Missbräuchliche Befristungsketten

Unzulässige Befristung von Arbeitsverhältnissen

09.01.2015
Die Befristung eines Arbeitsvertrags ist grundsätzlich zulässig. Dies gilt nicht, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat, sagt Armin Rudolf.
Die Befristung von Arbeitsverträgen sollte ursprünglich eine Brücke zur Dauerbeschäftigung von Arbeitnehmern schaffen.
Die Befristung von Arbeitsverträgen sollte ursprünglich eine Brücke zur Dauerbeschäftigung von Arbeitnehmern schaffen.
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Nach § 14 Abs. 2 S. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ist die Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Das gilt nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG aber nicht, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Eine "Zuvor-Beschäftigung" im Sinne dieser Vorschrift liegt nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nicht vor, wenn ein früheres Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliegt, vgl. BAG, Urteil vom 06.04.2011 - Aktenzeichen 7 AZR 716/09. Mit dem vorerwähnten Urteil hatte das BAG seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben, nach der die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags generell ausscheidet, wenn der betroffene Arbeitnehmer bereits irgendwann zuvor einmal bei demselben Arbeitgeber beschäftigt war.

Festhalten an der früheren Rechtsprechung

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hält in seinem Urteil vom 26. September 2013 - Aktenzeichen 6 Sa 28/13 - an der früheren Rechtsprechung des BAG fest, so Rudolf, und weicht damit von der neueren Rechtsprechung des BAG ab. Das LAG Baden-Württemberg (6. Kammer) hält die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung gegen den eindeutigen Wortlaut des Gesetzestextes und den aus dem Gesetzgebungsverfahren erkennbaren Willen des Gesetzgebers, keine Frist in das Gesetz aufzunehmen, durch das BAG für überschritten. Jedenfalls hätte das BAG - so das LAG Baden-Württemburg in seinem vorerwähnten Urteil - die Regelung des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit vorlegen müssen.

Außerdem weicht hier die Rechtsprechung des 7. Senats des BAG von der des 2. Senats ab, sodass der 7. Senat des BAG nach der Auffassung des LAG Baden-Württemberg in seinem oben genannten Urteil das Verfahren zur Wahrung der Rechtseinheit nach § 45 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) hätte durchführen und den Großen Senat des BAG hätte anrufen müssen, bevor es seine bisherige Rechtsprechung aufgibt und wesentlich ändert.

Das LAG Baden-Württemberg hat in seinem vorerwähnten Urteil die Revision zum BAG zugelassen. Von hier aus wird nicht erwartet, dass das BAG zu seiner früheren Rechtsprechung zurückkehrt, nach der eine wirksame sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags gem. § 14 Abs. 2 TzBfG eine Neueinstellung eines Arbeitnehmers voraussetzt.

Brücke zur Dauerbeschäftigung

Die Begründung des BAG für seine Rechtsprechungsänderung im Jahr 2011 war nämlich gut nachvollziehbar: Die sachgrundlose Befristungsmöglichkeit soll Arbeitgebern ermöglichen, auf schwankende Auftragslagen und wechselnde Marktbedingungen durch befristete Einstellungen zu reagieren. Für Arbeitnehmer soll die sachgrundlose Befristungsmöglichkeit eine Brücke zur Dauerbeschäftigung schaffen. Das Verbot der "Zuvor-Beschäftigung" dient somit dazu, Befristungsketten und den Missbrauch befristeter Arbeitsverträge zu verhindern.

Damit das Anschlussverbot nicht zu einem Einstellungshindernis wird, ist es aber nur insoweit gerechtfertigt, als dass es zur Verhinderung solcher Befristungsketten erforderlich ist. Das ist jedoch bei einer lange Zeit zurückliegenden früheren Beschäftigung typischerweise nicht mehr der Fall.

Die Gefahr missbräuchlicher Befristungsketten besteht aufgrund der nachvollziehbaren Auffassung des BAG regelmäßig nicht mehr, wenn zwischen dem Ende des früheren Arbeitsverhältnisses und dem sachgrundlos befristeten neuen Arbeitsvertrag mehr als drei Jahre liegen. Dieser Zeitraum entspricht nämlich der regelmäßigen zivilrechtlichen Verjährungsfrist.

Konsequenzen für Arbeitgeber

Arbeitgebern war unter der früheren Rechtsprechung des BAG zu empfehlen, von ihrem Fragerecht als Arbeitgeber Gebrauch zu machen und sich vor jedem Abschluss eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags von dem betroffenen Arbeitnehmer versichern zu lassen, dass er nicht bereits zuvor einmal bei dem Unternehmen oder einer Rechtsvorgängerin beschäftigt war. Die neuere Rechtsprechung des BAG vereinfachte die sachgrundlose Befristungsmöglichkeit. Sie war daher aus Sicht der Arbeitgeber zu begrüßen. Sie trugen aufgrund der neueren Rechtsprechung des BAG weniger Risiken bei befristeten Einstellungen. Das könnte sich wieder ändern, falls sich die Rechtsauffassung der 6. Kammer des LAG Baden-Württemberg durchsetzen sollte.

Konsequenzen für Arbeitnehmer

Die sachgrundlos befristete Einstellung von Arbeitnehmern wurde durch die oben dargestellte neuere Rechtsprechung des BAG erleichtert. Es war daher in der Praxis zu beobachten, dass häufiger befristete Einstellungen erfolgten, die nicht selten in unbefristete Arbeitsverhältnisse übergehen - sei es bewusst und gewollt - sei es, weil Formvorschriften bei der Begründung und Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnissen nicht eingehalten werden. Arbeitnehmer sollten daher immer von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht überprüfen lassen, ob eine wirksame Befristung vorliegt oder ob sie nicht bereits formaljuristisch betrachtet in einem unbefristeten Anstellungsverhältnis stehen. (oe)

Weitere Informationen: Armin Rudolf, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Notar und Mitglied im VDAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. (VdAA) mit Sitz in Stuttgart.
Kontakt: RITTER GENT COLLEGEN, Lüerstraße 3, 30175 Hannover, Tel.: 0511 53899921, E-Mail: rudolf@ritter-gent.de, Internet: www.ritter-gent-arbeitsrecht.de

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