Interview mit CEO Christian Macht

So will Rakuten.de neuen Schwung gewinnen

26.06.2014 von Matthias Hell
Rakuten.de-Chef Christian Macht räumt ein, dass der Online-Marktplatz hinter den Erwartungen liegt. Im ChannelPartner-Interview erklärt der Manager nun, welche Maßnahmen Rakuten.de neuen Schwung verleihen sollen - und warum sich die Plattform dazu auch von einzelnen Händlern trennen muss.
Der ehemalige Groupon-Manager Christian Macht wurde zum Jahreswechsel 2013/14 zum neuen CEO von Rakuten.de bestellt

Vor zwei Jahren hat Rakuten-Gründer Hiroshi Mikitani angekündigt, das Unternehmen werde in Deutschland bis 2017 zum E-Commerce-Marktplatz Nummer 1 werden. Bei der Rakuten Expo 2014 haben Sie nun gesagt, Rakuten sei hierzulande nicht so erfolgreich und sich gleich für Versäumnisse bei den Händlern entschuldigt…

Macht: Rakuten.de könnte eigentlich schon deutlich weiter sein und das finde ich schade. Denn wir stehen heute an einem Punkt, an dem Amazon - das im E-Commerce die klare Nummer 1 ist und lange die Trends gesetzt hat - nicht mehr unangefochten ist. Die Menschen kaufen zwar online, aber sie vermissen dabei oft die Inspiration. Die Kunden wollen auch im Netz Kaufanreize erhalten, Beratung und Kommunikation. Dafür ist Rakuten gut aufgestellt. Und mit dem VoIP-Dienst Viber gehört zu uns ein Kommunikationskanal, der alleine in Westeuropa von 25 Prozent der Internet-User genutzt wird. Das wollen wir nutzen, damit die Brand-Awareness für Rakuten in Zukunft deutlich besser wird.

Lassen Sie uns aber zunächst noch bei den Versäumnissen bleiben: für was genau haben Sie sich eigentlich bei den Rakuten-Händlern entschuldigt?

Macht: Zum einen wurde in der Vergangenheit bei Rakuten Deutschland unterschätzt, wie wichtig die technische Weiterentwicklung ist. Hiroshi Mikitani gibt den von ihm übernommenen Unternehmen viel Freiheit und ist auch ein großer Fan von den Entrepreneuren, die dahinterstehen. So kam es dazu, dass die Integration von Rakuten.de in das internationale Netzwerk von Rakuten noch nicht so hoch ist. Dass ist für Gründer, deren "Baby" ein Unternehmen ist, vielleicht auch nicht ganz einfach. Jetzt wollen wir das aber ändern und werden deshalb spätestens 2015 auf die globale Rakuten-Plattform wechseln.

Erwarten Sie dabei wieder Proteste, wie schon Ende 2012 bei der Einführung der verkäuferübergreifenden Funktionsleiste Rakuten Connect, als viele Händler befürchteten, ihre Kunden an andere Rakuten-Shops zu verlieren?

Macht: Es ist für uns klar, dass die individuellen Rakuten-Shops weiter im Vordergrund stehen müssen. Allerdings muss es auch unser Ziel sein, dass Kunden, die in einem Shop nichts finden, dann auf den Marktplatz weitergeleitet werden. Das ist im Prinzip wie bei einer Shopping Mall im stationären Handel.

Sie werden sehen, dass unser neues Shop-Frontend eine ganze Liga über der jetzigen Oberfläche von Rakuten.de angesiedelt ist. Dass Nutzerverhalten entwickelt sich auch im stationären Internet immer mehr wie im mobilen Netz. Deshalb war das Shop-Frontend für mich eine der ersten Sachen, die ich umsetzen wollte. Es hat sechs Monate gedauert, aber ab jetzt gehen wir in die Umsetzung und werden Ende 2014, spätestens Anfang 2015 mit dem neuen Frontend starten.

"Nicht alle Händler ziehen so mit, wie wir uns das vorstellen"

Welche weiteren Maßnahmen planen Sie, um Rakuten.de stärker nach vorne zu bringen?

Macht: Wir werden in den kommenden Monaten auch die Zahl unserer Händler reduzieren, da nicht alle so mitziehen, wie wir uns das vorstellen. Einige Händler haben auf Rakuten.de eine so schlechte Präsenz, dass sich andere Händler beschwert haben, dass sie dadurch Kunden verlieren. Hier müssen wir nachbessern.

