Autonomes Fahren

Es geht um die Datenhoheit, nicht ums Auto



Christoph Lixenfeld, seit 25 Jahren Journalist und Autor, vorher hat er Publizistik, Romanistik, Politikwissenschaft und Geschichte studiert.

1994 gründete er mit drei Kollegen das Journalistenbüro druckreif in Hamburg, schrieb seitdem für die Süddeutsche Zeitung, den Spiegel, Focus, den Tagesspiegel, das Handelsblatt, die Wirtschaftswoche und viele andere.

Außerdem macht er Hörfunk, vor allem für DeutschlandRadio, und produziert TV-Beiträge, zum Beispiel für die ARD-Magazine Panorama und PlusMinus.

Inhaltlich geht es in seiner Arbeit häufig um die Themen Wirtschaft und IT, aber nicht nur. So beschäftigt er sich seit mehr als 15 Jahren auch mit unseren Sozialsystemen. 2008 erschien im Econ-Verlag sein Buch "Niemand muss ins Heim".

Christoph Lixenfeld schreibt aber nicht nur, sondern er setzt auch journalistische Produkte ganzheitlich um. Im Rahmen einer Kooperation zwischen Süddeutscher Zeitung und Computerwoche produzierte er so komplette Zeitungsbeilagen zu den Themen Internet und Web Economy inklusive Konzept, Themenplan, Autorenbriefing und Redaktion.
Alle glauben an den Erfolg selbstfahrender Autos. Dabei geht es gar nicht um die Frage Lenkrad oder nicht, weder für Google noch für Daimler.
 
  • Wer nicht mehr auf den Verkehr achten muss, kann sich Werbung ansehen, darum geht es beim Google Car.
  • Die US-Digitalkonzerne wollen gar keine eigenen Autos produzieren.
  • Gefährlich werden Google und Co. für Autohersteller deshalb, weil sie im Kampf um Kundendaten die Nase vorn haben.

"Wir stehen vor einer Neuerfindung des Automobils", so Dieter Zetsche vor ein paar Wochen in einem Interview. Der Daimler-Chef meinte damit keineswegs jene 11 neuen Modelle, die das Unternehmen bis 2020 noch auf die Räder stellen will. Sondern die Bemerkung war eine Verbeugung vor Googles autonom fahrenden Auto.

Dass der US-Datenkonzern in das Daimler-Territorium einbrechen will, mache ihm dabei allerdings keineswegs Angst. Stattdessen setzt er auf Kooperation: "Eine Option könnte sein, dass die Autos in einem Joint Venture entstehen und wir diese dann bauen", so Dieter Zetsche.

Ein bisserl lustig ist diese Vorstellung deshalb, weil viele der aktuellen und erst recht der geplanten Daimler-Modelle so ganz und gar keine Ähnlichkeit haben mit Googles Selbstfahrauto: hochbeinige Schützenpanzerhaftigkeit mit kleinen Fensterflächen hier, winzige Räder und große Scheiben dort.

"Google und Apple wollen keine Autos bauen"

Wenn das Auto autonom Tempo und Richtung bestimmt, dürften PS und Image nur noch eine untergeordnete Rolle spielen.
Wenn das Auto autonom Tempo und Richtung bestimmt, dürften PS und Image nur noch eine untergeordnete Rolle spielen.
Foto: BMW Group

Außerdem stellt sich die Frage, warum der Fahrer für acht Gänge und 400 PS Geld ausgeben sollte, wenn nicht er selbst, sondern ein Computerprogramm über Tempo und Fahrstil entscheidet?

Gerade die Deutschen legen beim Fahren großen Wert aufs Handgemachte, weniger als 30 Prozent der Autokäufer ordern hierzulande ein Automatikgetriebe. Trotzdem ist natürlich nicht auszuschließen, dass der Angestellte eines Tages morgens in ein fahrbares Ei steigt und sich vom Computer ans Ziel kutschen lässt, während er einen Film ansieht.

Vor der "Neuerfindung des Automobils" stehen wir aber vermutlich schon eher. Und dabei geht es um Daten, nicht um die Frage, ob der Mensch das Gefährt noch lenken muss oder nicht. Der Kampf der Zukunft lautet nicht "Alphabet GTI" (der Google-Konzern heißt seit Kurzem Alphabet) gegen "Daimler GLE". Denn "Google und Apple wollen doch nicht ernsthaft Autos bauen, wer glaubt denn sowas?", wie VW-Aufsichtsratschefs Bernd Osterloh im März treffend bemerkte.

Es geht um Daten

Warum sollten sie auch? Google hat 2013 etwa halb so viel umgesetzt wie Daimler - und mehr als 24 Prozent Gewinn vor Steuern gemacht. Daimler musste sich mit 7,4 Prozent begnügen. Schon diese Zahlen sprechen dafür, dass die Autohersteller den Googles und Apples Konkurrenz machen wollen und nicht umgekehrt.

