Schon wieder: Experten erwarten Allokation im Speichermarkt

27.04.2000
Die Entwicklung im Speichermarkt richtig vorherzusagen, gleicht derzeit einem Blick in die Glaskugel. Die meisten Branchenkenner prophezeien jedoch eine Verschlechterung der Verfügbarkeit und steigende Preise. ComputerPartner hat Distributoren nach ihrer Einschätzung befragt.

Der Speichermarkt präsentiert sich zur Zeit unausgeglichen. Fachhändler müssen sich darauf einstellen, dass Memory-Module in Kürze wieder teurer werden. "Momentan ist die Nachfrage eher gering", erklärt Sylvia Kessler, Produkt-Managerin bei Computer 2000, und dementsprechend ruhig sei der Markt.

"Grundsätzlich ist eine leichte Aufwärtsbewegung bei den Preisen zu registrieren", stellt dagegen Michael Tretter, Produkt-Manager Speichermodule bei Emeaa, fest. "Allerdings hinkt der deutsche Markt der internationalen Entwicklung noch hinterher. Das ist daran zu erkennen, dass die Preise hier merklich unter den Importpreisen liegen. Offenbar ist noch ausreichend Ware im deutschen Markt vorhanden. Da die Nachfrage momentan schwach ausgeprägt ist, wird sich daran in absehbarer Zeit wenig ändern."

Speicherhersteller planen nur mit den Großen

Laut Christoph Runge ist der Absatz nicht nur in Deutschland gering, sondern in ganz Europa. "Alle Hersteller festigen die Preise, haben die Bücher durch langfristige Abnahmeverpflichtungen der großen OEMs gefüllt und sehen keinen Anlass, die Preise für die Distribution und somit für den Fachhandel zu senken", erklärt der Leiter BU Components von Peacock. Runge weiter: "Die Produktionsmengen sind auf die garantierten Abnahmemengen der Partner heruntergefahren und ermöglichen keinen Oversupply für den Markt - und somit keinen deutlichen Preisrutsch." Er glaubt nicht, dass der Fachhandel und kleinere OEMs einen deutlichen Preisanstieg akzeptieren werden, da die Herstellungskosten bei Eigenassemblierung über denen der aktuellen A-Brand-Hersteller liegen würden.

Silcom-Sales-Manager Frank Borkowski begründet die schleppende Nachfrage mit der aktuellen Situation im Prozessormarkt. "Die Lieferschwierigkeiten dauern nun mittlerweile seit Mitte Dezember an, so dass kleine und mittlere Assembler nach wie vor starke Beschaffungsprobleme bei Entrylevel-CPUs haben." Borkowski geht davon aus, dass sich die Absatzmisere weiter ausweitet. "Immer mehr Retailer und Lebensmittelmärkte, die die Kunden mit großen Mengen preisgünstiger Komplettsysteme versorgen, stoßen in den Markt vor. So gerät der Fachhändler schnell auf ein hausgemachtes Problem - seine Positionierung im Markt. Wer sich als Fach- beziehungsweise Einzelhändler dem Preiskampf mit den Ketten hingibt, wird sehen, dass dabei Qualität und Service auf der Strecke bleiben. Aber genau dort war doch immer der Unterschied", sagt der Sales-Manager.

Wiederverkäufer müssen sich aber nicht nur auf steigende Preise einstellen, sondern auch auf eine neuerliche Allokation. "Man hört durchaus Gerüchte von Warenverknappung, und immer wieder gibt es mal kurzfristige Engpässe. Aber bisher läuft die Versorgung weitgehend in normalen Bahnen", konstatiert Roland Bartunek, Produkt-Manager von P&T.

"Eine Verknappung ist nicht unwahrscheinlich", vermutet Peacock-Manager Runge. "Die Hersteller verlassen sich ausschließlich auf die Planzahlen der großen OEMs und kalkulieren kaum Steigerungen im Fachhandelsbereich ein." Die Herstellungskapazitäten sind momentan nahezu mit Chipproduktionen für Handys sowie für optische Massenspeicher wie DVD-ROM- und CD-RW-Laufwerke ausgelastet. Die Abnahmemengen der OEMs bedeuten für alle Hersteller eine Garantie an Umsatz und Produktionsquantität und somit eine Sicherung ihrer bereits getätigten Investitionen. "Warum sollte nun ein Risikofaktor für einen schlecht planbaren Absatzmarkt im Fachhandel einkalkuliert werden?", fragt Runge.

Laut Silcom-Manager Borkowski ist die Verknappung bereits da. "Nur führt sie durch die fehlende Nachfrage dieses Mal nicht zu den dramatischen Preisanstiegen wie in der Vergangenheit. Erst wenn wieder ausreichend CPUs im Markt verfügbar sind und der Speicherbedarf wieder ansteigt, werden auch die Preise recht schnell nach oben tendieren, denn fast alle Speicherhersteller sind - nach ihren Angaben - an den Kapazitätsgrenzen angelangt."

PC133 auf dem Sprung zum neuen Standard

Die Zukunft gehört PC133-Modulen. "Der Handel stellt bei neuen PCs bereits um", weiß CTT-Chefeinkäufer Rigo Klemm. Allerdings sei noch ein großes Upgrade-Potential vorhanden. C2000-Managerin Kessler sieht es ähnlich: "Wenn der Kunde die Wahl hat, nimmt er PC133."

Runge schätzt den Distributionsanteil auf nahezu 50:50 und geht davon aus, dass der PC133-Anteil kurzfristig auf 70 Prozent ansteigen wird. "Die Nachfrage kann erst jetzt erfüllt werden, da nun OEM-Brands in großen Stückzahlen zu relevanten Preisen angeboten werden. Sobald Intel die Mengen der CPUs mit 100 MHz FSB senkt, wird der Anteil deutlich steigen", glaubt der Peacock-Manager.

Bei P&T verzeichnen die Verantwortlichen insbesondere bei PC133-SDRAMs mit 128 MB eine verstärkte Nachfrage. "Spätestens beim Launch des Intel 815 Solano rechne ich mit Marktanteilen von bis zu 50 Prozent", erklärt Bartunek. Bei Silcom sieht man es ähnlich. "Mit der Verfügbarkeit der Solano-Motherboards wird der PC133-Bedarf recht schnell steigen", analysiert Borkowski.

Ältere Speichermodule sind immer noch gefragt

Das Upgrade-Business mit PC66-Modulen und EDO-Simms läuft stabil. Die Produktion der dazugehörigen Bauteile wurde allerdings bereits seit einiger Zeit eingestellt. Insbesondere die Nachfrage nach EDO- und Fastpage-Speicher lässt sich immer weniger befriedigen. "Die Preise sind in den letzten fünf Wochen um zirka 50 Prozent gestiegen", erläutert CTT-Einkäufer Klemm.

Runge steht dieser Entwicklung skeptisch gegenüber. "Der Upgrade-Kunde wird diese hohen Preise nicht akzeptieren, sondern sein System lieber komplett auf eine neue Technologie umstellen."

Silcom-Manager Borkowski rechnet damit, dass der Bedarf noch eine ganze Zeit bestehen bleibt. "Der PC66-Bereich kann mittlerweile zum größten Teil mit den abwärtskompatiblen PC100- oder PC133-Standards abgedeckt werden. Es gibt trotzdem noch Aufrüstbedarf für viele ältere Systeme, in denen nur PC66 eingesetzt werden kann, so dass sich die Zeit bis zum Aussterben verzögern wird." (kfr)

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