FOKUS: E.ON-Netz-Deal bringt Bewegung in Europas Energiebranche

13.03.2008
Von Andreas Heitker DOW JONES NEWSWIRES DÜSSELDORF (Dow Jones)--Deutschlands größter Energiekonzern E.ON hat sich mit der Ankündigung, sein Stromnetz und Teile der deutschen Energieerzeugung aufzugeben, nicht nur vom Damoklesschwert einer milliardenschweren Kartellstrafe befreit. Der angestrebte Deal mit der EU-Kommission dürfte auch nachhaltig Bewegung in die europäische Energielandschaft bringen. Der Verkaufsdruck bei anderen Netzbetreibern wird nach Meinung von Branchenexperten nun zunehmen. Die von E.ON angebotenen Kraftwerkskapazitäten sollten die Konkurrenz dabei zur Herausgabe eigener Stromaktivitäten bewegen.

Von Andreas Heitker DOW JONES NEWSWIRES DÜSSELDORF (Dow Jones)--Deutschlands größter Energiekonzern E.ON hat sich mit der Ankündigung, sein Stromnetz und Teile der deutschen Energieerzeugung aufzugeben, nicht nur vom Damoklesschwert einer milliardenschweren Kartellstrafe befreit. Der angestrebte Deal mit der EU-Kommission dürfte auch nachhaltig Bewegung in die europäische Energielandschaft bringen. Der Verkaufsdruck bei anderen Netzbetreibern wird nach Meinung von Branchenexperten nun zunehmen. Die von E.ON angebotenen Kraftwerkskapazitäten sollten die Konkurrenz dabei zur Herausgabe eigener Stromaktivitäten bewegen.

Insgesamt könnte der Wettbewerb im europäischen Strom- und Gasmarkt so einen deutlichen Schritt vorankommen. Der Energieexperte der Beratungsagentur A.T. Kearney, Florian Haslauer, hält den Netz-Deal mit Brüssel deshalb auch für einen "klugen Schachzug" des Vorstandsvorsitzenden Wulf Bernotat. "Mit der ohnehin schon breiten Aufstellung würde E.ON selbst besonders stark von einem anziehenden Wettbewerb in Europa profitieren."

Der Düsseldorfer DAX-Konzern opfert hierfür einen nicht unwesentlichen Teil des Heimatmarktes: Neben der Abgabe des Hochspannungsnetzes sieht die Übereinkunft mit der Kommission den Verkauf von 4.800 Megawatt (MW) an Erzeugungskapazitäten vor. Das ist immerhin die Leistung von vier bis fünf Großkraftwerken und entspricht fast 20% der gesamten heutigen Kraftwerksleistung von E.ON in Deutschland. Im Gegenzug stärkt das Unternehmen aber sein europäisches Geschäft: Denn die 4.800 MW sollen nicht einfach verkauft, sondern gegen andere Stromaktivitäten eingetauscht werden.

Damit geht der Konzern in die Offensive und bietet seinen Konkurrenten ein Tauschgeschäft an, das diese kaum ausschlagen können. Viele Strom- und Gasversorger lauern nämlich schon lange auf die Chance, im großen Stil in den deutschen Markt einzusteigen. Die E.ON-Kapazitäten werden das Interesse von nahezu allen anderen großen Energiekonzernen in Europa wecken, zeigt sich Analystin Deborah Wilkens von Goldman Sachs sicher.

Nach ihrer Einschätzung profitiert E.ON bei dem beabsichtigten Asset Swap außerdem noch davon, als erstes Unternehmen diesen Weg eingeschlagen zu haben. "Wir erwarten, dass sich unter dem Druck der EU auch andere Versorger zu ähnlichen Transaktionen entscheiden werden", prognostiziert Wilkens. Dies werde auch den europäischen Liberalisierungsprozess voranbringen - vor allem in Ländern wie Frankreich, wo die Liberalisierung der Energiebranche bislang recht langsam verlaufe.

