Konkrete IoT-Projekte Mangelware

Systemhäuser und das IoT-Geschäft

05.11.2017 von Ronald Wiltscheck
Welche IoT-Projekte gehen Systemhäuser aktuell an? Wir haben die großen Systemintegratoren dazu befragt.

Bereits im Mai 2016 haben wir die großen Systemhäuser gefragt, welche Geschäftschancen sie in der Digitalisierung sehen. Wir wollten damals von ihnen wissen, welche IoT-Strategie sie verfolgen, ob sie schon erste Industrie-4.0-Projekte angehen und wie sie die dabei auftretenden Hürden überwinden (Channel Partner berichtete: So lassen sich Hemmnisse im IoT abbauen).

Nach einem Jahr haben wir nun bei den wichtigsten Systemhäusern nachgehakt. Wir wollten von ihnen erfahren, inwieweit sich ihre Bemühungen in Sachen IoT bereits ausgezahlt haben. Um es kurz zu machen: Konkrete IoT-Projekte der großen IT-Systemhäuser bleiben Mangelware - oder sie werden noch nicht breit kommuniziert. Mittelständische Systemhäuser sind da in ihrer Kommunikation schon weiter.

Zum Video: Systemhäuser und das IoT-Geschäft

Axians: Leim as a Service

Immerhin, Axians (früher Fritz und Macziol) hat uns ein konkretes IoT-Projekt geschildert. Der Kunde ist ein mittelständischer Hersteller von Klebstoffen. Er liefert den Klebstoff an Unternehmen aus der Holz-, Getränke-, Papier-, Verpackungs- und Zigarettenindustrie.

Bisher haben diese Kunden den Leim dann geordert, wenn sie manuell festgestellt haben, dass die Vorräte zu Neige gehen. Dies soll nun vollautomatisch geschehen. Ein Sensor erkennt frühzeitig den Füllstand des Leimtanks und stellt aus Erfahrungswerten fest, wann wieder Leim nachbestellt werden muss.

Der Sensor ist aber nur ein Bestandteil für die Automatisierung des Bestellvorgangs. Denn die Sensordaten der Tanks werden mit den ERP-, CRM- und Produktionsdaten des Kunden verknüpft. Daraus berechnet die beim Kunden installierte Software die tatsächlich benötigte, vorhersehbare Bestellmenge - unter Berücksichtigung des Auftragsbestands, des Auftragseingangs, des Forecasts sowie der saisonalen-/Witterungsbedingungen. Und daraufhin erst wird die Bestellung mit dem gewünschten Lieferdatum automatisch erstellt und an den Klebstoffhersteller verschickt.

Zum Video: Systemhäuser und das IoT-Geschäft

Computacenter: Projekt "Schütten"

Ebenfalls auf Sensoren setzen Computacenter-Kunden aus der Automobilindustrie. Die damit erfassten Daten sollen sicherstellen, dass nur die vorgesehenen Bauteile wie Spiegel oder Kabelbäume in die individuell vorkonfigurierten Fahrzeugmodelle eingebaut werden.

Bisher werden die zugelieferten Komponenten meist einzeln manuell selektiert und in Kisten (Schütten) verteilt. Dieser Prozess ist fehleranfällig, denn nicht selten werden dennoch falsche Komponenten in einem Fahrzeug verbaut - vor allem, wenn es sich um Sondermodelle handelt.

Um dies zu vermeiden, wurden die Behälter mit den Zubehörteilen mit Sensoren ausgestattet. Diese ermöglichen es jetzt, anhand des Gewichts zu ermitteln, ob der Werker gerade das passende Teil entnommen hat. Das reduziert die Fehlerhäufigkeit und steigert die Qualität, so die Erfahrungen von Computacenter.

SVA: Gesund bleiben im Smart Home

IBM-Partner SVA engagiert sich im Gesundheitssektor. Dessen "MedPower"-Lösung ist eine klassische Telemedizin-Anwendung. Diese Eigenentwicklung sorgt dafür, dass Patienten mit chronischen Erkrankungen auch zu Hause versorgt werden können. Ob sie ihren Blutdruck oder Zuckerspiegel messen, die Daten wandern - natürlich verschlüsselt - direkt zu den sie behandelnden Ärzten, Kliniken oder Pflegeheimen.

