Reseller-Pleiten

Fluch und Segen von Amazon, eBay und Co.

29.10.2009 von Armin Weiler
E-Commerce-Plattformen sind für Händler eine bequeme Alternative für das Online-Geschäft. Doch der Schuss kann auch nach hinten losgehen.
e-Commerce-Plattformen erreichen einen großen Kundenkreis - sind aber nicht ohne Risiko für Fachhändler.

Andreas R. (Name auf Wunsch des Betroffenen von der Redaktion geändert) steht vor dem Ruin. Angefangen haben die Probleme des Fachhändlers, der sein Geschäftsmodell fast ausschließlich auf Verkäufe über das E-Commerce-Portal von Amazon ausgerichtet hatte, mit der verzögerten Zahlung des Portalbetreibers. Damit setzte sich eine Kette von Ereignissen in Gang, die auch ein Romanautor nicht besser hätte beschreiben können: Das Geschäftskonto geriet ins Minus, daraufhin hagelte es eine Rücklastschrift bei einem Zulieferer, die Kreditlinie wurde gekürzt.

Andreas R. geriet in weitere Lieferschwierigkeiten, weil er sich nach anderen Lieferanten für bereits zugesagte Produkte umsehen musste. Nun setzte es schlechte Kundenbewertungen. Amazon reagierte und behielt weitere, zur Auszahlung bereitstehende Beträge zur Sicherheit ein. So ging es im Ranking weiter bergab. Kontaktversuche mit Amazon verliefen laut R. unbefriedigend. Rund 100.000 Euro Investitionen in ein Amazon-freundliches Warenwirtschafssystem sind dahin, fünf Angestellte stehen vor der Entlassung.

Bei Amazon gibt man sich in diesem konkreten Fall zugeknöpft: "Wir haben mit dem Anbieter erneut Kontakt aufgenommen und werden die auf dieses Konto bezogenen Fragen mit dem Verkäufer direkt klären", erklärt Amazon-Sprecherin Christine Höger auf Anfrage von ChannelPartner. Man könne aus "Datenschutzgründen" keine Details mitteilen. Den Vorwurf der schlechten Erreichbarkeit der Verantwortlichen will sie jedoch nicht gelten lassen: "Grundsätzlich sind wir für unsere Verkäufer telefonisch Montag bis Freitag zwischen 9 und 17 Uhr erreichbar und per E-Mail rund um die Uhr."

Und weiter: "Verkäufern über die Amazon-Plattform stehen verschiedene Tools zur Verfügung, mit denen sie sicherstellen können, dass ihre Performance im zulässigen Rahmen liegt", erläutert die Amazon-Mitarbeiterin. Händler sollten dies regelmäßig überprüfen und so sichergehen, dass sie die Teilnahmebedingungen des Programms erfüllen, rät sie. "Ist dies der Fall, so kann ein Händler selbstverständlich mit Amazon als ausschließlichem Partner hervorragend zusammenarbeiten", meint Höger.

Mittlerweile hat Amazon das Konto von Andreas R. komplett dichtgemacht. Wie es mit ihm und seinen Mitarbeitern weitergeht, steht in den Sternen.

Auch eBay macht Probleme

Es gibt auch ein Leben nach eBay: MacXperts macht unter neuer Leitung weiter.

Ähnlicher Fall - andere Plattform: Seit Mai 2006 verkaufte macXperts Apple-Produkte über eBay, mit wachsendem Erfolg. Bis Mitte vorigen Jahres generierte Geschäftsführer Markus Schall mehr als 100.000 Euro Umsatz pro Monat über die Auktionsplattform. Schall überwies dafür 2008 über 36.000 Euro Gebühren an eBay.

