Handeln auf allen Kanälen

Wie Omni-Commerce den Online-Handel revolutioniert

30.06.2016 von Tim Hahn
Egal ob zu Hause, im Büro, auf dem Weg zur Arbeit oder auf Reisen – dank mobiler Endgeräte ist der nächste Shoppingtrip immer nur einen Klick entfernt. Dieser Ratgeber erklärt, wie Händler auf diesen Trend zum "Omni"-Commerce reagieren müssen.
 
  • Was den modernen Handel ausmacht
  • Welche Rolle Demografie und Psychologie spielen
  • Wie sich der B2B E-Commerce verändern muss
  • Warum der Point of Interest zum Point of Sale wird

Vor Kurzem erreichte uns eine Umfrage zum Themenkomplex Digital Business und dem prägendsten Trend für 2016. Es standen einige Möglichkeiten zur Auswahl, wir entschieden uns für „Everywhere Commerce“, denn Handel ist heute überall.

Überall und jeder Zeit einkaufen zu können, das ist die Zukunft des Online-Handels.
Foto: JMiks

Was den modernen Handel ausmacht

Zugegeben, der Begriff Everywhere Commerce ist nicht ganz passend, um die aktuellen Entwicklungen im E-Commerce zu beschreiben. Das hat nichts damit zu tun, dass er schon einige Jahre alt ist und es mit Omni-Channel, Cross-Channel oder Omni-Commerce neue Begriffe gibt, die vom Marketing durch die Medienlandschaft getrieben werden. Fakt ist, dass Handel – zumindest im B2C – mittlerweile nicht nur (fast) überall, sondern auch nahezu zu jeder Zeit möglich ist. Es müsste also „Everywhere und Everytime Commerce“ heißen.

Ergebnisse der Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle" 2015
Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Individual-Software ist im Handel traditionell verbreitet und auch für Multichannel bevorzugt.
Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
In Mobile Commerce wird besonders häufig investiert.
Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Bei der Preisgestaltung über die verschiedenen Kanäle sind sich die Vergleichsgruppen uneinig
Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Die Planungen zur Sortimentsauswahl in den Kanälen sind sehr unterschiedlich
Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Auch Fachbereiche wollen die IT bereits in der Strategieentwicklung einbeziehen.
Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Organisatorische Strukturen sind größere Hemmnisse als die Technologie.
Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Umsatzanteile im deutschen Einzelhandel
Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Die Dauer des Wettbewerbsvorteils wird sehr unterschiedlich eingeschätzt.
Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Einzelhandel sieht Multichannel eindeutig als Chance
Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Den einen Vorreiter in Sachen Multichannel gibt es (noch) nicht^.
Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Vor allem in der Elektronik- und Fashion-Branche wird Multichannel-Fähigkeit entscheidend sein
Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Mobile Commerce ist der stärkste Veränderungstreiber für den Einzelhandel.
Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Bedeutung von Multichannel für Elektronik und Fashion am höchsten (Branchenauswertung).

Gleichzeitig verschränken sich die diversen Kanäle funktional immer weiter und lassen sich in ihrer Bedeutung kaum noch differenzieren. Seit sich auch der stationäre Handel der Digitalisierung öffnet und mobile Konzepte integriert, beziehungsweise die Stores und deren Systeme als produktiven Bestandteil einer übergreifenden, vernetzten IT-Infrastruktur versteht, macht eine Unterscheidung nach Kanälen, nach Online und Offline-Welt keinen Sinn mehr.

Alle Channel-Bezeichnungen führen damit in die Irre. Die neuen Technologien haben das Konsumverhalten dynamisiert: Heute können Kunden erstmals frei entscheiden, wann, wo und immer öfter auch wie sie einkaufen. Die Möglichkeiten sind nahezu unbegrenzt. Der Handel ist dabei, ein absolut verfügbarer Prozess zu werden. Die neue Realität heißt Omni-Commerce.

E-Commerce – ein Auslaufmodell?

