Managed Services 2020

Kulturwandel im Anmarsch

17.08.2020 von Ronald Wiltscheck
ChannelPartner sprach mit einigen Systemhaus-Vertetern über die "Managed Services 2020".
Systemhäuser diskutieren im Vorfeld des C.m.C.-Kongresses 2020
Gruppenbild
Im Bild von links nach rechts: Susanne Köppler (IDG), Kai Kapitän (Kai Kapitän IoT & AI GmbH), Thomas Neumeier (Neumeier AG), Andreas Kunzmann (United Systems), Jakob Rinkewitz (Vintin), Carsten Grunert (Axians Deutschland), Regina Böckle und Ronald Wiltscheck (beide ChannelPartner).
Andreas Kunzmann, United Systems
"Viele Vertriebler bei den Systemhäusern verlieren den Fokus auf die eigentlichen Bedürfnisse der User beim Kunden."
Carsten Grunert. Axians Deutschland
"Viele Systemhäuser halten an dem alten Geschäftsmodell 'Geld gegen Leistung' fest."
Jakob Rinkewitz, Vintin
"Das Ganze als Lösung und nicht als Service vermarkten!"
Kai Kapitän, Kai Kapitän IoT & AI
"Kleinere Systemhäuser müssen sich zwangsläufig spezialisieren."
Thomas Neumeier, Neumeier AG
„Je näher ich am Bestandskunden bin, umso eher erfahre ich, wenn ein Wettbewerber ihn angesprochen hat.“
Regina Böckle, ChannelPartner
"Sind Managed Services wirklich noch so unterentwickelt?"
Damaris Döttling, IDG
"Wie werden Systemhäuser in Zukunft ihr Auskommen finden?"
Susanne Köppler, IDG
"Gibt es für kleinere Systemhäuser Alternativen zur Spezialisierung auf eine Branche?"
Ronald Wiltscheck, ChannelPartner
"Ist Cloud-Vertrieb ohne Systemhäuser möglich?"

Was bewegt aktuell die Systemhäuser in Deutschland? Sind Managed Services wirklich das Nonplusultra, oder bleibt das klassische Projektgeschäft ein wichtiger Bestandteil des Geschäftsmodells? Oder sind gar Managed Services bereits Commodity und Systemhäuser müssen sich hier über Zusatz-Services differenzieren? Um diese und weitere Themen ging es bei einem redaktionellen Roundtable der ChannelPartner-Redaktion mit einigen Vertretern kleiner, mittelständischer und großer, unterschiedlich ausgerichteter Systemhäuser.

Cloud-Vertrieb ohne Systemhäuser?

Es galt zu erfahren, welche Aspekte auf dem C.m.C.-Kongress am 20. Februar 2020 in München genauer beleuchtet werden sollten.
Als Microsoft vor etwa zehn Jahren mit der Vermarktung von Office 365 begann, glaubte man in Redmond, beim Verkauf dieses und weiterer Cloud-Angebote (Azure & Co.) auf die Hilfe externer Vertriebspartner gänzlich verzichten zu können - eine fundamentale Fehleinschätzung. Nun haben auch AWS und Google diese Erfahrung gemacht - beide Cloud-Giganten bauen derzeit ihre Channels massiv aus.

Lesetipp: Ex-Cancom-Chef Klaus Weinmann auf dem C.m.C.-Kongress

Kai Kapitän, Geschäftsführer der Kai Kapitän IoT & AI GmbH, setzt sich bereits seit Jahren für die Belange der kleineren Systemhäuser ein und versucht, sie auf dem Weg der Transformation zum Managed Service Provider zu begleiten. Bereits 1994 hatte er sein erstes Systemhaus gegründet - schon damals war er von den Möglichkeiten der Spracherkennung fasziniert. Für ihn sind Managed Services ein Synonym für das Lösungsgeschäft.

