AMDs Einstieg in den Markt für Server-Prozessoren

14.06.2001
Mit seinem ersten dual-fähigen Prozessor will AMD auch die letzte Bastion des Marktführers Intel stürmen. Dass der Herausforderer dabei mehr auf Ausdauer denn auf Sprint setzt, beweist, dass AMD die Regeln dieses Marktes erkannt hat.

We want it rock solid" - "wir wollen ein stabiles System" - diese Kernaussage von Richard Heye, Vice President Platform Engineering & Infrastructure Enablement bei AMD, gab den Tenor bei der Vorstellung des neuen Prozessors "Athlon MP" (MP für "multi-processing") sowie des zugehörigen Chipsatzes "760MP" an. Zusammen mit dem Mainboardhersteller Tyan, der mit dem "Thunder K7" das erste und derzeit einzige marktreife Board für Athlon-Dual-Prozessor-Lösungen präsentierte, verwies man mehrfach auf die lange Entwicklungsphase, um auch die letzten Bugs auszutreiben.

Damit hat sich AMD auf die gänzlich andere Struktur des Worksta-tion- und Entry-Level-Servermarktes eingestellt. Anders als bei den Desktop-PC-Systemen, kann man hier mit GHz-Rekorden keine Punkte sammeln. Erste Prämisse bei diesen Produkten ist die Stabilität. Natürlich ist Leistung nicht unwichtig, doch es ist ein sekundäres Kriterium. Wenn man die Kosten betrachtet, die ein Serverausfall oder der Datenverlust bei einem Systemabsturz verursachen, ist das offensichtlich.

Einen Wettstreit mit Intels Xeon wollte AMD nicht riskieren. Man habe sich auf die Ahlon-MP-Entwicklung konzentriert, um sich durch die notwendigen Anpassungen, um bei den PC-Versionen mitzuhalten, nicht ablenken zu lassen, begründet Richard Heye das Vorgehen. AMD wolle weder dem Anwender noch der Industrie technische Sprünge aufzwingen. Dies betrachtet man auch als eines der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale zu Intel. "Niemand will seine gesamten Netzwerke umkrempeln, nur um auch 64-Bit-Applikationen laufen zu lassen", glaubt Richard Heye in einem Ausblick auf die weitere Entwicklung bei den Multiprozessor-CPUs im eigenen Haus.

Anders als Intel mit dem Itanium, der 32-Bit-Software auf Grund seiner neuartigen Architektur in einem emulierten und dadurch deutlich langsameren Modus bearbeitet, bleibt man bei AMD auch weiterhin dem x86-Konzept treu und bohrt dieses nur auf. Dadurch können auch bei den zukünftigen Prozessoren der "Hammer"-Familie aktuelle Anwendungen direkt von der CPU bearbeitet werden.

Palomino statt Thunderbird

Doch auch ohne technische Sprünge überzeugt das Erstlingswerk durch sinnvolle Ideen und komplette Ausstattung. Das Tyan-Board soll alles mitbringen, was man auf einer Server- oder Workstation-Plattform erwartet. So bietet es fünf 64 Bit breite, mit 33 MHz getaktete PCI-Slots, AGP 4x, zwei 3Com-LAN-Adapter und Adaptecs 7899W-Zweikanal-Ultra-160-SCSI-Controller. Optional ist auch Onboard-VGA möglich. Die vier Speichersockel sind schräg liegend angeordnet, um auch in 1U-Entrylevel-Servern zu passen. Sie verlangen zwingend nach Registered-DDR-SDRAM, wobei sowohl Module mit und ohne ECC (Error Correction Code) unterstützt werden.

Doch auch die CPU, die zum Launch mit 1,0 und 1,2 GHz verfügbar ist, kommt mit einigen neuen Funktionen daher. Zunächst einmal basiert sie nicht mehr auf dem Thunderbird-Kern der Desktop-Versionen, sondern auf dem Palomino-Core. Obwohl noch immer im 0,18-Mikrometer-Verfahren gefertigt, reduziert das die Leistungsaufnahme um bis zu 20 Prozent gegenüber dem Vorgänger. In dem nur unwesentlich vergrößerten Kern wurden zudem "data pre-fetch", eine Optimierung des Speicherzugriffs, ein um 52 Befehle erweiterter 3Dnow-Befehlssatz und die Smart-MP-Technologie integriert. Mit den erweiterten 3Dnow-Befehlen ist der Prozessor in der Lage, auch für Intels SSE optimierte Software ohne Leistungseinbußen auszuführen.

Jedem das Seine

Doch besonders Smart MP (Smarter Multiprocessing) liefert interessante Ansätze. Herz der Idee ist ein Dual-Point-to-Point-Systembus, der die beiden Prozessoren mit 266 MHz direkt verbindet. Er bietet mit bis zu 4,2 GB/s ausreichend Bandbreite. Zudem beschleunigt eine Cache-Kontrolle die Verarbeitungsgeschwindigkeit, indem sie überwacht, welche Daten von welcher CPU benötigt werden und welche Daten diese sich teilen.

Überhaupt hat man versucht, den Speicherzugriff zu optimieren. In diesen Bereich fällt auch die Verwendung der Split-Transaction-Bus-Architektur. Sie soll Verzögerungen durch serielle, also nacheinander ausgeführte Kommunikationsschritte vermeiden, indem getrennte Kanäle für die Befehls- und Datenübertragung zwischen den Prozessoren und dem System genutzt werden.

Der erste Schritt in den Markt ist also getan. Jetzt gilt es zu beweisen, dass die Vorteile, die AMD-Systeme bei den PCs bieten - höhere Performance bei niedrigeren Kosten -, äquivalent auch wirklich auf den Workstation- und Serverbereich zutreffen. Gekoppelt mit der notwendigen Stabilität, könnte ein weiteres Mal eintreten, was die Auguren für Unmöglich hielten: Hieß es in der Vergangenheit doch stets, AMD könne das eine, aber mehr auch nicht. Bisher hat man stets Durchhaltevermögen bewiesen und genau das ist es, was diesmal mehr denn je gefragt sein wird.

ComputerPartner-Meinung:

Erste Prämisse bei Servern ist ihre Stabilität, erst dann ist Schnelligkeit gefragt. Und bei Server-Prozessoren aus dem Hause Intel wissen die IT-Entscheider, woran sie sind. AMD betritt mit dem dual-fähigen Athlon MP Neuland. Daher gilt es zunächst zu beweisen, dass die vollmundigen Versprechungen mehr als nur heiße Luft sind. (tm)

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