Die Kunst der Rhetorik

07.12.2006
Von Jasmin Kirchner
Erfolge hängen nicht selten von der gekonnten Ausdrucksweise ab. Wie man die richtigen Worte findet, erklärt Jasmin Kirchner.

Der Ursprung der Rhetorik reicht bis in die Antike zurück. Vor langer Zeit erdacht und entwickelt, um die eigene Meinung nach außen zu tragen, um Fürsprecher und Mitstreiter zu finden und um an Einfluss zu gewinnen, hat die Rhetorik die Zeit überdauert und kommt heute in vielen Bereichen zum Einsatz.

Besonders im Berufsleben werden hohe Anforderungen an Ausdrucksweise und kommunikative Fähigkeiten gestellt. Nicht selten hängen Erfolge von der richtigen Wortwahl ab. Bei der Vorstellung eines Projektes, bei Vertragsverhandlungen oder im Verkauf kommt es darauf an, die richtigen Worte zu finden und sich auf den Gesprächspartner einzustellen. Rhetorik ist Kunst. Rhetorik ist Macht.

Erfolgreiche Kommunikation

Die Redefähigkeit ist uns von Natur aus mitgegeben, das Talent der wirkungsvollen Gesprächsführung jedoch ist den allerwenigsten in die Wiege gelegt. Auch großartige Rhetoriker wie John F. Kennedy oder Martin Luther King haben ihre ergreifenden und weltbekannten Reden vorbereitet und einstudiert. Beredtsamkeit basiert auf Übung und Training. Viele Menschen mit Führungs- oder Vorbildfunktion nutzen professionelle Unterstützung, um die hohe Kunst der Freien Rede zu erlernen und in Politik und Wirtschaft souverän aufzutreten. Um die richtigen Worte zu finden und diesen durch entsprechende Körpersprache noch mehr Bedeutung zu verleihen, arbeiten sie täglich an ihrer Redepraxis und vervollkommnen diese durch Erfahrungen und neues Wissen.

Gute Rhetorik gibt es nicht per Knopfdruck oder Befehl. Im täglichen Dialog mit unterschiedlichen Gesprächspartnern ist es notwendig, die momentan wichtigen Aspekte zu (er-)kennen und entsprechend zu formulieren. Eine umfassende Allgemeinbildung und rhetorisches Wissen sind notwendig, um Inhalte und Botschaften erfolgreich zu vermitteln. Die Präsentation eines neuen Produktes zum Beispiel verlangt nach unterschiedlichen Argumenten, je nachdem, ob es sich bei dem Auditorium um Kunden oder Finanziers handelt. Entsprechend der Situation der Hörer müssen relevante Inhalte der Rede hervorgehoben und das Vokabular des Publikums aufgegriffen werden.

Rede, Präsentation und Moderation

Ob freie Rede oder Präsentation mit Medieneinsatz - es geht immer darum, andere Menschen in Vortragsform mit den eigenen Gedanken, Informationen und Botschaften zu erreichen. Dies gelingt am besten, wenn die Vortragspräsentation Schritt für Schritt angegangen wird. Dadurch werden die entsprechenden Voraussetzungen für eine erfolgreiche Ansprache geschaffen. Bei der Anfertigung eines Vortrags hat sich folgende Vorgehensweise bewährt:

3 Vortragsziele formulieren und festlegen

3 Zielgruppenanalyse durchführen

3 Stoff und Inhalte der Präsentation ermitteln

3 Dramaturgie festlegen

3 Rede anfertigen, schreiben und formulieren

Auf die Gesprächspartner einstellen

Die Vorgehensweise bei der Erstellung eines Vortrags oder einer Präsentation ist nicht an einen bestimmten Zweck gebunden. Wichtige Unterschiede entstehen durch Zielsetzung, Inhalt und Aufwand. Eine Rede, die bei einer Zuhörergruppe für Zustimmung und Begeisterung sorgt, löst bei der nächsten Gruppe womöglich nur ein müdes Lächeln aus, wenn die Inhalte nicht geprüft und angepasst wurden.

Um beim Beispiel des neuen Produktes zu bleiben: Die einen möchten Informationen über den Nutzen und die Vorteile, die Einsatzmöglichkeiten und den Preis der Neuheit. Die anderen interessieren sich für Verkaufszahlen und Rentabilität. Nur wenn Sie es schaffen, in beiden Fällen Ihre Ansprechpartner für Ihr Produkt zu begeistern, werden Sie erfolgreich sein.

Es ist also unbedingt notwendig zu wissen, welche Punkte Sie ansprechen müssen, um bei Ihrem Gegenüber nachhaltiges Interesse zu erzeugen. Dazu gehört auch der Einsatz spezieller Fachbegriffe, die Ihr Gesprächspartner leicht und direkt zuordnen kann. So gewinnen Ihre Ideen und Argumente an Kontur und Überzeugungskraft.

Fassen Sie sich kurz

Ein guter Vortrag zeichnet sich also vor allem dadurch aus, das er auf den Personenkreis eingeht, den es zu erreichen gilt. Neben entsprechenden Formulierungen ist es daher auch angebracht, die Aufnahmefähigkeit der Menschen zu beachten. Die Dauer einer Rede sollte nicht länger als 45 Minuten betragen, ohne eine Pause zu machen.