Was bedeutet das für den E-Commerce als Kanal, Branche und als Technologie? Gehört er vor dem Hintergrund des digitalen Wandels ebenfalls zu den Auslaufmodellen? Zwei Dinge gilt es dabei zu bedenken: den Altersdurchschnitt der Bevölkerung in Verbindung mit typisch menschlichen Beharrungskräften einerseits und die Entwicklungsfähigkeit des E-Commerce andererseits.

Demografie & Psychologie

Nach einer Studie des ECC-Köln kaufen ältere Menschen etwas seltener online ein als jüngere Kunden: In der Gruppe der bis zu 29-Jährigen shoppen 74 Prozent mindestens einmal im Monat im Internet. Bei den über 50-Jährigen sind es „nur“ noch 68 Prozent, die regelmäßig E-Commerce-Kanäle nutzen. Der Unterschied ist also nur gering. Hinzu kommt, dass der Online-Handel in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen ist, lediglich die Wachstumsraten haben sich 2014 / 2015 etwas verringert. Zieht man jedoch detailliertere Statistiken heran, lässt sich erkennen, dass dieses Wachstum nicht über alle Alterssäulen gleich verteilt ist, sondern am stärksten von der Generation junger Erwachsener getragen wird.

Sicher, auch meine Eltern kaufen online ein, aber eben weniger als ich. Und ich für meinen Teil reagiere weniger auf Social Advertising als die jüngeren Kollegen bei netz98. Kurz: Je älter wir werden, umso weniger sind wir bereit, uns auf Neues einzulassen. Wer heute also den E-Commerce im Sinne eines klassischen Online-Handels über Webshops für tot erklärt, weil der Markt so dynamisch sei, verkennt, dass die Marktteilnehmer auch gerne mal träge sind. Für neueste Transaktionsmodelle wie den Amazon-Dash-Button, Curated Shopping à la modomoto, YouTubes Click-to-Shop, betreutes Shopping via enjoy.com oder Operator.com bis hin zur Shareconomy wie bei Uber ist eben noch nicht jeder zu haben.

E-Commerce = Evolution

Nichtsdestotrotz sind diese Technologien und Konzepte auf dem Markt und befriedigen die Anforderungen bestimmter Zielgruppen. Vermutlich werden einige Konzepte wieder verschwinden, weil ihre Bereitstellung aktuell mehr kostet als sie einbringt, die Zielgruppen also noch nicht ausreichend groß sind. Bei entsprechender Marktreife werden sie dann von den „Late Movern“ wieder aufgegriffen.

Wie auch immer sich die einzelnen Angebote entwickeln, sicher ist, dass sich das Konsumverhalten mit der zunehmenden Vielfalt an digitalen Angeboten und Geschäftsmodellen weiter verändern wird. Man sieht schon heute, dass die Konvergenz der Kanäle, die Gleichzeitigkeit von Informations- und Transaktionsmöglichkeiten immer weiter zunimmt. Nur über Art, Umfang und Meilensteine des Wandels lässt sich nichts Konkretes sagen.

Hier kommt die größte Stärke des E-Commerce zum Tragen: seine Vielseitigkeit. Alle der genannten Verkaufsmodelle benötigen für die Transaktion eine Plattform, die die Prozesse abwickelt, eine Oberfläche, die diese dem Kunden darstellt und Experten, die Plattform und Prozesse entwickeln, einrichten und betreuen. In fast allen Fällen ist das der E-Commerce, als Technologie und als Branche. Im Markt gibt es mittlerweile die unterschiedlichsten E-Commerce-Softwaresysteme für die unterschiedlichsten Anforderungen. Manche von ihnen sind so hochgradig anpassbar, dass das Ergebnis nichts mehr mit einem klassischen Shopfrontend, Warenkorb und Checkout zu tun hat.

