Das Ende der ISDN-Ära

AVM schickt ISDN-Controller B1 in Rente

Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Nach 25 Jahren stellt Fritzbox-Bauer AVM die Produktion des aktiven ISDN-Controllers B1 ein. Die ISDN-Karte war das erste Produkt der Berliner Company und bildete den Grundstock für das spätere Wachstum des Unternehmens.
25 Jahre: Im Bild links der erste ISDN Controller B1, rechts einer der letzten ISDN Controller B1 PCI 4.0.
25 Jahre: Im Bild links der erste ISDN Controller B1, rechts einer der letzten ISDN Controller B1 PCI 4.0.
Foto: AVM

Überall kurz mobil online gehen, und das dank LTE mit Geschwindigkeiten von bis zu 150 Mbit/s? Remote ins Firmennetz einloggen mit 100 Mbit/s per Glasfaser oder TV-Kabelnetz? Als AVM vor 25 Jahren den aktiven ISDN-Controller B1 auf den Markt brachte, wagten die Anwender von solchen Geschwindigkeiten kaum zu träumen. Zur Erinnerung: Als die Deutsche Bundespost 1987 in Deutschland mit Pilotprojekten in Mannheim und Stuttgart die Einführung von ISDN startete, schien dies in Sachen Datenübertragung ein Quantensprung zu sein. Daten konnten endlich mit der digitalen Technik zuverlässiger als mit Modem oder Akustikkoppler übertragen werden. Und das mit für damalige Zeiten berauschenden Geschwindigkeiten von bis zu 128 Kbit/s (Bündelung zweier ISDN-B-Kanäle) oder maximal 1920 Kbit/s (Bündelung von 30 Nutzkanälen beim ISDN-Primärmultiplexanschluss). Mit einem Modem (V.90, V.92) waren unter optimalen Bedingungen lediglich Transferraten von bis zu 56 Kbit/s zu realisieren - und dies auch erst ab 1998 als der V.90 Standard endlich beschlossen wurde.

Vor diesem Hintergrund waren ISDN und die entsprechenden Controller zur Datenübertragung zum damaligen Zeitpunkt eine technische Meisterleistung. Im Zuge der ISDN-Einführung entwickelte sich in Deutschland rund um das Thema ISDN ein richtiges Gründerfieber. Doch von den vielen, meist mittelständischen Unternehmen überlebten nur wenige, da sie meist den Sprung in den neue All-IP- sowie xDSL-Welt nicht schafften. Zu den wenigen, denen dies gelang, gehört AVM. Das Unternehmen hatte sich mit seinen ISDN-Controllern einen guten Ruf in Sachen Zuverlässigkeit und Treiber-Support erarbeitet. So diente der AVM B1 als Referenzprodukt von sieben PC-Betriebssystemen. Dabei konnten die Berliner in 25 Jahren über 400.000 ISDN-Controller verkaufen.

Da die Telekommunikationsunternehmen ihre ISDN-Netze jedoch sukzessive auf Nachfolgetechnologien wie IP-basierte Übertragungswege von Sprache umrüsten und zudem einzelne Bauteile des Controllers nicht mehr lieferbar sind, gestaltete sich die Produktion der B1 in den letzten Jahren immer schwieriger. Somit ist es laut AVM Zeit, sich von einem Klassiker zu verabschieden. Für die ISDN-Produktfamilie wird es, so die Berliner, keinen direkten Nachfolger mehr geben. Den Support für die B1 hält das Unternehmen noch bis Ende 2014 aufrecht.

Damit endet nun eine Erfolgsgeschichte, denn ISDN und Controller wie die B1 veränderten damals unsere Kommunikationswelt. Unternehmen wie die Steuerberatungsgenossenschaft Datev oder die Postbank konnten dank des ISDN-Controllers Weitverkehrsnetze (X.25) aufbauen und zwischen den Standorten faxen und ihre Daten austauschen. Neben Zuverlässigkeit und Support war die Flexibilität des Controllers ein Erfolgsfaktor. So passte sich die B1 im Laufe der Jahre an alle neuen PC-Bussysteme an. So gab es die B1 in Adaptionen für ISA 8/16Bit, MCA, PCMCIA, PCI und USB.

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