Bestimmt kennen Sie das Phänomen des Zeitempfindens: Je nach Situation vergeht die Zeit wie im Flug, oder sie schwindet nur zähfließend dahin. Nutzen Sie diese Erkenntnis bei der Vorbereitung Ihrer nächsten Präsentation: Bauen Sie ein modernes Spannungsmuster auf, und nehmen Sie Ihr Publikum mit auf eine Reise.

Methodik und Kompetenz

Hier kann man von erfolgreichen Verkäufern lernen - sie folgen mit ihren Gesprächen dem Modell AIDA:

3 Attention: Aufmerksamkeit gewinnen

3 Interest: Interesse wecken

3 Desire: Wünsche wecken, Perspektive aufzeigen

3 Action: Anstiften zur Handlung und Umsetzung

Bei der Festlegung der Dramaturgie einer Rede können die AIDA-Bausteine folgendermaßen umgesetzt werden:

3 Aufmerksamkeit gewinnen: durch einen ansprechenden Einstieg in den Vortrag, die Vorstellung der eigenen Person, einen aktuellen Anlass oder einen witzigen Spruch

3 Interesse wecken: Bekanntgabe der Themenschwerpunkte

3 Wünsche wecken: durch zielgruppenorientierte Argumentation

Der letzte Punkt, die Handlung zur Verwirklichung der Wünsche, bleibt den einzelnen Zuhörern selbst überlassen. Je nachdem, welche Ziele der Vortrag hatte, kann das nun die Zustimmung zu der Meinung des Redners sein, wodurch die Hörer an dessen brillanten Ideen teilhaben, oder die Zusage zur Finanzierung einer Innovation, um am Gewinn beteiligt zu sein.

Entsprechend dem Inhalt und den Zielen der Ansprache kann der Spannungsbogen auch durch einen chronologischen oder sich steigernden Redeaufbau erzeugt werden. Bei einem Diskurs bietet sich dialektisches Vorgehen an (These, Antithese und Synthese), und wenn verschiedene Schritte einer Entwicklung aufzuzeigen sind, ist die reihende Gliederung angebracht. Die Auswahl der richtigen Methode ergibt sich aus den Inhalten und Zielen des Vortrags.

Tipps und Tricks, wie man ein guter Redner wird

Beispiele für ergreifende und unvergessene Reden gibt es einige (zum Beispiel John F. Kennedys Rede zum Amtsantritt oder Martin Luther Kings Rede bei der Protestkundgebung in Washington 1963). Lernen Sie von den Besten! Die großen Ansprachen können Sie zum Teil nachlesen oder auch als Videosequenzen anhören und ansehen. Manchmal lohnt auch das Anschauen einer Bundestagsdebatte - natürlich mit Beispielen von Rednern mit Stil und Klasse ebenso wie auch mit scheinbar hoffnungslosen Fällen.

Die Ansprache vor Publikum stellt besondere Anforderungen an den Redner. Durch Übung können Lampenfieber und Unsicherheit abgebaut werden. Nutzen Sie deshalb alle sich bietenden Gelegenheiten zur Rede, seien es Geburtstage, Vereinsansprachen oder Firmenjubiläen, und auch die Ehre einer Trauerrede mag einmal auf Sie zukommen. Bereiten Sie sich vor und achten Sie beim Vortrag auf die Reaktionen der Zuhörer: Lassen Sie sich im Anschluss Feedback geben und fragen Sie auch nach, welchen Eindruck Sie beim Publikum erweckt haben.

Vergleichen Sie das Bild, das Sie von sich selbst haben, mit dem, das die anderen sich von Ihnen gemacht haben (Eigen- und Fremdbild). Um ein Thema, das Ihnen am Herzen liegt richtig zu vermitteln, müssen Aussage und Auftreten übereinstimmen. Die Körpersprache sollte das Ausgesprochene unterstützen und bekräftigen. Einige Übungen vor dem Spiegel oder eine Videoanalyse sind sehr hilfreich. Auch hier kann man aus den Medien lernen, oftmals auch, wie es nicht sein sollte - oder würden Sie einem aufs Feinste herausgeputzten Vorstandsprecher, der lachend und bestens gelaunt der versammelten Belegschaft die Streichung jedes vierten Arbeitsplatzes verkündet, die geäußerte Betroffenheit abnehmen?

Letzte Vorbereitungen

Vor einem Meeting, einer wichtigen Präsentation oder einem Geschäftsgespräch sollten Sie Ihre Redepraxis und Ihr Stichwortmanuskript nochmals überprüfen. Bleibt Ihnen noch etwas länger Zeit bis zum Auftritt, können Sie sich gegebenenfalls professionelle Unterstützung holen. Die in einem Training vermittelten Kenntnisse und Methoden lassen sich in allen Bereichen des täglichen Miteinanders einsetzen und weiterentwickeln.

Weitere Tipps:

3 Wählen Sie Ihre Kleidung entsprechend dem Anlass.

3 Tragen Sie Ihren Vortrag anhand des Stichwortmanuskripts vor.

3 Üben Sie vor dem Spiegel, achten Sie auf Ihre Körperhaltung.

3 Machen Sie sich mit den räumlichen und technischen Begebenheiten vertraut.

Mit einer guten Vorbereitung werden Sie bei der nächsten Besprechung souverän Ihre Pläne und Standpunkte mitteilen und Ihre Zuhörer auf der richtigen Ebene ansprechen. Ist es nicht schön, dass wir durch die ständige Erweiterung unseres Wortschatzes, durch Übung und Training, ein ganzes Leben lang die gleiche Begeisterung entfachen können, die wir mit unserem ersten Wort im Kindesalter erreicht haben? MF

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