Weihnachtsgeschäft 2002: Spätzünder mit Knalleffekt

09.01.2003
Einen späten, dann aber doch bravourösen Verlauf bescheinigten Distributoren, Handel und Verbände dem Weihnachtsgeschäft 2002. Im Corporate-Segment sorgten die Behörden zum Teil für positive Überraschungen.

Bis Mitte November sah es fast so aus, als sei der Weihnachtsmann dem IT-Handel im Jahr 2002 gar nicht hold gewesen. Doch dafür stapfte er danach mit umso praller gefüllten Säcken los. "Hätten wir Weihnachten doch nur um vier Wochen nach hinten verschieben können, dann hätte das dem Markt gut getan", befand Klaus Weinmann, Vorstandschef der Cancom IT Systeme AG. "Nach einigen Anlaufschwierigkeiten im vierten Quartal lief der Dezember über alle Erwartungen", bestätigte Gerhard Schulz, Geschäftsführer von Ingram Micro in Dornach bei München. "Besonders gut entwickelt sich der Absatz von Niedrigpreisigem wie Logitech-Produkten, Zubehör und mobilen Geräten außer PDAs sowie Entertainment, während der Verkauf von Digitalkameras eher durchschnittlich ist. Auch Projekte sind wieder im Anmarsch. So konnten wir nach dem Durchbrechen von Haushaltssperren rund um die Wahlen im September besonders im Behördenumfeld mehrere Millionenprojekte gewinnen", freut sich der Chef des größten deutschen Broadliners.

"Ein Jahresendgeschäft gab es nicht", konstatierte dagegen Reinhardt Weitz, Geschäftsführer der Systemhaus-Kooperation Compass Group. Zu sehr seien die Projektgeschäfte, die nach eigenen Aussagen 80 Prozent des Umsatzes der Gesellschafter ausmachen, durch Haushaltssperren der öffentlichen Auftraggeber verbunden mit der Diskussion um eine weitere finanzielle Belastung der Unternehmen beeinträchtigt.

DVD belebt den Heimkinomarkt

"Der Oktober lag zwar noch unter den Erwartungen, mittlerweile können wir uns aber überhaupt nicht beklagen", klopfte sich indes kurz vor Weihnachten COS-Distributionschef Roland Apelt auf die Schulter. "So dürfte es dieses Jahr weitergehen", meinte Deutschland-Vertriebs- und Marketing-Vorstand Anke Kugies. "Besonders gut liefen die Bereiche klassische Peripherie, Memory, Rotating-Produkte, Mobiles und Digitalkameras. E-Government war dagegen zwar keine Enttäuschung, hat aber nicht besonders stark angezogen", hält sie ihrem Kollegen Schulz von Ingram Micro in einigen Punkten entgegen. Was das Kaufverhalten angeht, sei klar erkennbar, dass die Leute viel preisbewusster sind und mehr auf die Anschaffungskosten achten als früher.

Verspätet, aber dafür umso stärker, rollte angesichts des anhaltenden DVD-Booms auch der Heimkinomarkt an. Die Gesellschaft für Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik (GfU) rechnete daher mit einem guten Weihnachtsgeschäft und geht davon aus, dass zwischen Mitte November und Mitte Januar mehr als drei Milliarden Euro in die Kassen des deutschen UE-Handels fließen werden, was über ein Drittel des Jahresumsatzes 2002 entspräche. Der Trend zum Heimkino und zur DVD be-stätigte sich auch für Frank Roe-bers, CEO der PC Spezialist Franchise AG aus Bielefeld: "DVDStand-alone-Player vor allem aus dem B-Brand-Lager verkaufen sich weiterhin ganz gut, ebenso Dolby-Surround-Systeme mit Creative als wichtigster Anbieter." Ferner stellt Roebers fest, dass im Dezember erstmals mehr TFT-Displays als CRTs über die Ladentische gingen. "Besonderen Wert legten die Kunden hierbei auf gutes Aussehen, wobei 15-Zöller noch immer den Löwenanteil ausmachen." Der Renner waren Roebers zufolge auch digitale Kameras um 300 Euro sowie - als Überraschung der Saison sozusagen - CD-Brenner, die mit 48-facher Geschwindigkeit als Ersatz für langsamere Vorgänger reißenden Absatz fanden.

Yakumo lässt Riesig vor Freude tanzen

Henning Siggelkow, Geschäftsführer von Adam Riesig, ist normalerweise ein sehr zurückhaltender Mann. Doch auf die Frage nach dem Weihnachtsgeschäft 2002 überschlug er sich fast vor Freude. "Das Geschäft lief sehr gut. Wir sind ja Generalvertreter der Marke Yakumo. Vor allem deren Digitalkameras gingen wie verrückt. Seit September haben wir jeden Monat 20.000 Geräte verkauft, je 50 Prozent an Vobis und an unsere Fachhändler. Es gibt sogar eine echte Knappheit. Wir hätten aufgrund der Nachfrage locker das Doppelte verkaufen können."

