Smart Home in der Distribution

Warten auf den Smart-Home-Durchbruch

20.08.2018 von Armin Weiler
Die auf Telekommunikation spezialisierten Distributoren engagieren sich besonders beim Thema Smart Home. Doch auch sie treten mittlerweile auf die Euphorie-Bremse.

Die Erwartungen in den Smart Home-Markt sind nach wie vor riesig. Vor allem die TK-Distributoren versprechen sich viel vom Geschäft mit den smarten Hausgenossen. Manch einer träumte schon von einem vergleichbaren Boom mit einer ähnlichen Marktdurchdringung wie bei Smartphones oder Tablets, doch dies ist bisher nicht eingetreten.

"Wir sehen Smart Home definitiv als eines der Themen mit großem Geschäftspotenzial für den Handel", Andrea Fiedler, Pressesprecherin bei Komsa.
Foto: Komsa

Dass der Durchbruch trotz steigender Verkaufszahlen auf sich warten lässt, darin sind sich die Telekommunikationsspezialisten unter den Grossisten einig. "Man kann von einem gewissen Grundrauschen sprechen, aber der Knoten ist noch nicht richtig geplatzt", konstatiert Richard Röder, Netzmanager Unit Telekom bei Herweck. Das Thema habe zwar inzwischen eine gewisse Präsenz, der stationäre Fachhandel agiere jedoch größtenteils zögerlich. "Fast alle sind inzwischen von der langfristigen Bedeutung überzeugt. Die Relevanz und auch die Absätze steigen. Vom schon länger erwarteten Durchbruch hin zu wirklich großen Stückzahlen ist man aber noch entfernt", bestätigt Christian Orthmann, Senior Business Development Manager bei Brodos.

So überwiegt bei den Distributoren die Hoffnung, dass nun endlich Schwung in das Smart Home-Business kommt. "Die lange Zeit des Wartens ist vorbei", hofft Thorsten Isensee, Produktmanager Smart Home bei Eno. Laut seinen Erfahrungen werden mittlerweile vermehrt smarte Komponenten und auch ganzheitliche Lösungen angefragt.

"Diejenigen profitieren, welche nicht aufgeben und die Weichen auf den Zukunftsmarkt gestellt haben", Thorsten Isensee, Produktmanager Smart Home bei Eno.
Foto: Eno

Auch bei Komsa gibt man sich optimistisch: "Wir sehen Smart Home definitiv als eines der Themen mit großem Geschäftspotenzial für den Handel in Zeiten, in denen reiner Hardware-Verkauf durch sinkende Margen nicht mehr ausreichend ist", erläutert Andrea Fiedler, Pressesprecherin beim Hartmannsdorfer TK-Distributor. Doch gerade dieses Geschäft sei nicht einfach und funktioniere anders als der Verkauf von Smartphones oder Tablets. "Von einfachen plug-and-play-Lösungen abgesehen ist Smart Home sehr beratungsintensiv und aktuell scheuen Endverbraucher noch den Invest", meint Fiedler.

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Verkäufer sind manchmal überfordert

Katja Förster, Kooperationsmanagerin bei der Fachhandelskooperation Aetka, berichtet aus der Praxis: "Bundesweit sind mehr als 200 unserer Aetka-Partner im Smart Home-Geschäft aktiv. Sie kämpfen im wahrsten Sinne des Wortes mit den Anfangsschmerzen, die die teilweise noch nicht ausgereiften Produkte und die verschiedenen Funkstandards mit sich bringen", erklärt sie.

"Die Zeit des Zögerns ist vorbei, um als Fachhändler von diesem Wachstumsbereich zu profitieren", Katja Förster, Kooperationsmanagerin bei Aetka.
Foto: Aetka

Einer der Gründe für die verhaltene Marktentwicklung sind fehlende Standards, geschlossene Plattformen und eingeschränkte oder fehlende Kompatibilität der Geräte. "Das ist sicherlich ein Show-Stopper", bestätigt Ansgar Wecks vom Smart Home-Produktmanagement bei Michael Telecom. Als weitere Gründe führt er die eingeschränkten Kenntnisse bei Endkunden, fehlende Integratoren und mangelnde Aufklärungsarbeit bei Fachhändlern an. Dabei werden seiner Ansicht nach diese Systemintegratoren, die Endkunden über Lösungen informieren, sie installieren und schließlich auch umfangreich konfigurieren, dringend benötigt. "Der ITK-Channel verfügt über genau die richtigen Kompetenzen, um diese Integratorenrolle einzunehmen", sagt Wecks. Somit habe der Channel auch die größten Chancen, vom wachsenden Smart Home-Markt zu profitieren.

Herweck-Manager Röder sieht aber noch Defizite im Handel: "Teilweise ist leichte Überforderung der Verkäufer festzustellen", meint er. Aufgrund fehlendem Know-how gebe es Hemmungen, Smart Home aktiv anzubieten und zu vermarkten.