Und Kapitän kennt das Microsoft-Ökosystem sehr genau: "Vor zehn Jahren versuchte Microsoft, das gesamte Office 365-Geschäft direkt abzuwickeln - Kunde zückt die Kreditkarte und bucht alles selbst im Portal ein. Nachdem das dem Konzern nicht gelungen war, übernahmen IT-Reseller diese Aufgabe. Mittlerweile ist der Office 365-Markt gesättigt, es kommen keine neuen Vertriebspartner mehr hinzu." In seinem Captains365-Club vertritt Kapitän die Interessen der von Microsoft nicht mehr direkt unterstützten ("unmanaged") kleineren Office-365-Partner.

Carsten Grunert, Axians Deutschland: "Google, AWS und Azure sind austauschbar."

Carsten Grunert verantwortet seit Februar 2019 die Region Bayern bei Axians: „Wir waren bereits zwei Mal hintereinander unter den drei besten deutsche MSPs (Managed Service Provider) gelistet. Daher befinden wir uns de facto in einem ständigen Transformationsprozess vom Systemhaus zum MSP. In unserem Kern steckt nämlich noch viel klassisches Systemhausgeschäft (die alte FuM - Fritz und Macziol, Anm. d. Red.). Insofern kann ich schon sehr gut beurteilen, welche Schwierigkeiten die klassischen Systemhäuser haben“.

Viele dieser Häuser halten seiner Ansicht nach noch am alten Geschäftsmodell "Geld gegen Leistung" fest, weil sie dabei nach wie vor ansehnliche Margen erwirtschaften, etwa beim Verkauf von Hard- und Software. "Aber diese Margen gehen nun kontinuierlich zurück", so der Axians-Manager. Doch wie können kleine Systemhäuser diesem Trend trotzen?

"Einerseits mit Spezialisierung", meint Grunert. Er glaubt aber, dass nur die drei Besten in jeder Branche oder Fachbereich ihr Auskommen damit finden und deswegen schon bald viele Systemhäuser vom Markt verschwinden werden. Größeren Systemhäusern empfiehlt der Axians-Bayern-Chef, voll auf Managed Services zu setzen.

Er entdeckt Wellenbewegungen in der IT-Landschaft während der vergangenen 50 Jahre: Erst das Mainframe (zentral), dann die Client-Server-Welt (dezentral), nun das Internet mit der Cloud (wieder zentral) und Edge-Computing im Kommen (wieder dezentral). Grunert ist allerdings besorgt wegen der schlechten Netzwerkinfrastruktur (5G und Glasfaser) in Deutschland. Nichtsdestotrotz zeigt sich der Axians-Manager zuversichtlich, was die Zukunftsaussichten der Systemhäuser in Deutschland betrifft, jedoch empfiehlt er ihnen, eng miteinander zusammenzuarbeiten, denn "alleine schafft das keiner".

Thomas Neumeier, Chef des gleichnamigen SAP-Systemhauses und Datev-Partners aus Mallersdorf bei Regensburg, ist überzeugt, dass IT-Dienstleister ihren Kunden Cloud-Services auf jeden Fall anbieten müssen. Die Neumeier AG eröffnete bereits vor zwölf Jahren ein eigenes Rechenzentrum: "Das war unser Einstieg in die Cloud, so lange bieten wir unseren Kunden Managed Services bereits an. Und heute bin ich froh, dass wir so frühzeitig von Datev in dieses Geschäft gedrängt wurden", so Neumeier. Denn seiner Ansicht nach ist es für ein Systemhaus weitaus besser, mehrere, gerne auch kleinere, Managed Service-Kunden unter Vertrag zu haben und mit ihnen wiederkehrende, gut planbare Erlöse zu erzielen, als stets auf das eine große Projekt zu hoffen.

Und da hat Neumeier natürlich Recht: Zwar kann sicherlich nicht jedes Systemhaus selbst ein Data Center aufbauen, aber Managed Services anzubieten, steht im Prinzip jedem IT-Dienstleister offen. "Vieles lässt sich heute bereits als Managed Service anbieten: die Firewall, die Antiviren-Lösung oder auch der gesamten PC-Arbeitsplatz", so Neumeier. "Die Berechnung der Roherträge der Vertriebsmitarbeiter und vor allem die kleinteilige Abrechnung gegenüber den Kunden stellt eine große Herausforderung dar. Ich bin froh, dass wir das softwareseitig mittlerweile gut gelöst haben."

