Tech-Data-Chef Dressen zur Boni-Regelung

"Mutige Entscheidung von HP"

23.10.2012
Die HP Enterprise Group hat in den vergangenen zwölf Monaten stufenweise die Bonus-Systeme geändert, und so die Margen für reine Kistenschieber unter den Resellern gekappt. Tech-Data-Chef Michael Dressen erläutert, wie sich diese Änderungen auf das HP-Geschäft ausgewirkt haben.
Michael Dressen, Regional Managing Director für Deutschland und Österreich
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Die HP Enterprise Group (ehemals ESSN - Enterprise Server, Storage, Networking and Technology Services Group) hat in den vergangenen zwölf Monaten stufenweise das Bonus-System für die Distribution geändert, und auf diese Weise die Margen für reine Kistenschieber unter den Resellern gekappt. Anfang 2012 war die Umstellung abgeschlossen. (ChannelPartner berichtete)
Ziel der von Ulrich Seibold, Channelchef des Enterprise Business bei HP Deutschland, forcierten Maßnahmen war es, SMB-Partnern wieder eine reele Chance zu bieten, auch im Enterprise-Bereich wieder Projekte zu gewinnen. Denn in der Vergangenheit erhielten hier fast nur die großen Spezialized Partner den Zuschlag der Endkunden, weil sie die Systeme aufgrund der bisherigen Boni-Regelungen zu weitaus günstigeren Preisen anbieten konnten.
Die Änderung der Boni-Modelle sollte Distributoren außerdem dazu motivieren, neue SMB-Partner zu gewinnen und die Reseller zu befähigen, das gesamte HP Enterprise-Portfolio zu verkaufen.

CP: Wie hat sich die Umstellung der Boni-Regelungen durch HP Enterprise Group ausgewirkt?

Michael Dressen: Wir haben im Februar sofort die Konsequenzen daraus gezogen und die Preisgestaltung verändert.

CP: Inwiefern?

Dressen: Mit dem bisherigen Boni-Modell von HP konnte die Distribution kein Geld mehr verdienen, weil sich keine Front-End-Marge mehr realisieren ließ. Und um die Backend-Boni zu erhalten, waren wir darauf angewiesen, die Sell-In-Ziele zu schaffen. Das bedeutete, dass wir die Systeme sogar noch mit Minus-Marge verkaufen mussten, um rückwirkend die Sell-In-Boni zu erhalten. Dieser Druck besteht jetzt nicht mehr. Entsprechend konnten wir unser Preismodell im Februar so umstellen, dass sich seitdem auch echte Front-End-Margen realisieren lassen.

CP: Welche Folgen hatte das für das Geschäft mit den Specialized Partnern?

Dressen: Wir haben einige dieser Specialized Partner verloren. Das hat uns zwar Umsatzeinbußen eingetragen, die wir aber sehr gut verkraftet haben, denn an diesem Umsatz haben wir in der Vergangenheit nichts verdient. Es gibt Kollegen in der Distribution, die anderer Meinung sind und es offenbar für sinnvoll halten, Umsatz zu machen, an dem man nichts verdienen kann. Dieser Meinung war ich noch nie.

CP: Es heißt, dass Händler sich bei Tech Data beschweren mit der Aussage: "Der Herr Dressen hat bei uns die Preise erhöht". Diese Beschwerden gab es teilweise auch schon, als Sie noch bei Also tätig waren…

Dressen: Ich kümmere mich sicherlich nicht um jeden einzelnen Preis…

CP: Aber offensichtlich ist es das Image, das Ihnen in Teilen des Channels anhaftet…

Dressen: Ich habe schon in der Vergangenheit immer wieder gesagt, dass die gesamte Supply Chain Geld verdienen muss. Und viele Hersteller verdienen Geld, ebenso wie die meisten Systemhäuser. Es ist nicht einzusehen, weshalb die Distribution, die zwischen beiden steht, kein Geld verdienen soll. Und ich erhebe keinen Anspruch auf eine Umsatzrendite in der Höhe, wie sie große Systemhäuser, erfolgreiche E-Tailer oder Hersteller erzielen. Aber wir müssen Geld verdienen, denn andernfalls können wir unser Geschäft nicht betreiben.