"Man kann von einem gewissen Grundrauschen sprechen, aber der Knoten ist noch nicht richtig geplatzt", Richard Röder, Netzmanager Unit Telekom bei Herweck.
Foto: Herweck

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Die Distribution setzt auf Schulungsangebote

Was fehlende Standards oder die Entwicklung passender Produkte betrifft, sind die Einflussmöglichkeiten der TK-Distributoren begrenzt. Hier sind die Hersteller gefragt. Wo die Grossisten ansetzen können, sind Unterstützungsmaßnahmen für Fachhandelspartner. So haben die Distributoren durch die Bank ihr Trainingsangebot erweitert. Thorsten Isensee von Eno berichtet über "reges Interesse" an den Schulungsangeboten. "Speziell Praxisschulungen in unserer Smart Home-Show-Wohnung sind gefragt und wir erhalten durchweg positives Feedback für diese Dienstleistung". Auch Michael Telecom bietet bereits seit vier Jahren diverse Schulungen mit unterschiedlichen Stufen für den Fachhandel an. "Die Nachfrage nach solchen Schulungen ist ungebrochen hoch. Vor allem die Experten-Schulungen werden mittlerweile immer beliebter", erzählt Ansgar Wecks.

"Vom schon länger erwarteten Durchbruch hin zu wirklich großen Stückzahlen ist man noch entfernt", Christian Orthmann, Senior Business Development Manager bei Brodos.
Foto: Brodos

Bei Herweck wird in Kürze bereits zum dritten Mal der der "Herweck Smart Home Tag" veranstaltet. "Das Feedback auf die ersten beiden Veranstaltungen war sowohl von der Hersteller- und Anbieterseite, als auch von den Gästen durchweg positiv", berichtet Richard Röder. Für Komsa sind Schulungen aber nur ein Teil des gesamten Programms, mit dem man die Fachhändler unterstützen will. Dazu gehört auch ein ausgereiftes und umfangreiches Produktsortiment, damit Anwendungen individuell kombiniert und daraus sowohl einfache Einstiegslösungen als auch komplexe Smart Home-Systeme zusammengestellt werden können. "Für Fachhandelspartner, die sich erst einmal grundlegend informieren möchten, haben wir im Händlerportal www.karlo.de eine Smart Home-Themenwelt eingerichtet, mit Tipps zur Vermarktung, Tutorials und Informationen rund um das Schulungsangebot und die PoS-Unterstützung von Komsa", erläutert Andrea Fiedler.

Sprachassistenten werden Markttreiber

Auf die künftige Entwicklung angesprochen, äußern sich die Distributoren weiterhin verhalten optimistisch. "Die Zeit des Zögerns ist vorbei, um als Fachhändler von diesem Wachstumsbereich zu profitieren", glaubt Aetka-Managerin Katja Förster. "Wir rechnen damit, dass die Nachfrage weiter steigt und parallel dazu die Produkte ausgereifter werden", meint ihre Komsa-Kollegin Fiedler. Als Marktreiber sieht sie Sicherheit, Energieeffizienz und Komfort. So sieht sie auch saisonale Faktoren, die Ansatzpunkte für die Vermarktung durch den Fachhandel bieten: "In der Urlaubssaison beispielsweise gewinnt das Thema Einbruchsicherung an Bedeutung, ein guter Anlass, seinen Kunden entsprechende smarte Lösungen für Bewegungsmelder, Überwachungskameras, Alarmanlagen sowie Tür- und Fensterkontakte anzubieten. In der kalten Jahreszeit bieten sich wiederum Smart Home-Lösungen an, die Energieeffizienz und Komfort bringen", empfiehlt die Komsa-Mitarbeiterin.

So wird nach der Prognose von Herweck-Netzmanager Röder in den nächsten Jahren das Smart Home zunehmend in den Alltag integriert: "Ich erwarte keinen Boom, aber einen stetigen Anstieg des Smart Home-Geschäfts", meint er. Ähnlich realistisch sieht das auch Ansgar Wecks von Michael Telecom: "Es bleibt auch in den kommenden zwei Jahren schwierig. Der Smart Home-Markt wird sicherlich weiter wachsen, vielleicht auch stärker als in den vergangenen Jahren, vom Massenmarkt sind wir allerdings noch weit entfernt".

"Der Smart-Home-Markt wird sicherlich weiter wachsen, vom Massenmarkt sind wir allerdings noch weit entfernt", Ansgar Wecks, Smart Home Produktmanagement bei Michael Telecom.
Foto: Michael Telecom

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Bei Eno hingegen spricht man von "klarem Wachstum", das man aber nur bedingt beziffern könne, da die Definition von Smart Home "undurchsichtig" ist. "Durch die zunehmende Vernetzung der unterschiedlichsten Produkte, auch durch das IoT, wird das Netz immer enger gestrickt, woraus sich ein enormes Potenzial entwickeln wird. Alles wächst zu einem großen Markt zusammen und diejenigen profitieren, welche nicht aufgeben und die Weichen auf den Zukunftsmarkt gestellt haben", prophezeit Thorsten Isensee.

Einen Schub könnte der Markt auch durch eine steigende Akzeptanz von Sprachassistenten bekommen. "Im Moment ist der Einfluss noch überschaubar, aber stark zunehmend", bestätigt Brodos-Manager Orthmann. "Für viele ist der Sprachassistent der Einstieg in das smarte Zuhause", weiß Eno-Spezialist Isensee. Ansgar Wecks bezeichnet den Einfluss der Assistenten als "riesengroß" und verweist auf einen weiteren positiven Markteffekt: "Amazon, Google und Co. können die so wichtige Aufklärungsarbeit beim Endkunden leisten und somit den Weg in den Massenmarkt ebenen". So wird das Smart Home viel mehr in den Mittelpunkt bei der Endkundenwahrnehmung rücken.

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