"Mehr miteinander statt gegeneinander arbeiten"

Andreas Kunzmann (United Systems), ist seit 1987 in der IT-Branche tätig und bereits vor 30 Jahren gleich in ein Systemhaus eingestiegen, wo er sich ab 1993 im Preiskampf gegen die großen Player behaupten musste: "Da haben wir uns als IT-Dienstleister aufgestellt und Services wie Installation bezahlen lassen." 1999 wurde sein Systemhaus von Bull übernommen, danach wurde Kunzmann Geschäftsführer bei Maxdata "Dort habe ich die Erfahrung gemacht, dass es kleineren Systemhäusern an Consulting-Konzepten und -Kompetenzen mangelt. Und genau diese Lücken haben wir mit unseren Services bei Maxdata aufgefüllt."

Seit April 2019 agiert Kunzmann als CEO beim mittelständischen Systemhaus United Systems. "Das ist eine höchst spannende Aufgabe. Ich habe bisher noch kein Unternehmen erlebt, das mit so wenigen Mitarbeitern - bei United Systems sind es gerade mal 35 - so prozessorientiert arbeitet. Hier werden Managed Services bereits seit 20 Jahren vorgelebt. Dieses Konzept, dieses digitale Know-how, würden wir gern anderen Systemhäusern, etwa den von Herrn Kapitän betreuten, zur Verfügung stellen - in einem Franchisesystem". Mit dieser Maßnahmen möchte Kunzmann dem gegenwärtigen Systemhaussterben entgegenwirken, denn viele Systemhausbetreiber kommen nun ins Rentenalter, die Übergabe an die nachfolgende Generation ist oft nicht möglich, und so werden viele der kleinen Systemhäuser von den großen wie Bechtle aufgekauft.

Andreas Kunzmann, United Systems: "Nirgendwo anders in der Welt gibt es eine derartige Vielfalt an kleinen, mittelständischen und großen Systemhäusern wie in Deutschland."

"Wir sollten mehr miteinander statt gegeneinander arbeiten", appelliert Kunzmann. Seiner Meinung nach ist aktuell das "Netzwerken" angesagt, um eben gegen Größen wie NTT, Dimension Data & Co zu bestehen. "Nirgendwo anders in der Welt gibt es eine derartige Vielfalt an kleinen, mittelständischen und großen Systemhäusern wie in Deutschland", analysiert der United Systems-Manager.

Jakob Rinkewitz, seit fünf Jahren bei Vintin, kann nicht mit so viel Erfahrung wie Kunzmann aufwarten, er ist ja erst 1987 geboren, aber mit neuen Management-Methoden ist er bestens vertraut. Neben der Marketingleitung bei Vintin hat er noch die Rolle des Digital Transformation Strategen bei der Vintin-Ausgründung "Wolkenmacher" eingenommen. Dort sollen neue Wertschöpfungsmodelle für die Mutter gefunden werden, zum Beispiel Managed Services und neue digitale Lösungen. "Meine Aufgabe ist es, Märkte und Zielgruppen zu beobachten, um zu eruieren, wie wir auf die dort stattfindenden Änderungen reagieren können."

Seine Definition der Managed Services geht weiter, als bei typischen Systemhäusern üblich: "Wenn ich Managed Services nur aus dem rein operationalen Blickwinkel betrachte, dann habe ich im Prinzip nichts Neues geschaffen. Ich ersetze Projekte durch fortlaufende Services, aber Menschen muss ich für beides abstellen. Das skaliert nicht und hat keine Zukunft."

So managt auch Vintin große Rechenzentren der eigenen Kunden. Hierfür benötigt das Systemhaus Manpower, denn selbst mit derartigen Services lässt sich der Fachkräftemangel nicht ausgleichen. "Schon gar nicht in Schweinfurt, wo wir sitzen", meint Rinkewitz. "Unseren ersten 'Managed Workplace' haben wir bereits 2005 etabliert - Citrix-basiert. Der Kunde zahlt dafür einen fixen Betrag pro Monat und Arbeitsplatz, er findet das aber nicht besonders schick, auch wenn alles einwandfrei funktioniert", meint der "Wolkenmacher".