Es geht nicht um Autonomie, sondern um Daten und um die Hoheit über sie. Im Juli kauften Daimler, BMW und Audi gemeinsam Nokias Kartendienst "Here" für rund 2,5 Milliarden Euro. Location-Dienste sind ein wichtiger Baustein für die Gewinnung von Bewegungsdaten und damit verbundene regional angebundene Services - Google Maps lässt grüßen. "Wenn es um die Verwertung von Daten geht, sehe ich Apple und Google als Konkurrenten", sagt VW-Betriebsrat Bernd Osterloh.

Ganz so unverblümt geben Manager natürlich nicht zu, worum es im Kern geht. Im Gegenteil: Wenn Unternehmenslenker in Deutschland über Daten sprechen, beschwichtigen sie eher und wiegeln ab.

Dieter Zetsche in einem Interview mit der Welt zum Thema Daten: "Wir werden keine Chance für ein Geschäft mit der Weiterverwertung nutzen, wenn das nicht erwünscht ist." Und weiter unten als Antwort auf den Einwurf, Daimler könne ja mit personenbezogenen Daten selbst "ein super Geschäft machen", sagte Zetsche: "Nein, ausgeschlossen. Für uns haben diese Informationen ausschließlich den Zweck, Betrieb, Service und Kundennutzen unserer Autos zu optimieren."

Selbst wenn das bezogen auf die verkauften Mercedes-Fahrzeuge stimmen sollte: Daimler ist über andere Quellen einer der größten Sammler von Bewegungsdaten in Deutschland. Das Unternehmen hat im vergangenen Jahr die Smartphone-Taxivermittlung Mytaxi zu 100 Prozent übernommen, bei deren Nutzung der Kunde (zwangsläufig) mitteilt, wann er von wo wohin fährt.

Car2go von Profitabilität weit entfernt

Gemeinsam mit Europcar betreibt Daimler außerdem die Smart-Vermietung Car2go. Trotz vieler Kundenproteste verbannt das Unternehmen die anfänglich eingesetzte Member-Card zum Öffnen und Schließen Schritt für Schritt aus den Fahrzeugen, stattdessen sollen irgendwann alle Smarts nur noch über eine App auf dem Smartphone nutzbar sein.

Über das Warum der Umstellung äußerte sich Car2go stets nur vage. Fakt ist, dass das Unternehmen so Zugriff auf die "Datenmaschine Smartphone" ihrer Kunden bekommen kann.

Die Geschäftsgebiete schrumpfen

Dritter Stern in Daimlers Datenkosmos ist "Moovel", laut Selbstbeschreibung eine "offene Mobilitätsplattform", die in jeder Situation die optimale Verbindung zum Ziel finden soll. Mit von der Party sind neben den (ganz oder teilweise) Daimler-eigenen Diensten Mytaxi und Car2go die Bahn, Verkehrsverbünde oder Fahrradverleihe.

Nach Angaben von Daimler fußt das Geschäftsmodell von Moovel auf den Gebühren dieser externen Anbieter. Und auch Car2go ist nach offizieller Lesart nicht auf der Welt, um Daten zu sammeln, sondern das Unternehmen soll Geld mit dem Verleih von Smarts verdienen.

Richtig gut zu laufen scheint das Geschäft allerdings nicht. Während Car2go Anfang 2013 angab, in drei Städten bereits Gewinn zu erwirtschaften, hieß es im Herbst 2014, insgesamt sei die Gewinnschwelle frühestens 2016 erreicht. Ebenfalls noch 2014 wurde der Standort Ulm dichtgemacht.

BMW ist schon einen Schritt weiter

Im Sommer 2015 schließlich verkleinerte das Unternehmen seine Geschäftsgebiete - das heißt jene Teile der Städte, in denen Car2go genutzt werden kann - in Berlin, Hamburg, München, Köln/Düsseldorf und Wien. Vor allem im Vorzeigestandort Berlin schrumpfte das Geschäftsgebiet deutlich. Der Grund: Außerhalb der Kernzonen stehen die Smart zu lang ungenutzt herum.

Doch selbst wenn das Vermietgeschäft in Zukunft noch schlechter läuft, muss das kein Problem sein. Die Beratungsgesellschaft KPMG hat Anfang des Jahres ein rettendes Geschäftsmodell entwickelt: Werbung auf Basis der während der Fahrt gewonnenen Kundendaten, zum Beispiel für Restaurants, die auf dem Weg liegen.

BMWs Car2go-Konkurrent DriveNow (gemeinsam mit Sixt) ist hier schon weiter als Daimler: Im Bedien-Menü der bereitgestellten Minis und 1er-BMWs finden sich schon heute Angebote von Skizentren oder Thermen.

Zur Startseite