Cloud Computing im Fachhandel

Wie wichtig ist dem Handel das Cloud-Business?

17.12.2011
Wie relevant sind Cloud-basierte Angebote für Systemhäuser? Welche Chancen und Risiken verbinden sie mit diesem Modell der Bereitstellung von IT? Bislang halten sich Bangen und Zuversicht die Waage.
Ob SaaS, IaaS oder PaaS - die Cloud wird nach Ansicht vieler Systemhäuser künftig einen Großteil ihres Geschäfts bestimmen. Bild: Pixelio, Gerd Altmann
Foto: Pixelio_Gerd Altmann

Wie relevant sind Cloud-basierte Angebote für Systemhäuser? Welche Chancen und Risiken verbinden sie mit diesem Modell der Bereitstellung von IT? Bislang halten sich Bangen und Zuversicht die Waage.
Es ist schon ernüchternd: Da läuten Hersteller, Analysten und Medien seit Jahren mit lautem Getöse das Zeitalter "der Cloud" ein - doch allem Trommelfeuer zum Trotz erwirtschaften Systemhäuser hierzulande den Großteil ihres Umsatzes noch immer mit dem klassischen Projektgeschäft. Einer Erhebung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zufolge steuert das Cloud-Business - Managed Services, SaaS, PaaS und IaaS addiert - lediglich zwischen drei und vier Prozent zum Gesamtumsatz der Systemhäuser bei.

Der Anteil der Fachhändler hierzulande, die bereits aktiv im Cloud-Geschäft sind, beträgt laut einer jüngsten Umfrage von Bitkom und HTW Berlin lediglich 25 Prozent. Mehr als ein Drittel steht diesem Thema noch unschlüssig gegenüber.

Glossar

IaaS = Infrastructure-as-a-Service: Kunden können auf "nackte" Rechner- und Storage-Ressourcen zugreifen, quasi auf das reine Blech, ohne Applikationsserver, Support, Hochverfügbarkeitsvereinbarungen etc.

PaaS = Platform-as-a-Service: umfasst zusätzlich zu IaaS auch alles, was notwendig ist, um z.B. Applikationen direkt aus der Cloud zu beziehen bzw. in der Cloud zu betreiben. Dazu zählen unter anderem Entwicklungsumgebungen, Vereinbarungen über die Laufzeiten, Monitoring, Skalierung, Service Level Agreements (SLA) sowie zusätzliche Funktionalitäten wie Abrechnungssysteme (Beispiel: VMware CloudFoundry, läuft derzeit nur als Beta-Version und nur in USA, noch kostenlos)

SaaS = Software-as-a-Service: die Bereitstellung von Softwareapplikationen über das Internet

Roland-Berger-Partner Carsten Rossbach bescheinigt dem IaaS-Bereich zwar einen hohen Reifegrad, gibt aber zu bedenken: "Solche Infrastrukturdienstleistungen werden mittelfristig nur noch niedrige Gewinnmargen bieten."

Systemhauspartner teilen offenbar diese Meinung. Active-Logistics-Geschäftsführer Werner Habryka zieht Bilanz: "Diese Einstiegspakete mögen für Privatkunden interessant sein, für mittlere und größere Unternehmen jedoch sind diese Modelle kaum relevant, weil hier eben nur die blanke Infrastruktur bereitgestellt wird."

Größeres Potenzial bergen nach Ansicht von Peter Lorenz, Leiter des Bereichs On-Demand-Solutions bei SAP, dagegen die Bereiche SaaS und PaaS "Diese zwei Bereiche der Cloud Economy werden in den nächsten Jahren stärker wachsen und höhere Gewinnmargen mit sich bringen", erklärt er.

Lag also Tech Datas Regional-Chefin Els Demeester mit ihrer Einschätzung Ende 2010 womöglich richtig, als sie erklärte: "Wir beobachten die Entwicklung im Cloud-Bereich sehr genau und arbeiten bereits an konkreten Angeboten. Aber wir konzentrieren uns auf das klassische Geschäft, denn wenn Sie sich die Umsätze ansehen, wird das Cloud-Business erst in einigen Jahren relevant."?

Wozu dann der ganze Wirbel, den einige Reseller im CP-Forum schulterzuckend so kommentierten: "Wie war das noch mit den Wolken? Sie werden größer und größer, irgendwann ist die kritische Masse erreicht, und die Wolke regnet ab. Und löst sich in Wohlgefallen auf", oder: "Wer braucht denn schon die Cloud? Wenn man aus der Ferne auf seine Daten oder seinen Rechner zugreifen möchte, gibt es genug andere Möglichkeiten."

Oliver Tuszik, Vorstandsvorsitzender von Computacenter
Foto: Computacenter

Selbst Werner Habryka, Geschäftsführer des Systemhauses und Cloud-Services-Anbieters Active-Logistics, räumt ein: "Die Umsätze, die wir im Cloud-Bereich erwirtschaften, sind derzeit noch vergleichsweise klein." Dabei soll es aber nicht bleiben: "Wir gehen fest davon aus, dass die Nachfrage nach Cloud-Lösungen im nächsten Jahr extrem steigen wird, insbesondere bei der Software." Denn damit werden für den Endkunden Vorabinvestitionen in Lizenzen ebenso hinfällig wie unflexible, feste Laufzeitverträge. Seine Prognose: "In fünf Jahren werden wir 80 Prozent des Umsatzes mit Cloud-Angeboten generieren." Und Computacenter-Chef Oliver Tuszik behauptet gar: "Wir verkaufen heute schon Cloud-Lösungen wie warme Semmeln."

Wie viel Luft steckt in der Cloud-Nummer?