Rinkewitz kennt auch die Klagen vieler Systemhäuser, wie schwer es sei Office 365 oder Teams an den Mann zu bringen. "Nichts leichter als das", entgegnet er ihnen. "Ihr müsst das Ganze als Lösung und nicht als Service vermarkten. Der Kunde will keinen Managed Service sondern einen Digitalen Arbeitsplatz, dafür ist er auch bereit, Geld zu bezahlen." So bietet Vintin seinen Kunden auch viel Consulting an, die Microsoft 365-Seminare des Systemhauses sind bereits weit in die Zukunft ausgebucht. Denn dort erfahren die Kunden sehr praxisnah, was sie mit den neuen modernen Lösungen überhaupt anfangen können.

"Die Provisionierung meiner Vertriebspartner ist eine große Herausforderung.“

Kunzmann von United Systems bestätigt die Ausführungen von Rinkewitz: "Viele der Vertriebler bei den Systemhäusern verlieren oft den Fokus auf die eigentlichen Bedürfnisse der User beim Kunden und lassen sich von den Interessen der dortigen IT-Abteilungen ablenken". Sie sollten stattdessen mit der Fachabteilung direkt kommunizieren und deren Wünsche unmittelbar in Erfahrung bringen.

Das gelte insbesondere beim Erbringen von Managed Services. Und hier bringt der United Systems-Chef ein Krankenhaus exemplarisch ins Spiel: "Dort herrschen oft chaotische IT-Verhältnisse, aber es kommt doch vor allem drauf an, dass dort den Patienten geholfen wird. Daher sollten Systemhäuser viel mehr auf die Bedürfnisse der Kunden ihrer Kunden, in dem Fall der Patienten, eingehen und weniger in Produktkategorien denken", so Kunzmann.

Da geht Rinkewitz von Vintin noch weiter und bemängelt die unausgegorene Produktentwicklung bei vielen IT-Herstellern: "Oft stehen dort die Funktionen im Vordergrund und weniger der unmittelbare Nutzen für den Kunden." Hier sieht Thomas Neumeier die Systemhäuser in der Pflicht: "Sie müssen die Lösung dem Kunden erklären und ihm den Nutzen aufzeigen."

Doch bei Systemhäusern hapere es oft am nötigen Wissen, meint Kunzmann: "Viele von ihnen verkaufen Azure, ohne dieses komplexe System überhaupt zu verstehen. Das tun wahrscheinlich nur die Top-300-Microsoft-Partner." Dem widerspricht Kai Kapitän und verweist auf die von Microsoft gestartete und wieder abgeschaltete "Deutschland Cloud". Denn seiner Ansicht nach verfolgt der Konzern ausschließlich die eigenen originären Interessen: "Man denke da nur an die widersprüchlichen Aussagen der Redmonder zum Windows Server 2019". Und das schränke viele Systemhäuser in ihrem "Daily Business" doch sehr ein.

Lesetipp: Captains365Club-Manager Kai Kapitän auf dem C.m.C.Kongress

Deswegen plädiert Kapitän für mehr Zukunftssicherheit seitens der IT-Hersteller und wünscht sich in Deutschland eine gemeinsame Vertretung aller Systemhäuser, die so konzentriert ihre Produktwünsche Herstellern gegenüber mit dem nötigen Nachdruck äußern könnte: "Ich muss nicht jede Sau, die mir ein Hersteller vorsetzt, durchs Dorf treiben!" Das Systemhaus sollte seinen Kunden genau die Lösung liefern, die er benötigt, und nicht jene, die ein Hersteller gerade in den Markt bringen möchte.

Soviel Eigenständigkeit und Behauptungswillen gegenüber dem Hersteller dürfte jedoch selten anzutreffen sein, meint Kunzmann: "Da kuschen viele Partner und geben nach, um einen Bonus zu erhalten." Doch wer soll nun die Interessen der deutschen Systemhäuser gegenüber den Herstellern vertreten? Hier waren sich die Diskutanten wieder sehr einig: weder Bitkom noch die Kooperationen iTeam, comTeam oder Nordanex.