4 Tipps, wie man mit Multichannel den Verkauf ankurbeln kann
Multichannel-Werkzeuge sinnnvoll einsetzen
Kanäle wie der eigene Onlineshop, Newsletter, soziale Netzwerke und die stationäre Filiale sollten konsequent miteinander verzahnt werden. Quelle: Prodware
Starke IT im Hintergrund
Unternehmen, die das Thema Crosschannel erfolgreich umsetzen möchten, müssen die Weichen in erster Linie mit einer optimalen IT-Infrastruktur stellen. Quelle: Prodware
Potential des stationären Handels nutzen
Geht es um Elektronik und Mode, kaufen Verbraucher ihre Produkte vorzugsweise im stationären Geschäft. Quelle: Prodware
Kanäle klug verzahnen
Mit der stetig wachsenden Zunahme an mobilen Endgeräten erwarten Kunden mehr denn je, Produktinformationen jederzeit und überall abrufen zu können und im besten Falle auch zu kaufen. Quelle: Prodware

Das interne Bestellsystem der Burger King Filialen Deutschlands etwa läuft auf einer Magento-Plattform, einem der verbreitetsten Shopsoftware-Systeme mit einer breiten Palette an Standardoberflächen und Modulen. Die Mitarbeiter von Burger King werden aber vergeblich nach diesen Standards in ihrer Bestelloberfläche suchen. Lediglich hinsichtlich der Usability und der Prozessgestaltung entspricht sie den gewohnten Merkmalen eines Online-Shops.

Entwicklung im B2B

Überhaupt zeigt sich im B2B-Geschäft noch gewaltiger Bedarf an E-Commerce-Lösungen aber auch das nötige Potenzial. Leider gibt es dazu keine brandaktuellen Marktzahlen, die letzte Erhebung ist von 2013 (der B2B E-Commerce hatte einen Anteil von einem Prozent am gesamten B2B-Umsatz). Periodische Unternehmensbefragungen wie der B2B E-Commerce Konjunkturindex von intellishop und des ECC Köln oder eine Erhebung von Eurostat, nach der der Online-Einkauf von Unternehmen von 2014 auf 2015 um 25 Prozent gestiegen ist, zeigen, dass im B2B noch keine Sättigung an traditionellen Online-Handelskonzepten eingetreten ist.

Auch unsere eigenen Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen, dass der B2B in aller Regel erst damit beginnt, neben den etablierten Vertriebswegen einen zusätzlichen Online-Kanal aufzubauen. In einem Vertriebsumfeld, das stark von der Person des Vertrieblers, von Provisionsmodellen und gewachsenen Vertriebsstrukturen geprägt ist, kann er eben häufig lediglich ein Zusatz sein. Mittel- und langfristig, spätestens wenn die Millennials an Entscheidungspositionen aufrücken, ist er aber ein Motor für die Entwicklung moderner, digitaler und leistungsfähiger Vertriebsmodelle.

Blick hinter die Kulissen

Im B2B-E-Commerce zeigt sich aber schon heute die hohe Reife und Leistungsfähigkeit der E-Commerce-Technologien – und auch der Agenturen, die ihn in die Unternehmensprozesse integrieren. Schaut man sich die B2B-Plattformen und ihre Funktionen genauer an, erkennt man, wie tief und umfassend sie in die IT-Landschaft der Unternehmen eingebunden sind. Sie interagieren mit ERP-, CRM- und PIM-Systemen, ermöglichen über Webservices die Anbindung unterschiedlichster Dienste von Drittanbietern, erlauben die Darstellung und Verarbeitung komplexester kundenspezifischer Preismodelle, übertragen automatisiert nach kundenindividuellen Bedürfnissen erstellte Bestelllisten in ein vom Anbietersystem verarbeitbares Format oder bieten nach Nutzerrechten angepasste Oberflächen und Sortimente.

Der B2B E-Commerce ermöglicht damit heute schon weitreichende Personalisierungen, ein Thema, welches das digitale Endkundengeschäft gerade erst für sich entdeckt.

Der Point of Interest wird Point of Sale (PoS)

Zurück ins B2C-Geschäft. Auf dem Weg zu einem Omni-Commerce sind wir momentan auf der Entwicklungsstufe des Omni-Channels angekommen. Der Kunde kann Leistungen über eine Vielzahl von mehr oder minder erfolgreich miteinander verknüpften Kanälen beziehen.