Außerdem haben wir nun unser neues Büro in Berlin bezogen. Das ist ein richtiges Ökosystem-Büro, in dem Mitarbeiter von Rakuten.de neben Mitarbeitern von Kobo, Wuaki.tv, Rakuten Marketing oder unserer Minderheitsbeteiligung Pinterest sitzen. Wir versprechen uns deutliche Effekte davon, wenn diese Leute jeden Tag miteinander zu tun haben.

Nach der Übernahme von Tradoria durch Rakuten war zunächst die Rede davon, verstärkt große Händler - wie auch die amerikanische Rakuten-Tochter Buy.com - auf die Plattform zu holen. Verfolgen Sie diese Strategie weiterhin?

Macht: Unsere Kernstrategie ist es, dass wir ein Marktplatz für hiesige Händler sind und auch eher kleineren Händlern eine Heimat bieten wollen. Allerdings gibt es weiterhin die Möglichkeit, dass auch Händler von Rakuten-Plattformen in anderen Ländern den Weg nach Deutschland finden.

Kooperation mit Viber - und deutschen Banken

Sie haben eingangs erwähnt, den von Rakuten übernommenen VoIP-Dienst Viber zur Steigerung der Markenbekanntheit ihres Online-Marktplatzes zu nutzten. Wie könnte das konkret aussehen?

Macht: Viber ist zunächst einmal ein Informationskanal und wir werden hier sicher nicht den Fehler machen, die Nutzer mit Werbung zuzuspammen. Ich selbst komme ja von Groupon, wo wir sehen mussten, dass selbst gute Angebote als Spam wahrgenommen werden, z. B. wenn die Frequenz zu hoch ist. Hier gilt es die Kunst zu beherrschen, den Kunden nicht zu nerven, sondern ihm genau die Inspiration zu geben die er wünscht - der Kundenwunsch ist hier auschlaggebend.

Aber es gibt ja auch bei Viber Situationen, wo die Nutzer sagen: "Mir ist langweilig, ich möchte shoppen, möchte Inspiration finden" Und wenn dieser Wunsch vom Kunden ausgeht, gibt es durchaus die Möglichkeit, mit entsprechenden Angeboten aufzuwarten. Dafür werden wir aber nicht etwa Kommunikationsdaten analysieren, sondern muss der Wunsch zu Angeboten vom Kunden ausgehen.

In Ihrer Keynote haben Sie außerdem von Kooperationen mit deutschen Banken und Versicherungen gesprochen. Können Sie dazu mehr sagen?

Macht: Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass Nutzer von Online-Banking-Apps überdurchschnittlich oft online sind. Wenn es nun möglich wäre, Rakuten.de als Whitelabel-Lösung für solche Bank-Kunden anzubieten, hätten wir einen sehr attraktiven Kundenzugang. Wir sind hier allerdings noch in Verhandlungen mit den Banken und ihren Serviceanbietern.

"Unser Brand wird mit Sicherheit stärker werden"

Rakuten-Gründer und CEO Hiroshi Mikitani sorgte 2012 mit der Ankündigung für Aufsehen, das E-Commerce-Unternehmen auch hierzulande zum Online-Marktplatz Nr. 1 machen zu wollen

Welche strategische Rolle spielt für Rakuten der lokale Handel? eBay hat in den USA mit dem Service eBay Now eine Integration lokaler Angebote inklusive Same-Day-Delivery erprobt. Gibt es ähnliche Pläne auch für Rakuten? Immerhin haben Sie Ende 2012 den französischen Logistikdienstleister ADS übernommen…

Macht: Unsere Logistik-Kapazitäten sind sicher ein Vorteil, den Rakuten hat. Deshalb wäre es auch prinzipiell möglich, unseren Kunden Same-Day-Delivery anzubieten. Das ist aber nichts, was wir in den nächsten sechs bis 12 Monaten machen werden. Grundsätzlich gibt es bei der Online-Offline-Verknüpfung immer das Problem der Lieferung, wenn zum Beispiel Kunden nicht zu Hause sind. Hier gäbe es Denkmodelle, stationäre Shops oder auch Banken in die Lieferkette zu integrieren. Aber das sind zum jetzigen Zeitpunkt nur Überlegungen.