Systemhäuser sollten sich strategisch neu aufstellen

Jakob Rinkewitz glaubt, dass Hersteller den Systemhäusern, sofern sie einen hohen Partnerstatus erreicht haben, schon zuhören, aber kaum Einfluss auf die Produktpolitik ausüben könnten - da gibt sich der Vintin-Manager keiner Illusion hin. Er sieht aber ein grundsätzliches Problem in der Vertriebspolitik vieler Systemhäuser: "Sie lösen on-premise-Systeme ihrer Kunden durch Cloud-Services ab, beispielsweise aus Azure. Aber damit ersetzen sie lediglich ihr on-premise-Infrastruktur-Geschäft durch ein Cloud-basiertes. Doch die Margen für Azure-Abos werden auch bald sinken."

Laut Rinkewitz ist damit ein Systemhaus für den Kunden austauschbar. "Das ist aber nur bei den ganz großen Kunden der Fall", widerspricht ihm Kapitän. "Der kleine Steuerberater wechselt nur sehr ungern seinen IT-Lieferanten." Seiner Wahrnehmung nach setzt der Mittelstand auf Vertrauen, da spiele der Preis für die erbrachte Leistung nur eine untergeordnete Rolle. Dem stimmt Thomas Neumeier zu und führt noch ein weiteres Argument für die enge Kunden-IT-Lieferanten-Bindung ins Feld: die Spezialisierung. "Mit Office 365 allein ist man in der Tat austauschbar, aber reichert man diese Infrastruktur mit Branchen-Know-how an, dann sieht es schon anders aus."

"Genau das tun wir mit unserem Fokus auf die Industrie", bestätigt ihn Carsten Grunert von Axians. Und dann ist es seiner Erfahrung nach auch völlig egal, von welchem Hersteller die darunterliegende Infrastruktur stammt: "Google, AWS und Azure sind austauschbar." Neben dem Branchen-Fokus können die Systemhäuser nur noch mit ihrer schieren Größe punkten: "Dann greifen die Skalierungseffekte", meint Grunert. "Get big, get niche or get out" - diese Devise gelte auch heute noch.

"Kleinere Systemhäuser müssen sich zwangsläufig spezialisieren, denn die Informationstechnologie ist mittlerweile so komplex, dass sie nur Teilbereiche davon abdecken können", fasst Kapitän zusammen. Deswegen plädiert er dafür, dass sich unterschiedlich spezialisierte Systemhäuser zusammentun und gemeinsam auf Kunden zugehen. Dann bekämen sie auch eine größere Marktmacht gegenüber den Herstellern.

Das könnte schon funktionieren, räumt Kunzmann ein, aber nur, wenn der Druck auf die Hersteller auch von der Kundenseite kommt: "Dann überlegen schon manche von ihnen, bestimmte auf dem deutschen Markt benötigte Funktionen in ihre Produkte einzubauen."

Womit werden Systemhäuser in Zukunft Geld verdienen?

Aufgrund der fast schon monopolartigen Dominanz von Microsoft im Office-Markt stellt sich hier die Frage, ob es denn wirklich keine Alternative gibt. Dazu meint Kai Kapitän: "Office 365 ist sehr breit aufgestellt, damit kann man dem Kunden schon viel bieten. Aber ich glaube dennoch, dass es bald Alternativen aus dem chinesischen Markt dazu geben könnte."

"Aber womit werden Systemhäuser dann in Zukunft ihr Geld verdienen?", fragt Carsten Grunert von Axians. "Durch Consulting-Leistungen, also Beratung", antwortet Kapitän. Er bietet seinen Kunden nicht nur das "nackte" Office 365 an, sondern pro Arbeitsplatz auch alle zusätzlichen Software-Komponenten und Services samt Beratung, etwa das One-Drive-Laufwerk zum Synchronisieren. "Der Kunde nimmt so etwas gerne in Anspruch", so Kapitän. "Und dann kann auch der Microsoft-Partner ansehnliche Margen realisieren."