CP: Es gibt auch Modelle, bei denen mit bestimmten Kunden kein Geld verdient wird, mit anderen Kunden aber schon, so dass sich das Ganze am Ende wieder ausgleicht …

Dressen: Diese Logik teile ich nicht. Für mich ist jeder Kunde wertvoll, unabhängig davon, ob er mit uns 50 Millionen oder 50.000 Euro umsetzt. Denn jeder Kunde hat den Anspruch auf einen entsprechenden Service, unabhängig vom Umsatz. Deshalb möchte ich mit beiden Kunden Geld verdienen. Da bin ich sehr digital, das heißt: Wenn ich mit dem Kunden, mit dem ich 50.000 Euro Umsatz mache, kein Geld verdiene, dann erhöhe ich die Preise, und das gilt auch für den Kunden, mit dem wir 50 Millionen Euro Umsatz machen.

CP: Dann kauft er möglicherweise nicht mehr bei Ihnen.

Dressen: Wenn mir das ein Kunde in einer solchen Diskussion sagt, dann antworte ich ganz klar: "Sie können mir keinen größeren Gefallen tun, denn wir verdienen mit Ihnen kein Geld." Meist erzielen diese Kunden hohe Renditen, weil sie für ihre Endkunden sehr gute Arbeit leisten. Davor habe ich großen Respekt. Aber ich betone nochmals: Es kann nicht sein, dass wir als wichtiger Teil der Supply Chain mit diesen Kunden kein Geld verdienen. Und bei einigen Herstellern führte ein struktureller Fehler im Boni-Modell zu dieser Situation.
Die HP Enterprise Group hat diesen Fehler korrigiert und damit der Distribution die Chance gegeben, diesen Fehler auch für sich selbst zu korrigieren. Ich würde mich natürlich freuen, wenn auch die Kollegen begreifen, dass dies eine Chance ist, die Margen zu erhöhen. Diese Chance haben wir, im Gegensatz zu unseren Mitbewerbern, genutzt und auf diese Weise die Margen stabilisiert. Bei unseren größten Mitbewerbern dagegen brach die Marge vom ersten auf das zweite Quartal deutlich ein.

CP: Durch die Umstellung des Boni-Modells wollte HP Enterprise vor allem SMB-Partnern, die bislang mit den Preisen der Specialized Partner systembedingt nicht mithalten konnten, wieder eine reelle Chance bei Projekten ermöglichen, und die Distribution bei der Entwicklung und Ausbildung dieser Partner stärker in die Pflicht nehmen. Inwiefern ist das gelungen bzw. nicht gelungen?

Dressen: Wir sind im Non-Specialized-Umfeld gut unterwegs und haben hier auch neues Geschäft entwickelt. Bei mittelständischen und kleineren Partnern muss aber auch erst einmal wieder Vertrauen geschaffen werden, das braucht Zeit. Denn diese Händler wurden schließlich jahrelang bei ihren Endkunden damit konfrontiert, dass ein anderer Partner alles günstiger bietet. Aber für Distributoren wie Hersteller gilt gleichermaßen: Wenn man am Ende 90 Prozent des Business nur noch mit 20 Partnern macht, dann bedeutet das eine große Abhängigkeit.
In der Regel will doch jeder eine gewisse Breite erreichen, um auch einmal entscheiden zu können, die Zusammenarbeit mit dem einen oder anderen Partner zu reduzieren. Denn auf Dauer lässt sich für keinen das Geschäft nur unter Grenzkosten und Grenznutzen betrachten, das müssen Ausnahmefälle bleiben, andernfalls landet man irgendwann im Minus. Und die Konsequenz daraus ist dann, dass man die Margen erhöhen muss. Und da die Aktionäre in solchen Situationen meistens erwarten, dass das schnell geschieht, wird dann in der Regel Personal abgebaut. Also Actebis hat in Deutschland seit 2010 über 300 Mitarbeiter abgebaut. Und das ist nicht nur für die direkt Betroffenen bedauerlich, sondern auch für die Kunden, weil der Service-Level nicht im bisherigen Maße aufrechtzuerhalten ist.

CP: Wie konsequent hat Ihrer Erfahrung nach die HP Enterprise Group die Umstellung der Bonifizierung durchgezogen?