Aber auch mit dem Abschneiden der Yakumo-TFTs ist er äußerst zufrieden. Vor allem die 15-Zöller verkauften sich nach seiner Einschätzung überaus zufrieden stellend und machten Zweidrittel des Geschäftes aus, ein Drittel fiel auf die 17-Zoll-TFTs. Andreas Herrmann, Vertriebsleiter bei Krystaltech Lynx, kann den massiven Run auf Digitalkameras samt Zubehör wie Taschen und Speicher nur bestätigen. Positiv überrascht hat den Reutlinger Komponenten-Disti der Run auf DVD-Brenner. "DVD-RAM war in meinen Augen das Weihnachtsprodukt schlechthin," berichtet Herrmann. "Vor allem dank unserer guten Beziehungen zu Pioneer konnten wir die massive Nachfrage nach diesen Produkten jederzeit befriedigen. Sie haben uns über Wasser gehalten, da sie entgegen der Regel relativ preisstabil sind."

Kampferprobte leben länger

Der rasante Preisverfall hat im vergangenen Jahr wohl nicht nur Krystaltech schwer zu schaffen gemacht. "Wir haben zwar den Umsatz auf dem Level von 2001 halten können. Da jedoch die Margen im Zuge der Preisreduzierungen um rund 20 Prozent gefallen sind, konnten wir das nur durch eine entsprechende Steigerung der Stückzahlen auffangen."

Neben den DVD-Playern für den PC zeigten sich im Weihnachtsgeschäft aber auch MP3-Player und Notebooks von ihrer besten Seite. "Wir beliefern nicht nur Fachhändler sondern auch große Retail-Märkte. Hier hat sich gezeigt, dass allein die Präsenz in den Regalen ausreicht, dass das Geschäft gut läuft. Da sind fast keine Marketingaktivitäten nötig. Anders sieht es da schon in Online-Shops aus", berichtet Herrmann. "Wir sind bei allen wichtigen großen Online-Shops vertreten, aber hier haben wir nur einen Bruchteil unseres Geschäftes gemacht."

Viel Freude hingegen bot im vierten Quartal das Geschäft mit Servern. "Das Server-Geschäft schlug regelrecht Funken", freut sich Herrmann.

Während das Retail-Geschäft extrem schwankte - an einzelnen Tagen gar nichts lief und am nächs-ten Tag plötzlich sehr viel - bewiesen die Business-Kunden laut Herrmann eine anhaltende Zurückhaltung. Nur durch besonders hohen Aufwand wird man seiner Meinung nach den Markt wieder "entstocken". Viele werden es wohl nicht schaffen. Er glaubt, dass es 2003 noch viele Pleiten geben wird. "Man muss wieder mehr kämpfen, und das haben wir 2002 gelernt."

Auch Ingram-Micro-Manager Schulz geht für die ersten Monate des neuen Jahres nur von einem moderaten Wachstum aus. Compass-Chef Weitz sieht im Marketing indes einen Paradigmenwechsel weg vom "make and sell" hin zum "sense and response" voraus. Da in den nächsten Monaten keine bahnbrechenden Innovationen zu erwarten sind und der PC-Markt weit gehend gesättigt ist, heiße das, dass die Vertriebsarbeit anspruchsvoller werde sowie die Kundenwünsche und den Kundennutzen berücksichtigen müsse. Insgesamt blickt Weitz optimis-tisch ins neue Jahr, räumt aber ein: "Es wird kein leichtes Jahr. Wir werden uns die Umsätze hart erarbeiten müssen und gleichzeitig mit - aus anderen Branchen entliehenen - neuen Vertriebsansätzen die Struktur- und Marketingkrise in der IT-Branche bewältigen."

www.ingrammicro.de

www.cancom.de

www.computercompass.de

www.cosag.de

www.pcspezialist.de

www.gfu.de; www.adamriesig.de

www.krystaltech.de

ComputerPartner-Meinung:

Schön! Will man den Pro-tagonisten der IT-Szene glauben, lief das Weihnachtsgeschäft 2002 doch besser als erwartet. Von einer Markterholung zu sprechen, wäre sicherlich verfrüht. Es ist aber als Zeichen für einen guten Start ins neue Jahr zu werten. Man kann nur hoffen, dass der positive Effekt, der von einigen Produktgruppen ausgeht, auf die gesamte Branche ausstrahlt und bis zum endgültigen Aufschwung noch lange nachwirkt. (kh/go)