Diese wiederum erhalten einen Web-basierten Zugang zu den telemedizinisch erfassten Daten und können bei Bedarf den Patienten kontaktieren oder ihn gleich ins Krankenhaus einbestellen. Anonymisiert könnten diese Daten ausgewertet und zu Forschungszwecken verwendet werden.

Intel: Drohnen ersetzen Menschen

Ein interessantes IoT-Anwendungsszenario hat Intel auf der diesjährigen CeBIT präsentiert. Die Intel-Drohnen, die im Freigelände des Messeplatzes umherflogen, waren nämlich weit mehr als Spielzeuge. Die professionellen Drohnen von Cyberhawk überfliegen etwa Offshore-Windräder, Kühltürme, Staumauern von Speicherseen, Hochspannungsleitungen, Bahnhöfe und Bahngleisanlagen, also all die Orte die mit konventionellen Mitteln nur schwer zugänglich sind.

Aber auch bei weit verteilten Fläche, die man gut zu Fuß erreichen kann, leisten Drohnen wertwolle Arbeit - etwa auf Ölplattformen in der Nordsee. Dabei kommen die auf den Drohnen fest installierten Intel-Kameras zum Zuge. Die damit aufgenommenen Bilder werden von einer speziellen Software automatisch ausgewertet, und etwaige Anomalien, die auf Defekte auf der Ölplattform hinweisen könnten, sofort festgesellt. Eine herkömmliche Inspektion der Ölplattform (zu Fuß) dauert mehrere Wochen. Mit Drohnen ist dieser Prozess nach wenigen Tagen beendet.

Sophos: Smart Home in Gefahr

Ebenfalls auf der Cebit hat der Security-Hersteller Sophos seinen "Honigtopf" für das smarte Heim vorgestellt: das "Haunted House". Hier wired ein Smart Home live "gehackt". Als Sophos.Partner bei diesem Konzept agiert Koramis, ein sich als "Industrial Security Spezialist" bezeichneter IT-Dienstleiester aus Saarbrücken.

Huawei mit der Fraunhofer Gesellschaft

Zusammen mit der Fraunhofer Gesellschaft hat Huawei in den Landmaschinen von Holmer über 200 Sensoren verbaut. Diese Sensoren erfassen die wichtigsten Betriebsdaten der Landmaschinen und senden diese in die Huawei-eigene Cloud, wo sie analysiert werden. Aus den Ergebnissen dieser Analysen lassen sich Rückschlüsse auf den Betriebszustand der einzelnen Landmaschinen ziehen und gegebenenfalls kann ein Inspektionstermin vereinbart und die notwendigen Ersatzteile gleich in die Werkstatt geliefert werden.

Dieses Beispiel für "Predictive Maintenance" ist sicherlich nicht neu aber stillgebend für eine Vielzahl von Industrie-4.0-Anwendungen. Im Prinzip könnten derartige Sensoren in alle herkömmlichen Haushaltsgeräten (Mixer, Waschmaschine, Kaffeevollautomat, Kühlschrank, Staubsauger, Ofen oder Dunstabzug) verbaut werden. Das könnte dem Thema "Smart Home" zum neuen Schwung verhelfen.

Kärcher mit Vodafone und AWS: Cleaning as as Service

Der Reinigungsmaschinen-Hersteller ist eine der Inustrie-4.0-Vorrreiter in Deutschland. Nicht nur, dass Kärcher intelligente Sensortechnologie in der eigenen Fertigung verwendet, auch die ausgelieferten Reinigungsmaschinen werden nahezu in Echtzeit "überwacht".

"Kärcher Fleet", das Komplettsystem bestehend aus den Sensoren in den Reinigungsmaschinen, der Mobilfunkanbindung via Vodafone und der Auswertesoftware in der AWS-Cloud, liefert den Kärcher-Kunden, also den professionellen Gebäudereinigern, wertvolle Daten über die Auslastung ihres Maschinenparks. Es werden nicht nur die Laufzeiten der Betriebszeiten der Reinigungsmaschinen erfasst, sondern mittels GPS auch die von ihnen zurückgelegten Wege.