Eine der markantesten Neuerungen nach der Übernahme von Tradoria durch Rakuten war die Einführung von in Japan entwickelten Verkaufsevents wie dem Super Sale sowie den damit korrespondierenden Super Points. Als ehemaliger Groupon-Manager haben Sie ja Erfahrung mit Rabatt-Aktionen: Wie schätzen Sie das Potenzial der Rakuten-Verkaufsevents ein?

Macht: Verkaufsaktionen funktionieren immer dann, wenn sie in ein entsprechendes Ökosystem eingebunden sind. Deshalb ist es gut, dass Aktionen wie der Super Sale feste Bestandteile des Systems von Rakuten sind. Allerdings gibt es hier zum Teil noch einige ganz triviale Schwierigkeiten. So haben die Super Points zum Beispiel in Großbritannien einen unterschiedlichen Wert, was teilweise zu Verzögerungen bei der Abnahme von Aufsichtsbehörden führt. Das ist für ein selbstbefruchtendes System wie den Super Sale nicht optimal. Aber trotzdem waren die bisherigen Super Sales in ihrer Intensität schon beachtlich. Und so eine Tradition muss sich natürlich auch erst einmal einbürgern.

"Wir haben europaweit zwei Jahre verloren"

Es ist kein Geheimnis, dass Rakuten-Gründer Hiroshi Mikitani auf der Forbes-Liste der Superreichen rangiert, zudem ist das von ihm aufgebaute Unternehmen ein finanzstarker, weltweit agierender Konzern. Wünschen Sie sich manchmal mehr Unterstützung aus Japan, um solche vollmundigen Ankündigungen wie den "Angriff auf Amazon" umzusetzen?

Macht: Aus den Erfahrungen bei Groupon habe ich gelernt, dass der Transfer von Wissen viel wichtiger für die Entwicklung einer Landesgesellschaft ist. Wir hatten bei Rakuten.de die Situation, dass man von einem Unternehmen, das das "Baby" seiner Gründer war, auf den internationalen Wettbewerb umstellen musste. Dadurch haben wir europaweit zwei Jahre verloren. Jetzt haben wir vieles radikal umgestellt. Ich würde am liebsten gleich 20 neue Tools aus Japan und anderen Ländern in denen wir vertreten sind erhalten und diese möglichst schon morgen in Deutschland ausrollen. Aber die Geschwindigkeit, mit der wir hier vorangehen können, hängt nicht zuletzt auch von der deutschen Landegesellschaft ab. Immerhin sind wir jetzt viel stärker in den japanischen Technologietransfer eingebunden und arbeiten unsere Entwickler auch an den Weiterentwicklungen in Japan mit.

Das andere ist das Thema Marketing. Hier gab es von einigen Händlern schon Beschwerden, weil wir im vergangenen Jahr TV-Werbung angekündigt hatten und das dann nicht gemacht wurde. Deshalb will ich mich davor hüten, nun neue Versprechungen zu machen. Aber in Sachen Marketing wird auf jeden Fall etwas kommen. Dabei denken sicher auch viele an kürzlich aufgekommene Gerüchte über einen Sponsoring-Einstieg von Rakuten in die Formel 1. Es ist klar: Unser Brand wird mit Sicherheit stärker werden.

Was ist - zum Abschluss unseres Gesprächs - aus Ihrer Sicht das wesentliche Alleinstellungsmerkmal, mit dem Sie Rakuten.de gegen die Wettbewerber im Marktplatzgeschäft stärken wollen?

Macht: Wir sagen immer: "Rakuten, die Guten". Bei vielen Wettbewerbern laufen Händler Gefahr, dass ihm sein Geschäft genommen werden kann. Das betrifft vor allem besonders hoch drehende Produkte, die vom Marktplatzbetreiber dann übernommen und profitabler angeboten werden. Der Händler muss sich da gut überlegen, wo er hin will.

Zum anderen stehen wir für Themen wie Beratung, die im E-Commerce oft verloren gehen. Bei vielen Kunden besteht ein Wunsch danach, glückliche und unerwartete Kaufentdeckungen zu machen. Wir setzen uns dafür ein, dass das auch im Internet möglich ist.