Ein Omni-Commerce ist im Gegensatz zum Omni-Channel aber nicht ein strategisches Absatzmodell, das einige zentrale Vertriebswege durch digitale Services für besondere Nutzungsszenarien verlängert, zum Beispiel den Online-Shop durch einen Click-to-Shop-Button in YouTube-Videos integriert. Omni-Commerce ist eher ein Verständnis von Kundeninteraktion. Dabei stellt sich die Frage: Wollen Händler den Kunden dazu bringen, dass er auf sie zukommt, dass er nach ihren Regeln spielt? Oder wollen sie den individuellen Erwartungen des Kunden entsprechen?

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Der erste Weg führt mit der Zeit sicherlich ins Abseits. Denn Kunden verfügen heute über eine viel größere Autonomie gegenüber dem einzelnen Händler. Dank Online-Handel und Smartphone bietet sich dem Kunden immer und überall eine Möglichkeit, ein Angebot zu finden. Er lebt in der Gewissheit, dass sobald der Wunsch zum Kauf geweckt ist, er auch befriedigt werden kann. Der Point of Interest ist damit gleichzeitig auch der Point of Sale. Sollten die Kundenerwartungen an diesem Punkt aber enttäuscht werden … nun, die Konkurrenz ist nur wenige Klicks entfernt.

Neue Entscheidungskriterien

Aus diesem Grund beschreibt Omni-Commerce eben viel mehr als die permanente Verfügbarkeit. Konsumenten lassen sich beim Kauf nicht nur vom Angebot leiten, sondern auch vom Komfort. Beim Komfort wird das Thema Zeit immer wichtiger. Im Idealfall kann der Kunde genau in dem Moment kaufen, in dem etwas das Kaufverlangen geweckt hat. Von der Kaufentscheidung bis zum Ziel kann es aber auch in Zeiten des Smartphones ein weiter Weg sein.

Wenn aus dem Point of Sale ein "Point of Annoyance" wird

Ein Beispiel: Was tun, wenn man am Samstagabend bemerkt, dass man für den kommenden Dienstag einen neuen Anzug benötigt, da die alten gerade in der Reinigung sind, und keine Zeit für eine abendliche Shoppingtour mehr bleibt? Die Alternative zu Feierabendverkehr, Parkplatzsuche und kurzen Öffnungszeiten ist der Online-Handel, aber da die Zeit knapp ist, bleiben hier nur Anbieter, die einen Expressversand offerieren.

Da erfahrungsgemäß nicht jeder Anzug auf Anhieb sitzt, muss man gleich mehrere bestellen. Bis die zueinander passenden Kombinationen aus Anzug, Hemd und Krawatte ausgewählt und bestellt sind, vergeht einige Zeit. Der eine Artikel ist in der Größe nicht lieferbar, der andere erst in vier Werktagen. Das Angebot wird von Minute zu Minute kleiner. Wären die Öffnungszeiten nicht gewesen, man hätte ebenso gut im Schritttempo ins nächste Einkaufszentrum fahren können.

Fünf Ideen für den Omnichannel-Handel der Zukunft
Echtes Autohaus virtuell besichtigen
Fiat setzt auf Live-Videoübertragungen, um potenzielle Kunden anzusprechen. Dabei präsentieren Mitarbeiter mit Headset und Webcam neue Modelle. Gleichzeitig blendet Fiat Informationen und Farbvariationen ein. Die Zuschauer können Probefahrten vereinbaren.
Über Barcodes Gutscheine für Freunde erstellen
Mit der mobilen Anwendung Jifiti können Nutzer in ausgewählten Geschäften Barcodes an Produkten einscannen und daraus Geschenkgutscheine herstellen. Diese lassen sich digital versenden. Der Empfänger kann damit das Geschenk im Laden abholen oder es online bestellen.
Laden markiert die auf Pinterest beliebtesten Waren
Die in Seattle ansässige Kaufhauskette Nordstrom markiert jene Produkte, die auf Pinterest am häufigsten gepinnt werden. Momentan verfügt Nordstroms Pinterest-Account über 4,5 Millionen Follower, so dass die Schilder die Meinung einer erheblichen Anzahl von Kunden repräsentieren.
Touchscreen mit endlosem Warenkatalog
Die britische Supermarktkette Tesco stellt in Filialen Touchbildschirme auf, auf denen Kunden mehr als 11.000 Produkte finden. Die Artikel lassen sich unter anderem nach Preis filtern. Kunden können die Produkte an einem Abholschalter mitnehmen oder sich nach Hause schicken lassen.
Nahtloser Kundendialog über mehrere Kanäle
Der Anbieter SapientNitro erlaubt mit dem System Connected Retail einen Kundendialog über mehrere Kanäle. Ein Sportartikelhändler ermöglicht Kunden mit Connected Retail, sich zuhause von einer virtuellen Shoppingassistentin online beraten lassen und einen Besuchstermin im Geschäft vereinbaren. Im Laden ist die Assistentin per Bildschirm an der Beratung beteiligt.

