmensteilen. Laut Verdi steht beispielsweise der Verkauf der T-Systems-Tocher IDS GmbH mit rund 600 Mitarbeitern bevor.

"Das ist ein massiver Umbau", räumte Clemens ein. "Wir wollen unser Portfolio bereinigen, schneller werden und mit Partnern arbeiten."

Die neue Ausrichtung sieht die Konzentration auf Wachstumsfelder wie die anstehende Digitalisierung der Wirtschaft, Anwendungen im Machine-to Machine-Umfeld (M2M), Security und Big Data vor. Neue Services will man so gestalten, dass sie ohne manuelle Eingriffe standardisiert auch für kleine Kunden profitabel betrieben werden können.

Wachstum mit Cloud, Security und intelligenten Netzen

Im Einzelnen sieht die T-Systems-Strategie eine Konzentration auf folgende Segmente vor:

Foto: ra2 studio - Fotolia.com

Cloud-Services: Basis des Cloud-Geschäfts ist die in Deutschland beheimatete T-Systems-Infrastruktur. Im Wettbewerb mit den US-amerikanischen Providern setzt T-Systems auf den Standortvorteil und den Datenschutz nach deutschem Recht. Die Infrastruktur will das Unternehmen Partnern zum Betrieb ihrer SaaS- und Cloud-Produkte zur Verfügung stellen. Gespräche laufen laut Clemens mit Anbietern wie Oracle, SAP und Cisco. Mit Salesforce.com ist sich T-Systems bereits handelseinig. Deutsche Kunden beziehen die SaaS-CRM-Dienste von Salesforce künftig aus dem RZ der Telekom-Tochter.

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ICT-Security: Clemens kündigte ein deutsches Cyber Defense Center nach Vorbild des Verizon Cyber Intelligence Center in den USA an. In ihm sollen Daten über IT-Attacken gesammelt und analysiert werden. Der Zugang zu den Informationen steht Unternehmen und Behörden gegen Entgelt bereit. Für den Aufbau kann er auf den Rückhalt der Bundesregierung zählen, die eine solche Cyber-Zentrale gern in Deutschland hätte. Insgesamt will Clemens mit diversen Security-Diensten schneller als der Marktdurchschnitt wachsen. Dabei helfen sollen neue Produkte wie etwa die "Clean Pipe", die verschlüsselte "Cipher Cloud" sowie die sicheren Smartphones "Simco" für den High-end-Nutzer sowie "Cryptophone" vom Partner GSMK für den Low-end-Markt.

Foto: dtm Group

Intelligente Netze: In diesem Kernsegment der Telekom baut T-Systems Kapazitäten auf, um die wachsende Vernetzung durch das Internet der Dinge, M2M und Industrie 4.0 zu bewältigen. Zu den Hoffnungsträgern zählt etwa das Connected Car, wenngleich sich frühere hohe Erwartungen am vernetzen Auto bislang nicht eingestellt haben. Das soll sich ändern: T-Systems plant mit Einnahmen von 200 Millionen Euro pro Jahr im Automobilsektor, ebenso viel will man mit Netzdiensten im Gesundheitswesen verdienen. Erhebliches Entwicklungspotenzial sieht das Unternehmen zudem im Energiesektor, sobald die Wende hin zu erneuerbaren Quellen von Wirtschaft und Politik vollzogen ist. Summa summarum soll das Geschäft mit intelligenten Netzen rund eine Milliarde Euro Umsatz pro Jahr erzielen.

Foto: Tesco/YouTube

Emerging Innovations: An der Digitalisierung der Wirtschaft möchte T-Systems mitverdienen. Erste Projekte etwa mit dem Einzelhändler Rewe ("Mall2Go") zeigen, wohin die Reise gehen soll. Dazu kopiert T-Systems eine Idee der internationalen Handelskette Tesco, die riesige Plakatwände mit Einzelhandelswaren an U-Bahn-Stationen aufspannt. Kunden können dort Lebensmittel wie Milch, Brot und Butter mit ihrem Smartphone fotografieren, bestellen und nach Hause liefern lassen. Gleiches proben T-Systems und Rewe mit den Telekom-Mitarbeitern in Bonn. Darüber hinaus entwirft T-Systems für das gesamte M2M- beziehungsweise Industrie-4.0-Ökosystem eine neue Plattform. Hier können Drittanbieter ihre M2M-Diensten einklinken, um die Datenübertragungs- und Analyse-Kapazitäten der Telekom im Cloud-Modell zu nutzen.

Die Hälfte des Umsatzes erzielt ein Viertel der Beschäftigen

In zwei Jahren, wenn die Restrukturierung abgeschlossen ist, will T-Systemen in diesen neuen Geschäftsfeldern 50 Prozent der gesamten Einnahmen erzielen, heute sind es 15 Prozent. Im Zuge des Wandels werden in den neuen Segmenten Stellen aufgebaut, wenngleich die geplanten Streichungen in klassischen Geschäftsfelder damit nicht zu kompensieren sind. Denn während die Einnahmen künftig je hälftig von neuen und klassischen Geschäftsbereichen beigesteuert werden, sieht die vorgesehene Verteilung des Personals völlig anders aus: Im Outsourcing werden nach dem Umbau immer noch drei Viertel der Mitarbeiter beschäftigt sein, in den neuen, weniger personalintensiven Wachstumsfeldern dagegen nur ein Viertel der Belegschaft.