Sicher, wer seinen Endkunden ohnehin schon immer Komplettlösungen verkauft hat und nicht nur Produkte, für den verändert die bloße Existenz von Cloud-Angeboten nichts an der ersten Phase des Verkaufsgesprächs. Er wird wie bisher ausloten, welche Probleme den Endkunden IT-seitig plagen, welche Prozesse er verbessern will, und anschließend nach passenden Lösungen suchen. Für Rolf Braun, Vorstand des Systemhauses Cema, ist es für einen Lösungsverkäufer allerdings in der zweiten Phase sehr wohl entscheidend, mit dem Endkunden darüber zu diskutieren, ob er die Lösung selbst betreiben, auslagern oder als Managed Service vom Systemhaus erhalten will: "Denn wenn bei der Infrastruktur des Kunden die technischen Voraussetzungen für eine Cloud-basierte Lösung gegeben sind, dann muss ein Reseller diese Option auf den Tisch bringen können - sonst macht es ein Wettbewerber."

Und Mitbewerber sind hier keineswegs nur die größten Systemhäuser, Telekommunikationsanbieter oder Service-Provider. Zahlreiche mittelständische ISVs und Systemintegratoren haben, ähnlich wie die Cema AG, inzwischen eigene GmbHs für die Bereitstellung von Cloud-basierten Lösungen gegründet. "Die Nachfrage nach diesen Services ist hoch. Wie schnell der Wandel vonstatten geht, ist noch offen. Auch, ob der Begriff "Cloud" Bestand haben wird, ist unklar. Sicher ist aber, dass dieser Zug an den Resellern nicht vorbeifahren wird", erklärt der Cema-Vorstand und ist sich hier mit vielen Kollegen einig.

Die Wahlfreiheit des Endkunden wächst

Die Wahlfreiheit des Endkunden wächst jedoch nicht nur, weil er nun auch Dienste auslagern kann - das gab es schon bei früheren Outsourcing-Modellen: Im Unterschied zu dieser älteren Generation des Outsourcings kann der Endkunde bei Cloud-basierten Angeboten vergleichsweise einfach zu einem anderen Anbieter wechseln. Damit ist die ehedem oft technisch begründete Bindung zum Hersteller oder Systemhaus nicht mehr gegeben.

Die Erfahrung zeigt jedoch, dass - zumindest mittelständische - Kunden diese Freiheiten gar nicht ausschöpfen wollen und ihrem Systemhaus auch in der Cloud die Treue halten. "Die meisten unserer Kunden schließen eine vertragliche Vereinbarung zwischen zwei und fünf Jahren ab - und das, obwohl ihnen die Cloud volle Flexibilität hinsichtlich der Nutzungsdauer erlaubt und sie monatlich oder sogar wöchentlich wechseln könnten. Sie wollen doch auch Sicherheit haben. Und für uns ist die Sicherheit, mit diesem Kunden langfristig Geschäfte zu machen, sogar noch größer, weil wir ihm viel flexiblere Nutzungsmöglichkeiten geben können", berichtet Braun.

Peter Lorenz, Leiter des Bereichs On-Demand-Solutions bei SAP: "SaaS und PaaS werden in den nächsten Jahren stärker wachsen und höhere Gewinnmargen mit sich bringen."
Foto:

Für Peter Lorenz, Leiter des Bereichs On-Demand-Solutions bei SAP, vermittelt die Cloud vor allem kleinen und mittelständischen Unternehmen auch aus einem anderen Grund neue Freiheiten: "Sie werden Zugriff auf IT-Architekturen erhalten, die bislang nur Großunternehmen vorbehalten waren." Im Umkehrschluss hieße das: Systemhäuser, die ihren Kunden keine Cloud-basierten Angebote unterbreiten möchten, beschneiden sie in ihren Möglichkeiten.

Einstieg aus ganz pragmatischen Gründen

Wann wird die Cloud bei Mittelstandskunden überhaupt ein Thema? "Sie wird sofort interessant, wenn beispielsweise ein IT-Leiter geht oder die Fachabteilung Spezialwünsche hat, die schnell umgesetzt werden müssen", so die Erfahrung von Active-Logistics-Chef Werner Habryka. Das bestätigt auch Inox-Tech-Geschäftsführer Michael Döderlein: "Es sind meist ganz praktische Erwägungen: Wenn es beim Kunden zum Beispiel für ein bestimmtes Thema nur einen Profi im Hause gibt, und der geht in Urlaub, wird krank oder verlässt das Unternehmen, dann gibt es für ihn erst einmal keinen Ersatz." In Fällen wie diesen vereinbart Inox-Tech mit dem Kunden vertraglich definierte "Shared-Services-Verträge". Ein Überwachungs- und System-Management-Tool informiert den Dienstleister rund um die Uhr über den Zustand der Kunden-IT und schlägt im Problemfall Alarm. Inox-Tech kann auch den gesamten Rechenzentrumsbetrieb für den Kunden übernehmen. In diesem Fall bedient man sich der Hosting-Infrastruktur der Tochter Extend-IT.

Hauptmotiv der Endkunden, sich mit Cloud-Angeboten zu befassen, ist an erster Stelle, die Komplexität ihrer IT zu verringern und sich, wenn möglich, überhaupt nicht mehr um ihre IT kümmern zu müssen. Der Wunsch, die Kosten zu reduzieren, folgt erst an zweiter Stelle, wie die Umfrage des Bitkom/HTW Berlin ergab.

"Ich denke, dass in Zukunft mehr in Richtung Cloud und Rechenzentren gehen wird. Ich sehe nichts, was nicht ausgelagert werden könnte", so die Prognose von Oliver Rahn, Geschäftsführer des Gießener Systemhauses Sylphen.

(rb)