Bernotat hofft, dass E.ON durch die Abgabe der Kraftwerksleistungen im Gegenzug die eigene Stellung in den Zielmärkten Italien, Frankreich, Spanien oder auch den Beneluxländern ausbauen kann. Und erste Interessenten haben sich bereits aus der Deckung gewagt: Die italienische Enel, mit der E.ON vergangenes Jahr noch bis aufs Messer um die spanische Endesa gekämpft hat, zeigt sich interessiert. Der Erwerb der E.ON-Kraftwerkskapazitäten werde geprüft, kündigte Enel-CEO Fulvio Conti in der vergangenen Woche in einem Zeitungsinterview an.

E.ON erhält aus dem Endesa-Poker in diesem Jahr sowieso noch Assets für rund 10 Mrd EUR von Enel und Acciona - vor allem in Spanien und Italien. Diese Aktivitäten sollen gerade in den südeuropäischen Ländern die künftigen Wachstumsplattformen für E.ON sein, wie Vorstandschef Bernotat in der vergangenen Woche bei der Vorlage der jüngsten Bilanz unterstrich. Vor allem um E.ONs Spanien-Pläne ranken sich deshalb auch die Gerüchte. Iberdrola wollte bislang ein Interesse an einem Tauschgeschäft mit E.ON nicht kommentieren. Aber der spanische Konzern soll am Aufbau von Strom-Erzeugungskapazitäten in Deutschland interessiert sein.

Auch mit dem Iberdrola-Großaktionär, dem spanischen Baukonzern ACS, wurde E.ON nach der Ankündigung des Netz-Deals schon in Verbindung gebracht. Der ACS-Konzern, der in Deutschland schon eine größere Hochtief-Beteiligung hält, könnte Netz und Kraftwerksanteile von E.ON übernehmen und hierfür die Iberdrola-Beteiligung abgeben, wie in Presseberichten spekuliert wurde. ACS hatte hierzu bislang auch noch nicht Stellung bezogen.

Eine weitere Möglichkeit hatte Bernotat selbst bereits im vergangenen Oktober ins Spiel gebracht, als er öffentlich ein Tauschgeschäft mit dem entstehenden französischen Branchenriesen Suez/GdF angeregt hatte. Denn E.ON hat Interesse an der belgischen Tochter Distrigaz, die die paneuropäische Gassparte von E.ON Ruhrgas stärken könnte. Auch hat die Suez-Tochter Electrabel schon häufiger Interesse an einem Ausbau ihres Deutschland-Geschäfts gezeigt. Electrabel äußerte sich aber bislang ebenso wenig zu den frei werdenden E.ON-Kapazitäten wie die französische EdF, die den deutschen Markt ebenfalls zum Zielmarkt erklärt hat und der mit der Karlsruher EnBW bereits eine wichtige Beteiligung gehört.

Die Aufgabe der deutschen Erzeugungskapazitäten und der Verkauf des Stromnetzes sind lange nicht so dramatisch für E.ON, wie das für einige Beobachter auf den ersten Blick erschienen war. Große Ergebniseinbrüche sind durch die Zugeständnisse im deutschen Markt jedenfalls nicht zu erwarten. Die Credit-Analysten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) erwarten, dass durch den Deal mit Brüssel insbesondere die vielschichtige internationale Präsenz von E.ON noch weiter verbessert wird. Dies sorge für eine "breite Ertragsbasis ohne weitreichende Abhängigkeiten zum deutschen Heimatmarkt".

Beim Hochspannungsnetz kommt hinzu: Die Renditen sinken weiter. Erst in der vergangenen Woche hatte die Regulierungsbehörde die von E.ON für 2008 beantragten Entgelte um 25% gekürzt. Außerdem stehen kapitalintensive Investitionen an, um die Netze für den weiteren Ausbau der Windenergie fit zu machen und Schwachstellen an den Grenzübergängen auszumerzen. Das Netzgeschäft hatte 2007 noch einen hohen zweistelligen Mio-EUR-Betrag zum Konzerngewinn beigetragen - bei einem EBIT von bereinigt über 9,2 Mrd EUR ist dies keine entscheidende Größe. Ein Netzverkauf wäre für die LBBW deshalb auch eine "radikale, aber durchaus nachvollziehbare Änderung der bisherigen Geschäftspolitik".