Gute Startaufstellung für das IaaS-Geschäft

"Das wichtigste Thema beim Umbau ist die Konzentration auf die Cloud", bewertet Christophe Châlons, Chief Analyst bei PAC, die Ankündigungen. "T-Systems positioniert sich als Cloud-Betreiber, -Integrator, -Orchestrator und -Broker." Die Neuausrichtung sei wichtig, um sich von margenschwachen und personalintensiven Services lösen zu können.

Christophe Châlons, PAC: "Die klassischen Telcos beherrschen die Themen Hosting und Billing sehr gut und sind daher prädestiniert für den Cloud-Betrieb."
Foto: PAC

In diesen Segmenten ist T-Systems in den vergangenen Jahren von gleich zwei Seiten unter Druck geraten. Zum einen drängen die indischen Provider mit ihren Offshore-Kapaziäten und aggressiven Preisen ins Outsourcing- und System-Integrationsgeschäft (S&I). Zwar hat T-Systems nach PAC-Beobachtungen bereits 40 Prozent der S&I-Leistungen in Offshore-Ländern verlagert. "Doch das ist angesichts der Konkurrenz durch indische Provider nicht genug", sagte Châlons. "Die Akzeptanz von Offshore-Leistungen hat in Deutschland enorm gewonnen."

Zum andere können lokale Provider und Systemhäuser die Field- und Support-Services günstiger betreiben, weil sie weniger Overhead-Kosten stemmen müssen. Auch hier hat T-Systems im Preiswettbewerb das Nachsehen.

Laut Erhebung von PAC ist T-Systems im weltweiten IaaS-Markt die Nummer vier.
Foto: PAC

Im Cloud-Geschäft sieht Châlons die T-Systems hingegen gut aufgestellt. Laut PAC-Markterhebung ist die Telekom-Tochter der weltweit viertgrößte IaaS-Anbieter (Infrastructure as a Service), hinter IBM, HP und Amazon. "Die klassischen Telcos beherrschen die Themen Hosting und Billing sehr gut und sind daher prädestiniert für den Cloud-Betrieb", betont der PAC-Experte. "Anders als Wettbewerber wie Orange, BT und Telefónica, die ihre IT-Leistungen in den vergangenen Jahren reduziert haben, hat die Telekom aber mit T-Systems nach wie Integrations-Know-how im Haus." Damit sei die Ausgangsposition im Wettbewerb um Kunden und Partner sehr gut, weil T-Systems Betrieb und Projektgeschäft aus einer Hand anbieten könne.

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Fehltritt mit Folgen – Manfred Balz tritt als erster Vorstand für Datenschutz, Recht und Compliance der Telekom sein Amt an.
Anja Feldmann:
Feldmann leitet seit 2006 den Lehrstuhl für „Intelligent Networks“ und „Management of Distributed Systems“ der Deutsche Telekom Laboratories, einem An-Institut der Technischen Universität Berlin. Sie erhält den Leibnitz-Preis für ihre Konzepte eines Internet 2.
2007:
Friedrichshafens Oberbürgermeister Josef Büchelmeier, Ferdinand Tempel, Leiter T-City Repräsentanz und Bereichvorstand Technik T-Home Friedrich Fuß freuen sich über die Auswahl von Friedrichshafen als T-City.
2006:
Nach Kai-Uwe Ricke soll der ehemalige T-Online-Manager René Obermann Ordnung in das Telekom-Geschäft bringen.
Am 1. Januar 2005 ...
startete die LKW-Maut, an deren Realisierung T-Systems maßgeblich beteiligt war.
Von 2002 bis 2006 ...
steuerte Kai-Uwe Ricke als Telekom-Vorstand die Geschicke des Unternehmens.
2000:
Der schicke Robert T-Online wirbt für den Börsengang des gleichnamigen Telekom-Ablegers. Für die Anleger am Ende eine Pleite. Insofern wäre ein Pleitegeier wohl das bessere Symbol gewesen.
1998:
Die Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation – heute Bundesnetzagentur – die in diesem Gebäude in der Bonner Tulpenallee residiert, nimmt ihre Arbeit auf und sollte der Telekom noch viel Ärger bereiten.
1996:
28,50-DM-Mann (so hoch war der Aktienpreis für Privatanleger) Ron Sommer zieht als CEO den ersten Börsengang der Telekom durch.
Tim Berners Lee:
Der Erfinder des World Wide Web, das ab Anfang der 90er seinen Siegeszug antrat und auch das Geschäft der Telekom mit DSL-Anschlüssen beflügelte.
Start des D1-Netzes 1992:
Dieser Chip machte es möglich, über D1 zu telefonieren
Erst 1966 ...
wurde die letzte Handvermittlungsstelle auf automatisierten Betrieb umgestellt. Das Fräulein vom Amt starb aus.
1965:
Telefonieren auch in die USA über den Satelliten Early Bird.
1961:
Für heutige Verhältnisse gigantisch mutete das erste Telefon für das A-Netz an, das 1958 startete.
1904 ...
installierte Quante in Berlin die erste Telefonzelle
1877 ...
funktionierte in Berlin das erste Telefon, hergestellt von Siemens.