Eine Erfolgsgeschichte, könnte man meinen. Durch Lieferengpässe verschlechterten sich aber die Bewertungen des Mac-Händlers. Ende Januar wurde dann sein gesamtes eBay-Konto eingeschränkt, mit Auswirkungen auf die Sichtbarkeit der Angebote. Das führte bei Schall zu einem Umsatzeinbruch im Februar um 50 Prozent. Ende April wurde dann das gesamte Konto für 30 Tage gesperrt, alle laufenden Angebote wurden entfernt - und das "bei einer Kundenzufriedenheit von 98,9 Prozent", wie Schall versichert. Die Sperrung sei aufgrund dreier neutraler und einer negativen Bewertung erfolgt. Der Umsatz brach weiter ein, und Schall musste seine sieben Angestellten entlassen. Mittlerweile hat der Händler Insolvenz angemeldet.

Schall kritisiert neben der restriktiven Vorgehensweise auch die mangelhaften Möglichkeiten der Kommunikation mit den Verantwortlichen. "Man kommt an die Leute nicht heran", klagt er. Nach seinen Erfahrungen würde er eBay heute "nicht mal mehr mit der Kneifzange anfassen". Allerdings räumt er ein, dass er manches unterschätzt hat. "Die Lieferfähigkeit muss immer gewährleistet sein, sonst ist das Risiko viel zu hoch", lautet seine Erkenntnis.

Keine Wettbewerbsvorteile für Regelbrecher

Florian Freyer, Geschäftsführer des Fachhandelsunternehmens Freyer & Ploch aus Markt Schwaben, hat langjährige Erfahrung im Umgang mit E-Commerce-Portalen. So verkauft Freyer & Ploch beispielsweise sehr erfolgreich über Amazon. "Das ist eine gute Sache", befindet der Händler. Freyer findet es berechtigt, dass die Portalbetreiber gegen Verstöße vorgehen, die den Mitbewerbern unzulässige Wettbewerbsvorteile verschaffen. Er habe damit keine Probleme. "Es erfordert aber auch das entsprechende Know-how, denn die Portale bieten ein relativ starres System, bei dem man die Spielregeln genau beachten muss", weiß Freyer. Sonst könne es schnell passieren, dass das Konto dichtgemacht wird.

Meinung des Redakteurs

Ohne Netz und doppelten Boden", das verspricht einen spektakulären Artistenauftritt. Trotzdem - das Risiko ist kalkuliert und Unfälle sind selten. Die Artisten wissen, was sie tun. Würden sie so agieren, wie mancher IT-Händler mit E-Commerce-Plattformen wie Amazon oder eBay handelt, fielen sie im günstigen Fall ordentlich auf die Schnauze oder brächen sich im ungünstigen Fall das Genick.

Immer wieder erreichen uns in der Redaktion Klagen von Händlern, die ihr Geschäftsmodell zu sehr auf diese Plattformen ausgerichtet haben und jetzt vor dem Aus stehen. Das Geschäftsmodell ist absolut auf Kante genäht: Die Ware auf Pump gekauft, man unterhält selten ein eigenes Lager und verlässt sich zu sehr auf die Lieferfähigkeit von Herstellern und Distributoren. Verfehlt man dann - verschuldet oder unverschuldet - das Trapezseil, ist der Absturz unausweichlich.

E-Commerce-Plattformen erreichen einen großen Kundenkreis, den ein kleiner Fachhändler kaum selbst aufbauen kann. Sie generieren immensen Umsatz, sodass selbst bei geringer Marge noch ordentlich was abfällt. Außerdem werden potenzielle Kunden auch auf den eigenen Shop gelockt. Diese Vorteile und erste Erfolge machen aber manch einen blind. Die Portale haben ihre eigenen Gesetze, und wer damit in Konflikt gerät, und sei es nur durch eine Handvoll schlechte Kundenbewertungen, ist schnell abgeschrieben. Für Amazon, eBay und Co. kein Problem - es stehen genug neue Händler in den Startblöcken. Gut, wenn man dann ein Netz oder einen doppelten Boden eingebaut hat.

Armin Weiler (awe)

Lesen sie dazu auch ein Interview mit Yatego-Geschäftsführer Stephan Peltzer.