Die Ressourcen verschlingende High-Tech-Branche

Klimakrise und die Tech-Wirtschaft - Teil 1



Jan Nintemann ist examinierter Gymnasiallehrer. Er studierte Geschichte, Germanistik, Pädagogik und Philosophie. In den 1990er Jahren hat Nintemann NTplus (heute: Also) und die Teleprofi-Fachhandelskooperation gegründet. Seit über 20 Jahren ist Nintemann Inhaber der Messe-Agentur Global Fairs in Osnabrück. Genauso lang organisiert er den Reseller Park auf der IFA in Berlin. Seit 2012 betreibt Nintemann Gemeinschaftsstände zum Themenkomplex SmartHome/ SmartBuilding auf der IFA Berlin, auf der Light+Building und der ISH Frankfurt sowie auf der Angacom Köln.
Wozu all die technischen Möglichkeiten, wenn wir sie zur Bewältigung der Klimakrise nicht nutzen? Geld und Technologien gibt es mehr als genug, es hapert immer nur an der Umsetzung.
Die Flut im Westen Deutschlands im Juli 2021 war nur ein Vorbote des Klimawandels.
Die Flut im Westen Deutschlands im Juli 2021 war nur ein Vorbote des Klimawandels.
Foto: M. Volk - shutterstock.com

"Ob die Menschheit eine Klimakatastrophe abwenden kann, wird sich nicht in ferner Zukunft, sondern schon in den nächsten Jahren entscheiden. Sofort-Maßnahmen sind deshalb dringend geboten! Ich glaube sehr an die allgemeine Richtlinie - global denken - aber lokal handeln".

Der zitierte Satz ist 33 Jahre alt und wurde seinerzeit von dem ehemaligen Bundeskanzler Willi Brandt in seiner Rede auf der zweiten globalen Klimakonferenz 1988 in Hamburg vorgetragen.

Klimawandel im Jahr 2021

Mitte August 2021 hat das Bundeskabinett ein Budget in Höhe von 30 Milliarden Euro zur Beseitigung der Schäden der großen Flutkatastrophe Mitte Juli 2021 im Westen Deutschlands bewilligt. Diese Flutkatastrophe war nur der Anfang - quasi der Vorbote des Klimawandels und der damit einhergehenden Wetterextreme und Landschaftszerstörungen (Hitzeperioden, Dürren, Tornados, Überschwemmungen, Schlamm- und Gerölllawinen, Waldbrände).

Sollen Steuerzahler weiterhin für die damit verbundenen Schäden aufkommen, während die Hauptverursacher des Klimawandels immer noch ihre Gewinne einfahren? Wir wissen, dass die absehbaren Folgen der Klimakatastrophe uns in Zukunft weitaus mehr Kosten verursachen werden, als die notwendigen Investitionen zu ihrer Verhinderung uns je abgefordert hätten - wenn wir sie denn nur zeitgerecht aktiviert hätten! Aber stattdessen wird auch heute noch weiter die Kohleindustrie subventioniert.

Kann man sich überhaupt noch vorstellen, wieviel Billionen Euro die Staaten sich in Zukunft hätten sparen können, wären sie schon nach Brandts Rede vor 33 Jahren den Erkenntnissen der Wissenschaft gefolgt, und hätten damals schon damit begonnen, mit gezielten Maßnahmen den CO2-Ausstoß deutlich stärker zu reduzieren als es tatsächlich passiert ist?

Wie bemerkenswert dumm kommt einem doch das auch heute noch immer wieder heraufbeschworene Gerede von der "Verbotspartei" (angebliche Strategie Grünen) vor. Selbstverständlich hätte tatsächlich all das verboten werden müssen, was unsere eigenen Lebensgrundlagen und die Zukunft unserer Nachfolge-Generationen auf der Erde zerstört - was denn sonst

Wie konnten Staaten mit ihren zuständigen Kontrollorganen seit Generationen immer wieder chemische Substanzen in die Umwelt gelangen lassen, die in nur 80 Jahren das größte Artensterben unseres Jahrhunderts seit dem Aussterben der Dinosaurier vor 66 Millionen Jahren verursacht haben? Der freie Markt hat es eben nicht gerichtet - er selbst hat den Klimawandel mitverursacht.

Freie Marktwirtschaft muss sich an Regeln halten

Verstehen Sie mich nicht falsch - ich bin ein leidenschaftlicher Vertreter der sozialen und freien Marktwirtschaft - aber einer, die ihren Namen auch verdient. Ist es etwa christlich, Klima und Umwelt - also Gottes Schöpfung - für die Mehrheiten und für unsere nachfolgenden Generationen mutwillig zu zerstören und womöglich das Überleben von Teilen der Bevölkerung aufs Spiel zu setzen, einzig der Gier einer kleinen Wirtschaftselite zuliebe?