Jakob Rinkewitz. Vintin: "Das Systemhaus ist für den Kunden jederzeit austauschabar."

Dem stimmt auch Rinkewitz zu: "Den Citrix-Workplace von früher bieten wir nun als Office 365-Paket an - für eine Fixpreis pro Arbeitsplatz, je nach dessen Ausstattung." Allerdings rechnet der Vintin-Manager Consulting-Leistungen nie extra ab. Das würden nur die wenigsten seiner Kunden goutieren. "Im Prinzip verkaufe ich weiterhin Lizenzen für die Einzelarbeitsplätze", meint Rinkewitz. Aber seine Kunden kaufen ihm noch zusätzliche Lösungen und Services rund um diese Workplaces ab. "Und das sind unsere eigenen Lösungen, zum Beispiel eine digitale Kfz-Akte oder eine Power-App. Die kann sich der Kunde nicht so einfach wo anders besorgen." Auf diese Weise stärkt Vintin die Kundenbindung, weil dessen Lösungen für die Fachabteilung unentbehrlich sind.

Vintin-Manager Christoph Waschkau: "Die Zeit der Einzelkämpfer in der IT sollte endlich vorbei sein"

"Aber dann muss ich mich mit den Geschäftsprozessen und den Branchenspezifika meiner Kunden genau befassen", wirft Grunert ein. Seiner Meinung nach benötigt das Systemhaus da einen tiefen Einblick: Wo drückt da der Schuh? Was braucht mein Kunde wirklich? Als Beispiel führt er Krankenhäuser an, in denen Rollstühle und Infusionspumpen ständig verlegt werden: "Da braucht es ein intelligentes Geräte-Management", postuliert der Axians-Manager. "Der Kunde braucht Lösungen für seine Probleme."

Grunert wird immer öfter mit der Tatsache konfrontiert, dass Fachabteilungen über IT-Budgets entscheiden. Der IT-Leiter ist dann nur noch Erfüllungsgehilfe für das angestoßene Projekt. "Deswegen ist die Ansprache des Fachabteilungsleiters so wichtig", meint der Axians-Manager. "Die Leute ticken je nach Branche unterschiedlich. Darauf muss ich als Systemhaus Rücksicht nehmen und die Menschen in Sozialberufen anders ansprechen als einen Techniker im Industriebetrieb", berichtet Rinkewitz aus seiner Erfahrung.

Kunzmann führt die Teilnehmer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück: "Schuster, bleib bei deinen Leisten!" Er widerspricht der gängigen Mentalität vieler Systemhäuser, die mit einem Bauchladen unterwegs sind: "Man muss die Sorgen und Nöte der Kunden schon kennen", da ist sich der United Systems-Chef ganz sicher.

"Und deswegen wird der Techniker der Vertriebler von morgen sein", mit dieser provokanten These bringt Kai Kapitän neuen Schwung in die Diskussionsrunde. "Das wird nicht funktionieren", widerspricht ihm Kunzmann. "Der Techniker bringt das Rüstzeug zum Vertriebler einfach nicht mit, nicht dessen Mentalität, dessen Extrovertiertheit und Begeisterungsfähigkeit". Allerdings könne der Techniker sehr wohl dem Kunden ganz genau zuhören und seine Erkenntnisse dem Vertriebler mitteilen. "Er fungiert nur als Dolmetscher", glaubt der United Systems-Chef.

Und das Ganze funktioniere nur im Team: Der Vertriebler stellt dem Kunden eine Vielzahl von Lösungen vor und der Techniker bricht das anschließend auf das Realisierbare herunter. "Aber manchmal wächst auch ein Techniker über sich hinaus und begeistert den Kunden für eine neue Lösung", widerspricht Kai Kapitän und nennt ein paar konkrete Beispiele dafür aus seinem Kundenkreis.