Dressen: Sehr konsequent. Ich habe auch auf europäischer Ebene dazu mehrere Gespräche geführt und meines Erachtens hat HP wirklich erkannt, dass das der richtige Weg ist. Sicherlich erlebt HP momentan keine leichte Zeit - speziell im Server-Umfeld war der Markt in den vergangenen zwölf Monaten nicht einfach. HP hat eine mutige Entscheidung getroffen, und das finde ich sehr gut.

CP: Hat Tech Data im HP-Enterprise-Bereich angesichts dieser Maßnahmen und infolge der HP-internen Umbauten mehr Umsatz verloren als der Markt insgesamt?

Dressen: Im Bereich der HP Enterprise-Lösungen: Ja. Aber wir konnten das alles mehr als kompensieren über eine höhere Rendite. Insgesamt haben wir in zwei Bereichen Umsätze reduziert: Einmal bei den Specialized Dealern, bei denen wir unsere Preisvorstellungen nicht durchsetzen konnten, und auch im Retail sind wir deutlich auf die Bremse getreten.
Letzteres ist für mich ein Dejà vu, denn bei Also hatten wir das Geschäft im Retail ebenfalls stark zurückgefahren, weil hier kein Geld mehr zu verdienen war. Wir waren bei diesen Maßnahmen immer der Vorreiter, irgendwann zogen dann die anderen nach. Beide Maßnahmen haben dazu beigetragen, unsere Profitabilität insgesamt erheblich zu verbessern. Durch den Ausbau in anderen Feldern - beispielsweise im SMB-Umfeld, in dem wir in den vergangenen Jahren deutlich zugelegt haben - konnten wir obendrein unseren Umsatz sogar noch steigern.

CP: Wie sieht das in Deutschland aus?

Dressen: Wir verzeichnen in Deutschland ein zweistelliges Umsatzwachstum und haben unsere Margen deutlich verbessert. Insofern sind wir aktuell sehr entspannt. Es ist eine Chance für die gesamte Branche. Es geht darum, den Service-Level für unsere Hersteller- und Vertriebspartner zu erhalten, und es geht nicht darum, riesige Gewinne einzufahren, das kann jeder unserer Bilanz entnehmen. Unsere operative Marge vor Steuern in Europa beträgt etwa 1 bis 1,5 Prozent - das liegt deutlich unter den Gewinnen, die Hersteller oder gut wirtschaftende Systemhäuser im Schnitt einfahren. Und wenn wir unseren bisherigen Gewinn nicht erreichen, können wir den Service-Level für unsere Partner nicht erbringen.

CP: Sie hatten auf dem Vendor Summit angedeutet, im Bereich Retourenmanagement den Partnern ähnliche Dienste anzubieten wie beispielsweise Amazon.

Dressen: Auf dem Tech Data Forum werden wir neue Rückgabemöglichkeiten ankündigen. Was wir bereits realisiert haben, ist eine Art Sofort-Payment-Tool. Bislang war das bei uns schwierig: Partner konnten per Vorauskasse bezahlen, was für sie sehr aufwändig und umständlich war. Seit Juni garantiert der neue Bezahlservice mit "Sofortüberweisung.de" den direkten Versand verfügbarer Ware, sofort nach Generierung der Online-Zahlungsbestätigung. Damit entfällt die Notwendigkeit der Vorauskasse.

CP: Und diese Services könnten die Abwanderung der Reseller zu Amazon bremsen?

Dressen: Viele kleinere Händler haben sich bei Amazon eine weitere Einkaufsquelle erschlossen. Unserer Erfahrung nach aus zwei Gründen: zum einen, weil es für sie hier einfachere Bezahlmöglichkeiten gibt, denn viele kleine Händler haben kein ausreichendes Kreditlimit, und dieses zu erhöhen ist sehr aufwändig. Mit Sofortüberweisung.de haben wir jetzt für dieses Anliegen eine Option geschaffen. Zum anderen ermöglicht Amazon die Rückgabe der Produkte unabhängig davon, ob die Produkte benutzt wurden oder nicht - entsprechend des Fernabsatzgesetzes. Hier hatte die Distribution bisher keine Lösung. Auf unserem Forum werden wir aber eine solche Lösung präsentieren.

