Folgen der Mehrwertsteuersenkung für Managed Service Provider

Wie das Bürokratiemonster besiegt werden kann

Kommentar  von Benjamin Mund
Die kurzfristige Senkung der Mehrwertsteuer brachte für Fachhändler, Systemhäuser und Managed Service Provider große Herausforderung mit – doch es gibt erste Lösungsansätze aus dem Dilemma.
Die am 1. Juli 2020 in Kraft tretende Senkung des Mehrwertsteuersatzes bereitet vielen Managed Service Providern Kopfzerbrechen.
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Die am 1. Juli 2020 in Kraft getretene Senkung der Umsatzsteuer stößt bei weitem nicht nur auf Begeisterung. Einerseits wird die Maßnahme zwar für finanzielle Entlastung der Verbraucher und Unternehmenskunden sorgen, und die Wirtschaft nach den durch die Covid-19-Pandemei verschuldeten Umsatzeinbrüchen wieder ankurbeln, andererseits bereitet die Reduzierung der Mehrwertsteuer viele im B2B-Bereich tätigen Unternehmen viele Sorgen.

Rechnungen korrigieren, Kundenzufriedenheit erhöhen

Im Rahmen des Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets hat die Bundesregierung Absenkung des Umsatzsteuersatzes in der zweiten Jahreshälfte beschlossen: Der reguläre Mehrwertsteuerbeitrag sinkt von 19 auf 16 Prozent, den ermäßigten Satz fällt von sieben auf fünf Prozent.

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Ziel dieser zeitlich befristeten Steuersenkung ist es, Verbraucher finanziell zu entlasten und die Wirtschaft nach den Umsatzeinbrüchen während der Corona-Pandemie wieder anzukurbeln. Was auf den ersten Blick nach einer willkommenen Maßnahme klingt, sorgt jedoch auch für Klärungsbedarf - insbesondere im B2B-Geschäft hält sich die Begeisterung stark in Grenzen.

Denn im Business-Bereich bringt die Reduktion als "durchlaufender Posten" keine Vorteile, sondern im Gegenteil, nur zusätzlichen Aufwand. Speziell die Buchhaltung der Managed Service Provider in der IT-Branche, die mit im Voraus bezahlten Abonnements arbeiten, stehen vor einem Berg bürokratischer Arbeit, sollten die derzeit geplanten Maßnahmen nicht rechtzeitig vor dem Inkrafttreten abgemildert werden.

Zwar ist die Maßnahme zeitlich aufs zweite Halbjahr 2020 begrenzt, betroffen sind allerdings nicht nur Rechnungen, die in diesem Zeitraum gestellt werden. Es reicht also, entgegen einer ersten oberflächlichen Betrachtung, nicht, den Umsatzsteuersatz "einfach" zum 1. Juli 2020 auf 16 Prozent einzustellen und im Januar 2021 dann wieder zu 19 Prozent zurückzukehren.

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Wäre die Angelegenheit denn mit der Anpassung des Erlöskontos für die Verbuchung bei der Steuerkanzlei nicht schon erledigt? Bei Anbietern von Laufzeitverträgen ist das alles andere als einfach realisierbar, weil auch Zeiträume vor und nach der Umstellung von der Änderung des Mehrwertsteuersatzes betroffen sind.

Komplexe Rechnungsstellung für B2B-Kunden

Im B2B-Bereich gilt die Steuersenkung nach derzeit bekanntem Stand auch für Rechnungen aus der Vergangenheit, die nun rückwirkend korrigiert werden müssten. Viele IT-Firmen im B2B-Umfeld bieten Software- oder Datenbanklösungen als Abonnements beziehungsweise Laufzeitverträge an, die vom Großteil der Kunden jährlich im Voraus bezahlt werden. Grund dafür ist unter anderem, dass im B2B- und insbesondere im SaaS-Umfeld (Software as a Servce) Rabatt-Modelle üblich sind, bei welchen sich der Preis reduziert, je länger Laufzeit und Abrechnungsperiode sind.

Sollte es keine erleichternde Übergangsregelung geben, wären im Zuge der Steuersenkung sämtliche Jahresrechnungen, die seit August 2019 gestellt wurden, nachträglich falsch, da für die Umsatzsteuer der Leistungszeitraum maßgeblich ist - also zum Beispiel elf Monate mit die mit 19 und ein Monat, der mit 16 Prozent abgerechnet werden muss. In der Folge müssten unzählige rückwirkende Anpassungen durchgeführt werden.