Die Entwicklung und die immer leistungsfähigere, computergestützte Klima- und Umweltforschung hat in jüngster Zeit überraschend deutlich ausgemacht, dass die Folgen der Klimaerwärmung und der Umweltverschmutzung nicht erst in einigen Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten deutlich zu spüren sein werden.

Nein! Auf der ganzen Welt brennt und flutet es schon jetzt. Das Eis in der Polarregion und in Grönland schmilzt viel schneller als vor wenigen Jahren noch vermutet, der Golfstrom schwächt sich messbar ab - mit unübersehbaren Folgen für das Klima speziell in Nordeuropa. Die Zahl der Klimaflüchtlinge steigt von Jahr zu Jahr und provoziert kriegerische Auseinandersetzungen.

Es zeigt sich, dass die Klimawissenschaftler in den vergangenen 40 Jahren niemals übertrieben haben, sondern aus Angst, unseriös zu wirken (auch aufgrund heftiger Attacken gegen sie - zum Beispiel seitens der Öl-Industrie), eher zu vorsichtig ihre Erkenntnisse an die Öffentlichkeit brachten. Somit kann man getrost davon ausgehen, dass die inzwischen täglich veröffentlichten Meldungen der Klimaforscher keine übertriebenen Schreckensszenarien darstellen.

Kommt nach dem "Century of Waste" das Recycling-Jahrhundert?

Ja - auch ich liebe die Freiheit - auch die unternehmerische. Aber es gibt keine Gesellschaft, welche ohne Regularien auskommt. Die (fast) grenzenlose Freiheit einzelner Großunternehmen widerspricht der Natur.

Die Konzentration von Macht durch die monetär-getriebenen kapitalistischen Systeme - in den letzten Jahrzehnten durch die Möglichkeiten digitaler Algorithmen und KIs nochmals um ein Vielfaches beschleunigt - hat unser Zusammenleben auf diesem Planeten global ins Wanken und gebracht. Statt holistisch im Einklang mit der Natur zu agieren, haben wir unsere Welt derart ausgebeutet, dass für die nachfolgenden Generationen kaum was übrigbleibt. Das 20te Jahrhundert wird als das "Century of Waste" in die Geschichte eingehen.

Der Rohstoff- und Materialverbrauch unserer produktiv-industrialisierten Konsumentenwelt ist so gigantisch, dass wir die gesetzlich verankerten und einklagbaren Klima- und Umweltziele des Pariser Abkommens nur noch einhalten können, wenn der Rohstoffverbrauch in den nächsten zwei Jahrzehnten um die Hälfte reduziert wird. Ist das zu schaffen?

Gibt es in Zukunft Geschäftsmodelle, in denen die Unternehmensgewinne weniger vom Materialeinsatz der Rohstoffe und mehr von vielfältigen und neuartigen Dienstleistungen generiert werden können? Können wir wenigstens in Zukunft aus Öl und Gas abstammenden industriellen Kunststoff-Produkten oder bereits recycelten Plastik Produkte fabrizieren, deren Bestandteile sich wieder auf einen produktionsfähigen Zustand zurückführen lassen und somit endlich eine Kreislaufwirtschaft in Gang gesetzt werden kann, die - in Verbindung mit ausgeklügelten Vermeidungskonzepten - uns dem Ziel der 50-prozentige Reduzierung der Ressourcen näher kommen lässt?

Die Antwort lautet: ja! Wir können so viel umweltfreundliche Energie auf dieser Welt produzieren (bei gleichzeitiger Effizienzmaximierung des Energieverbrauchs mittels KI) , dass wir auf alle fossilen Energieträger verzichten könnten, wenn wir es nur wollten.

Was jetzt zu tun ist, um Ressourcen einzusparen

Wir haben keine Zeit zu verlieren - das Klima hat schon begonnen, uns die dramatischen Folgen unseres ignoranten Verhaltens vor Augen zu führen. Nichts wird zukünftig die Veränderung von Politik und Wirtschaft sowie die Entwicklung neuer Technologien mehr beeinflussen als die Klimakrise selbst. Spätestens seit Beginn der 2020er Jahre bestimmt der Klimawandel sowohl das Tempo der bevorstehenden gesellschaftlich- und technologisch notwendigen Veränderungen als auch unseres Konsumverhalten.

Der Faktor Klima ist zum beherrschenden Faktor der Transformation in eine neue digitalisierte und klimaneutrale Welt geworden. In diesem Jahrzehnt, so sagen die Klimaforscher, wird - ja muss - die Welt sich mehr verändern als in den vergangenen hundert Jahren - sollten wir das 1,5 - 2-Grad-Ziel des Pariser Abkommens einhalten wollen. (rw)

Im zweiten Teil der Analyse von Jan Nintemann geht es um konkrete Maßnahmen zu Reduktion des CO2-Ausstoßes - mit Technologien wie SmartHome, SmartBuilding und SmartCity.

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