CP: Sie gehen also wie die GfK davon aus, dass es nicht die günstigeren Preise sind, weshalb Reseller zunehmend bei E-Tailern kaufen?

Dressen: Natürlich kann es immer mal sein, dass Amazon einzelne Produkte zu besseren Preisen als die Distribution anbietet. Aber das ist nicht das ausschlaggebende Motiv für Reseller, dort einzukaufen. Vor allem läuft der Partner auch immer Gefahr, dass der Endkunde dieses Produkt dann bei Amazon ebenfalls entdeckt und dort direkt bezieht. Das Motiv ist der höhere Service-Level, den Amazon dem Partner bietet. Das sollte der Distribution zu denken geben. Und das bringt mich wieder zum Einstiegsthema unseres Gesprächs: Die Distribution muss das Geld verdienen, um einen solchen Service-Level anbieten zu können.

CP: Welchen Anteil hat das Retail-Geschäft bei Tech Data in Deutschland am Gesamtumsatz, und welcher Anteil entfällt auf das SMB-Geschäft?

Dressen: Wir machen heute mehr Umsatz im SMB-Bereich als im Retail - über alle Produktsparten hinweg. Das ist eine enorme Leistung, finde ich.

CP: Tech Data wird auf dem Forum eine Cloud-Aggregationsplattform vorstellen. Welche Hersteller werden an Bord sein?

Dressen: Wir wollen auf dem Forum die TD Cloud Lösung vorstellen, werden sie aber erst im Frühjahr 2013 hierzulande einführen. Insofern kann ich dazu noch keine Details nennen.

CP: Die Einstufung der Partner in den Programmen der Hersteller ist generell immer noch sehr stark gekoppelt an die Produktumsätze, die der Partner erwirtschaftet. Gleichzeitig wollen diese Hersteller Partner für den Vertrieb ihrer Cloud-Lösungen gewinnen, obwohl damit zwangsweise ein Rückgang der Produktumsätze verbunden ist. Insofern widersprechen die Partnerprogramme den Zielen, die die Hersteller mit ihren Cloud-Lösungen verbinden. Wie sehen Sie die Lage?

Dressen: Ich denke, dass die Cloud-Thematik insgesamt maßlos überschätzt wird - dahingehend, welche Erlösquellen und Services am Ende innerhalb eines bestimmten Zeitraums angeboten werden können. Das ist in unserer Industrie häufig so: Es gibt neue Entwicklungen, und alle behaupten, damit lasse sich richtig viel Geld sparen und das wird sich sofort durchsetzen.
Dem gegenüber aber steht natürlich, dass in allen Unternehmen bereits Infrastrukturen stehen. Und keiner wirft diese Infrastruktur einfach weg, weil es mit der Cloud billiger wird - ebenso wenig, wie man sein Auto wegschmeißt, nur weil das neue Modell weniger Benzin verbraucht. Denn die Investition in das neue Modell lohnt sich nur, wenn sich die alte Investition schon bezahlt gemacht hat. Also werden die bestehenden Infrastrukturen so lange genutzt, bis sich diese amortisiert hat. Das ist doch auch der Grund, weshalb 50 Prozent der Unternehmen noch immer XP einsetzen - es funktioniert, und weshalb sollten sie umrüsten?

CP: Und trotzdem investieren Sie mit der TD Cloud Lösung in dieses Geschäft…

Dressen: Der Prozess, in die Cloud zu gehen, wird viel länger dauern, als anfangs angenommen. Und welche Bereiche tatsächlich in die Cloud ausgelagert werden, ist eine zweite Diskussion. Das Problem der Hersteller: Einige haben gigantische Investitionen in die Cloud getätigt, beispielsweise in die Rechenzentren, und jetzt nutzt es kaum jemand. Das wird dazu führen, dass diese Lösungen zu einem vollkommen ruinösen Preis angeboten werden, weil alle ihre gigantischen Rechenzentrums-Kapazitäten auslasten müssen. Dort, wo die Cloud sehr schnell zum Zug kam - im Consumer-Umfeld - ist das eine andere Geschichte, denn im Consumer Bereich werden die verschiedenen Cloud Services bereits kräftig genutzt.

(rb)