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Und die Rechnungsstellung bei jährlicher Abrechnung wird ab Juli 2020 ebenfalls deutlich komplizierter: Verschiedene Positionen mit unterschiedlichen Artikeln müssen angegeben werden, damit in der Buchhaltung die jeweiligen Erlöskonten angesteuert werden können. Diese werden dann für die entsprechenden Zeiträume mit 16 und 19 Prozent verbucht, damit die Umsatzsteuervoranmeldung korrekt erstellt werden kann. Auch hierfür ist bisher keine Sonderregelung absehbar - und die Zeit drängt: Ohne Verlängerungsantrag ist die Umsatzsteuer bis zum 10. des Folgemonats anzumelden - ganz abgesehen von der Unsicherheit, ob die Maßnahme nicht auch noch 2021 verlängert wird - denn dann ginge alles noch einmal von vorne los.

Das Bürokratiechaos droht

Falls keine begleitende Vereinfachungsvorschriften verabschiedet werden, müssten B2B-Unternehmen theoretisch alle alten Jahresrechnungen der letzten Monate korrigieren und würden damit sowohl sich selbst und ihren Kunden, als auch den Steuerbehörden erheblichen Aufwand bescheren.

Denn nach §14c Satz 1 UStG sind zwar Firmen dazu verpflichtet, die überhöht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in voller Höhe abzuführen. B2B-Kunden haben aber theoretisch nicht das Recht, die überhöhte Umsatzsteuer als Vorsteuer in Abzug zu bringen und müssten daher auf eine geänderte Rechnung bestehen, selbst wenn diese im Jahr 2019 bereits komplett inklusive Vorsteuer abgewickelt wurde.

Umsatzsteuervoranmeldung vereinfachen

Eine Möglichkeit, die komplexe Situation zu erleichtern, wäre, mit Bezug auf §14c bei der Umsetzung des Vorhabens klarzustellen, dass auch für Empfänger von zu hoch gestellten Rechnungen Rechtssicherheit bezüglich der Umsatzsteuervoranmeldung besteht - zumindest für bereits bezahlte Rechnungen. Dann könnten B2B-Firmen ihre Kunden entsprechend informieren, dass es bei 19 Prozent bleibt und nur im Bedarfsfall auf Anfrage eine Korrekturrechnung ausgestellt wird - zum Beispiel für noch nicht bezahlte Rechnungen.

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Auch der ITK-Brancheverband Bitkom fordert mehr Klarheit bei der Steuersenkung. Pragmatische Wege müssen gefunden werden, um rechtliche Hürden kurzfristig zu beseitigen. Bei Anbietern von Managed Services greifen die von Bitkom genannten Forderungen jedoch immer noch zu kurz. Hier ist die Umsatzsteuer zwar nur ein durchlaufender Posten, Leistungszeiträume müssen aber zur Einhaltung der Maßnahmen zum jetzigen Stand korrekt abgegrenzt werden.

Eine angemessene Vereinfachung müsste zumindest dergestalt erfolgen, dass Vorauszahlungen auf B2B-Abonnements mit dem Steuersatz in Rechnung gestellt werden, der zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung gilt. Also für alle Rechnungen bis Mitte 2020 mit 19 Prozent, für alle Rechnungen in der zweiten Jahreshälfte 2020 mit 16 Prozent Umsatzsteuer - unabhängig davon, ob der Leistungszeitraum nur teilweise in den Steuersenkungszeitraum fällt.

Die radikale Vereinfachung aus Europa übernehmen

Die im innereuropäischen grenzüberschreitenden Handel geltenden Vereinfachungen hingegen wären auch für die nur in Deutschland agierenden Anbieter deutlich angenehmer: Anbieter aus Europa mit Kunden aus Deutschland sind nämlich nicht von der Umstellung betroffen. Im innereuropäischen Handel gilt hier schon lange eine erhebliche Erleichterung: Das Reverse-Charge-Verfahren befreit Unternehmen in Europa von der Pflicht, bei grenzüberschreitendem Handel Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen.

Doch mit den aktuell geltenden Regelungen dreht sich das Umsatzsteuerkarussell stetig weiter: Das europäische System des Vorsteuerabzugs zu staatenweise unterschiedlichen Sätzen steht schon lange dafür in der Kritik, von illegalen Machenschaften organisierter Krimineller ausgenutzt und der Fiskus dadurch regelmäßig um Milliarden geprellt zu werden. Neben dem Abbau von Bürokratie würde ein generelles Reverse Charge-Verfahren also auch bestehende Schlupflöcher schließen und dem Missbrauch entgegenwirken.