"Vielleicht sollte man den Begriff Vertrieb etwas konkretisieren", meint Regina Böckle: "Scouten, aufnehmen, zuhören und analysieren trifft es wohl besser", so die ChannelPartner-Redakteurin messerscharf. Und damit ist auch Kunzmann einverstanden: "Ein Techniker kann den Kunden durchaus exzellent beraten, aber er wird nie ein exzellenter Verkäufer". Hier ist seiner Meinung nach die Führungskraft im Systemhaus gefragt. Der Chef muss schlussendlich entscheiden wer, wo, mit wem auf was angesetzt wird.

Und der United Systems-CEO relativiert auch seine ursprüngliche Aussage: "Ab und zu muss ich schon mal etwas Neues ausprobieren, sei es die Vier-Tage-Woche oder ein Rollenwechsel."

Was bedeutet das aber für den Kunden? Für ihn hat sich im Prinzip nichts geändert. Im Idealfall merkt er gar nicht, dass seine Lösung aus der Cloud kommt. Aber wer kümmert sich um den Endanwender? Wer kennt seine Sorgen und Nöten? "Das sollte schon ein Repräsentant des Systemhauses übernehmen", da ist sich Grunert ganz sicher. Aber ein Techniker betreut heute Faktor zehn mehr Anwender als noch zur Jahrhundert-Wende. Wie soll das also funktionieren?

"Es gibt viele Automatismen und fast alles geht heute remote. Hotlines sind da komplett nutzlos", berichtet Grunert und freut sich schon auf die intelligenten Chatbots.

Thomas Neumeier verweist hier auf die Tatsache, dass viele Systemhäuser Geschäft fast nur noch mit Bestandskunden betreiben: "Da braucht es keinen Vertrieb, sondern fachlich versierte Bestandskundenbetreuer." Und deswegen hält Neumeier am Fixgehalt fest. So bleibt die Kundenbindung hoch: "Je näher ich am Bestandskunden bin, umso eher erfahre ich, dass ein Wettbewerber ihn angesprochen hat", meint der Systemhauschef aus Regensburg.

"Und den Marketiers der Hersteller geht es ganz ähnlich", meint Rinkewitz. "Auch sie wollen an die Fachabteilungen". Deswegen besuchen Vertreter von Vintin viele Branchenmessen, etwa die ConSozial (Messe für Sozialwirtschaft, Anm. d. Red.). Dort begegnen ihnen keine IT-Fachkräfte sondern eher HR-Manager. "Und mit denen kommen wir ins Gespräch über den digitalen Arbeitsplatz", so Rinkewitz. Seiner Erfahrung nach kommen fast alle Leads aus den Fachabteilungen über den Content, den man in sozialen Netzwerken, im Web oder eben auf Fachkongressen gestreut hat.

Anwender-Workshops als Verkaufsvehikel

"Wir erzählen den Fachabteilungsleitern zum Beispiel etwas über die Möglichkeiten der digitalen Zusammenarbeit", führt der Vintin-Manager aus. "Branchen-Know-how hilft da enorm, um die richtigen Themen anzusprechen." Und dann spiele es auch für den Kunden keine Rollen, woher die Anwendung genau kommt: aus der Public- oder der Private-Cloud oder immer noch aus dem eignen Rechenzentrum, meint Grunert von Axians.

Kai Kapitän plädiert hier für kurze Anwender-Workshops, in denen den Entscheidern der Kunden die passenden Lösungen präsentiert und am besten gleich verkauft werden. Workshops für Endkunden, Newsletter-Versand und Information über die Medien - was müssen Systemhäuser noch tun, um Technologien Kunden schmackhaft zu machen?

"Da müssen zum Teil neuen Leute ran", meint Carsten Grunert. "Wir bei Axians haben in diesem Jahr einige Teams neu zusammengesetzt und uns von einigen Mitarbeitern auch getrennt. Jemanden, der 30 Jahr nur Hardware verkauft hat, den kann ich kaum überzeugen, dem Kunden neuartige Services anzubieten, das ist völlig unmöglich. Hier braucht es einen radikalen Kulturwandel."