Wenn jetzt noch die bestellten Kleidungsstücke nicht wie versprochen am Montag geliefert werden, wurde aus dem Point of Interest / Point of Sale ein "Point of Annoyance". Beim Omni-Commerce hingegen werden alle Aspekte wie Beschaffung, Logistik, Präsentation, Bestellung, Versand, Retouren und dergleichen als Service für den Kunden begriffen und möglichst ganz auf ihn ausgerichtet.

Dass die Fülle an Touchpoints erhalten bleibt und ein Tracking über alle Touchpoints realisiert wird, ist obligatorisch. Zwar bleibt „Omni“ natürlich ein unerreichbares Ideal. Das Ziel ist es aber, dem Kunden so weit wie möglich entgegenzukommen und die kostbare Ressource Zeit zu schonen. Im obigen Beispiel wäre die Kombination aus Curated Shopping wie bei Outfittery und der Leistungsfähigkeit des Amazon-Prime-Dienstes die beste Lösung.

Im Future-Commerce steckt leistungsfähiger E-Commerce

Wirtschaftlich lässt sich ein solches Konzept aber nur umsetzen, wenn sich ein individuelles Set an Touchpoints und Services einfach zusammenstellen und jederzeit wieder ändern lässt. Dem E-Commerce kommt dabei eine doppelte Rolle zu. Technologisch bietet er eine Plattform, die sowohl die Ausgabe in ein Frontend ermöglicht – was nicht zwingend der Shop sein muss – als auch die Transaktionsprozesse im Handel managt.

Bei modernen E-Commerce-Systemen ist diese Trennung zwischen Frontend- und Backend-Prozessen, zwischen Ausgabe und Geschäftslogikebene, sehr eindeutig und kann sogar über zwei unterschiedliche Systeme realisiert sein.

Hinzu kommt eine optimale Verbindbarkeit mit digitalen Systemen und Services Dritter. Vereinfacht gesagt, sind moderne E-Commerce-Plattformen in der Lage, sowohl die „Inhalte“ für unterschiedlichste Kanäle und Touchpoints auszuspielen (Shops, mobile Endgeräte, Kassensysteme, Verkaufsschalter, Medien) als auch umgekehrt die hier angestoßenen Transaktionen problemlos zu verarbeiten und entsprechende Prozesse in anderen Systeme wie ERP, CRM oder Payment-Systeme anzustoßen.

Das Einzige, was noch fehlt, ist die Bereitschaft von „Frontend-Anbietern“ wie Publishern, Social-Media-Plattformen oder auch der Industrie überall dort, wo Kunden aktiv sind, Shopping-Funktionen zu erlauben. Denn aus Perspektive des E-Commerce ist es egal, ob über ein Shopfrontend, ein YouTube-Video oder eine der letzten Litfasssäulen geshoppt wird.

Als Branche stehen wir vor der Aufgabe, das Potenzial des E-Commerce als zentrale Plattform für alle Handelsprozesse zu begreifen, unser Mindset entsprechend anzupassen und unseren Kunden zu verdeutlichen, dass es schon mittelfristig keine Entscheidung mehr zwischen Online- und Offline-Welt geben kann. Digitaler Handel, E-Commerce ist überall und immer. (haf)

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