A.T. Kearney-Experte Florian Haslauer verweist darauf, dass E.ON auch mit dem Netzverkauf den europäischen Binnenmarkt voranbringen könnte. Der Konzern werde deshalb einen Käufer suchen, der selbst ein hohes Interesse an Investitionen vor allem an den Engpässen an den Grenzen hat. "Wichtig wäre die Schaffung von überregionalen Verknüpfungen. Das könnte etwa eine regionale Netzgesellschaft für die ganze Region Deutschland, Frankreich und Benelux sein." Dies würde den Wettbewerb in Europa und damit auch E.ONs Position im Markt verbessern. Hasslauer glaubt deshalb auch nicht, dass das Netz an einen Finanzinvestor veräußert wird.

Heute hat E.ON in Deutschland immer noch eine starke Basis. Über die Hälfte des operativen Gewinns werden aber mittlerweile schon im Ausland erwirtschaftet. Den Heimatmarkt will E.ON mit Investitionen von 11 Mrd EUR bis 2010 weiter stärken, was für Bernotat "ein starkes Bekenntnis zum Standort Deutschland" ist. Allerdings will E.ON bis 2010 insgesamt 50 Mrd EUR investieren. Das Geld fließt überproportional ins Ausland. Der Grund ist klar: In Deutschland stößt E.ON an Wachstumsgrenzen. Neben dem Regulierer erhöht auch das Kartellamt den Druck. Übernahmen in Deutschland schließt E.ON mittlerweile sogar selbst öffentlich aus.

Nach Einschätzung von Peter Rosin, Energiexperte der Anwaltskanzlei Clifford Chance Pünder, wird es nicht nur für die Kraftwerkskapazitäten, sondern auch für das Netz eine ganze Reihe von Interessenten geben. "Dies könnte die britische National Grid genauso sein wie Finanzinvestoren", sagt er. Eine schnelle Lösung ist dennoch eher unwahrscheinlich. E.ON selbst strebt mit der EU-Kommission eine Verkaufsfrist von zwei Jahren an.

"E.ON setzt auf Europa", hatte Vorstandschef Bernotat in der vergangenen Woche bei der Bilanzvorlage angekündigt. Was dies heißt, wird mittlerweile immer klarer: Der Düsseldorfer Konzern gibt nicht nur das Modell eines vertikal integrierten Versorgers auf, sondern freiwillig auch bislang als wichtig angesehene Assets in Deutschland. Das Unternehmen spart aber nicht unerhebliche Bußgelder, die Analysten bereits mit 2 Mrd bis 3 Mrd EUR ansetzen, und baut seine internationalen Marktstellungen weiter aus. Letztlich könnte der EU-Deal sich für den nach der EdF weltweit zweitgrößten Energiekonzern als Befreiungsschlag erweisen.

"Die E.ON-Netzpläne könnten außerdem auch die anderen großen Netzbetreiber unter Druck setzen, sich ebenfalls für einen Verkauf zu entscheiden", erwartet A.T. Kearny-Experte Haslauer. Vor allem die RWE AG dürfte in den nächsten Monaten im Blickpunkt stehen. Zwar hatte sich der Essener DAX-Konzern bereits deutlich gegen einen Netzverkauf ausgesprochen. Aber auch RWE-Netzmanager hatten in jüngster Zeit die Margenverschlechterungen angeprangert. Und die EU-Verfahren gegen RWE sind auch noch nicht abgeschlossen.

Webseite: http://www.eon.com -Von Andreas Heitker, Dow Jones Newswires, +49 (0)211 13872 14, andreas.heitker@dowjones.com (Zu diesem Bericht hat Jan Hromadko in Frankfurt beigetragen.) DJG/hei/mim/nas

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