Aber führt das auch zum Systemhaussterben? "Das hat Synaxon-Chef Frank Roebers vor ein paar Jahren auch geglaubt, und musste sich nun korrigieren", erinnert sich Thomas Neumeier. "Seiner Analyse nach kam es in den vergangenen Jahren zu zahlreichen Neugründungen, die die durch Akquisitionen und Geschäftsaufgaben verlorenen Systemhäuser leicht kompensieren konnten", so der Systemhauschef aus Regensburg.

Kai Kapitän: "Systemhäuser benötigen eine starke Interessensvertretung, sie müssen sich dem Direktvertrieb einiger Hersteller entgegenstemmen.“

"Die Zahl der klassischen Systemhäuser hat sich aber verringert", ergänzt Kunzmann. "Die neugegründeten IT-Dienstleister haben mit dem klassischen Systemhausgeschäft wenig am Hut. Sie beschäftigen sich mit Künstlicher Intelligenz oder entwickeln Apps, sie schrauben nicht mehr Intel-Systeme zusammen", so der CEO von United Systems. "Die reinen Hardware-Reseller werden vom Markt verschwinden. Dieser Wandel hat vor 30 Jahren eingesetzt und wird sich die nächsten 30 Jahre fortsetzen."

Aus eigener Erfahrung weiß Kunzmann zu berichten, dass viele klassischen Systemhäuser, die diesen Wandel nicht mitgehen, sich in Anbetracht der aktuellen guten Geschäftslage überlegen, ihr Unternehmen zu verkaufen. "Auch weil sie keinen Nachfolger gefunden haben", ergänzt Kunzmann.

Die neue Rolle der Distribution

"Es wird aber weiterhin KMU-Systemhäuser geben, die sich wandeln können", meint Kai Kapitän und Kunzmann gibt ihm Recht: "Wenn sie die Probleme ihrer Kunden lösen können - mit den Systemen der großen Hersteller." Und bricht der Systemhauschef eine Lanze für die kleineren hoch spezialisierten Distributoren: "Wir arbeiten zum Beispiel sehr gerne mit Prianto, weil dieser VAD regelmäßig neue interessante Lösungen auf den Markt bringt, und damit können wir bei unseren Kunden punkten, so zum Beispiel mit Password Safe oder den Lösungen von SolarWinds." (Gibt es übrigens auch bei Sysob; Anm. d. Red.).

"Vor zehn Jahren kannte kaum jemand diese Spezialanbieter, heute sind sie mehrere Hundert Millionen Dollar wert", resümiert Kunzmann. "Gute Distributoren agieren heute als Business Enabler, sie werden sich weiterentwickeln und Systemhäuser in Zukunft tatkräftig unterstützen."

Ausblick 2020

Zum Ende der Diskussionsrunden baten wir die Teilnehmer noch um einen kurzen Ausblick ins Jahr 2020. "Wir sind nicht der Nabel der Welt", brachte Jakob Ringewitz die Diskutanten auf den Boden der Tatsachen zurück. "Relevant sind nur die Lösungen für unsere Kunden, sonst nichts", so krass drückt es der Vintin-Manager aus. "Und da braucht es die richtige Führung und Unternehmenskultur. Unser Wolkenmacher-Team agiert beispielsweise völlig führungslos, in anderen Abteilungen ist so etwas undenkbar. Manche Mitarbeiter wollen eben einer Führungskraft folgen, andere organisieren sich lieber selbst, und das sind die Führungskräfte von morgen", bringt es Rinkewitz auf den Punkt. "Auch die Selbstorganisierten müssen geführt werden", ergänzt Kunzmann. "Die beste Führungskraft ist diejenige, deren Mitarbeiter gar nicht mehr merken, dass sie geführt werden."

Mahr-EDV-Manager Pascal Kube: "Jede interne und externe Kritik betrachten wir als Geschenk"

"Wir brauchen Experten und interdisziplinär agierenden Teams, das Networking wird immer wichtiger", prophezeit Kai Kapitän. "Und die Systemhäuser benötigen eine starke Interessensvertretung, sie müssen sich dem Direktvertrieb einiger Hersteller entgegenstemmen."