So kann der Gebäudereiniger stets genauestens nachprüfen, ob die von Kunden in Auftrag gegebenen Reinigungsarbeiten wunschgemäß erfüllt wurden. Dabei werden auch die Betriebsdaten der Reinigungsmaschinen kontinuierlich erfasst, so dass Wartungstermine rechtzeitig stattfinden. Damit verspricht Kärcher seinen Kunden geringere Reparaturkosten, weniger Geräteausfälle und längere Lebenszeiten der erworbenen Scheuersaug- oder Kehrmaschinen.

Bosch-Startup Deepfield Robotics

Spargel-Sensorik IoT
Foto: Bosch

Spargel und Erdbeeren können nur in einem engen Temperatur- und Feuchtigkeit-Bereich gut gedeihen, deswegen ist eine kontinuierliche Kontrolle der Felder für den Ernteertrag essentiell. Zusätzliche Bewässerung oder Abdeckung der Pflanzen mit Planen sie die gängigsten erntesteigernden Maßnahmen.

Eine Cloud-IoT-Anwendung des Bosch Startups Deepfield Robotics unterstützt Landwirte bei der Erfassung der dafür notwendigen Daten. Sensoren im Acker messen Temperatur, Boden- und Luftfeuchtigkeit, ein Gateway am Feld überträgt diese Daten via Mobilfunk zur Bosch IoT Cloud, wo diese Informationen ausgewertet werden. Der Landwirt wird auf seiner Smartphone-App alarmiert, wenn er bestimmte Maßnahmen (bewässern oder abdecken) ergreifen muss.

Cisco: vom Netzwerker zum IoT-Spezialisten

Eine breite Fülle an erfolgreich umgesetzten IoT- und Industrie-4.0-Projekte findet sich auf der ständig gepflegten Website der der Innovation Alliance. Das ist ein lockerer Zusammenschluss von etwa einem Dutzend mittelständischer Systemhäuser (unter anderem Leitwerk, Inforsacom Logicalis, Damovo, Inneo, Pan Dacom) unter der Führung von Cisco.

PCO, ein IT-Dienstleister aus Osnabrück, hat sich beispielsweise auf die IT-gestützte Temperaturüberwachung von speziellen Räumen (zum Beispiel Labors) spezialisiert. Tief in die Industrie-4.0-Thematik ist schon Pan Dacom eingetaucht. Bei einem Automobilzulieferer sorgt der der Cisco-Partner dafür, dass die Sensoren und Scanner auf der Fertigungsstraße alle relevanten Produktionsdaten erfassen und sie an die richtige Stelle via IP weiterleiten.

So wird der Facharbeiter an seiner Werkzeugmaschine stets visuell darüber informiert, welches Werkstück er nun "anfassen" und wie der damit umgehen muss. An der Anzeige kann er beispielsweise ablesen, mit welchem Drehmoment er einen Schlagschrauber ansetzen soll.

All die von den Sensoren erfassten Daten werden zentral abgespeichert und dem dazugehörigen fertigen Produkt zugeordnet. Das benötigt der Hersteller im Falle einer Revision oder Reklamation.

Zum Video: Systemhäuser und das IoT-Geschäft

IIoT Innovation Center von Accenture

Accenture hat im April 2017 nördlich von München sein IIoT Innovation Center eröffnet. Dort präsentiert der Systemintegrator wie sich Industrie 4.0-Konzepte in der Praxis umsetzen lassen. Potentielle Kunden können dort "Proof of Concepts" für ihre Digitalisierungsstrategien begutachten. Alle dort ausgestellten Lösungen stammen aus Kundenprojekten und befinden sich bereits im Einsatz.

Ein Beispiel dafür ist die Industrie 4.0-Umsetzung des Reifenherstellers Michelin. Dieser verkauft inzwischen nicht mehr nur Reifen, sondern hat mit Michelin Tire Care und Michelin solutions ein digitales Service-Angebot für die Betreiber von LKW-Flotten aufgebaut.

Dabei, so das Versprechen des Reifenherstellers, kümmert sich Michelin um alles rund um den Reifen - angefangen vom passenden Luftdruck bis hin zum rechtzeitigen Reifenwechsel, wenn dessen Nutzung unökonomisch wird. Den Kunden verspricht Michelin unter anderem sieben Prozent weniger Diesel-Verbrauch pro Jahr - das sind 3.300 Euro weniger pro Jahr und Truck.