UPDATE: Breite Kritik an EU-Plänen für mehr Telekom-Wettbewerb

13.11.2007
(NEU: Reaktionen aus Deutschland) Von Angelika Steinfort und Stefan Mechnig Dow Jones Newswires

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BRÜSSEL/DÜSSELDORF (Dow Jones)--Die Europäische Kommission will für mehr Wettbewerb in der Telekommunikation sorgen. Die zuständige Kommissarin Viviane Reding stellte am Dienstag umstrittene Vorschläge zur Überarbeitung der bestehenden Gesetzgebung vor. Sie will eine zentrale Branchenaufsicht in Brüssel schaffen, bei Großkonzernen Netze und Dienste trennen und viele Bereiche aus der Regulierung entlassen. Kritik und Ablehnung überwiegen - in der Industrie und bei den nationalen Kontrollbehörden, aber auch in EU-Staaten und im Europäischen Parlament.

Reding begründete ihre Vorschläge damit, dass trotz beträchtlicher Fortschritte bei der Öffnung der Telekommärkte weiter entscheidende Marktsegmente von den Ex-Monopolisten dominiert würden, die dabei häufig von den jeweiligen Regierungen Schutz erführen. Darunter leide die Wahlfreiheit der Verbraucher. Abhilfe schaffen soll die anstehende Überarbeitung des EU-Rechtsrahmens, die noch den Ministerrat und das EU-Parlament passieren muss. Ab 2009/2010 könnten die neuen Regelungen dann in nationales Recht umgesetzt werden.

Reding drängt zum einen auf eine einheitliche Frequenzpolitik nach marktwirtschaftlichen Kriterien. Das soll auch für den Handel mit Frequenzen gelten. Damit sollen Investitionen in die Infrastruktur angeregt werden mit dem Ziel "Breitbandzugang für alle" zu erreichen. Die übergeordnete EU-Behörde für Telekommunikation, die der Kommissarin außerdem vorschwebt, soll Entscheidungen der nationalen Regulierer bewerten und für eine einheitliche Vorgehensweise sorgen soll. Auf diese Weise will die Kommission mehr Einfluss auf die Regulierung nehmen.

Die so genannte funktionale Trennung von Netz und Diensten soll nach den Vorstellungen der Luxemburgerin Kommissarin marktbeherrschende Unternehmen zwingen, allen Anbietern Zugang zu der so genannten letzten Meile, also den Hausanschlüssen der Endkunden, zu verschaffen. Elf der 18 Telekom-Teilmärkte will Reding aus der Vorab-Regulierung entlassen und in das allgemeine Wettbewerbsrecht überführen. Genehmigungspflichtig soll neuerdings der Bereich der Vorleistungen für Breitbandzugänge sein. Kritiker sehen in dieser Bestimmung eine versteckte Ausweitung der Regulierung.

Die Beratungen in Rat und Europaparlament über die Vorschläge werden einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Vorsitzende des federführenden Industrieausschusses im Parlament, Angelika Niebler, erwartet den Abschluss der ersten Lesung im Ausschuss bis zum Sommer. Viele Details bedürften einer Klärung, sagte die CSU-Abgeordnete, die vor allem die angestrebte Kompetenzerweiterung kritisch sieht. Die jetzigen Gesetze von 2002 hätten die Erwartungen erfüllt, so dass es nur weniger Anpassungen bedürfe, erklärte Niebler.

Abgeordnete der Europäischen Sozialdemokraten und Grünen lehnten in ersten Reaktionen sowohl den Handel mit Funkfrequenzen als auch eine EU-Telekombehörde ab. Auch in Deutschland stießen die Vorstellungen der Kommission auf einhellige Kritik. Die Deutsche Telekom meinte, die Pläne zur Märketreduzierung und Superbehörde führten nur dazu, dass Investitionen in Milliardenhöhe verhindert würden und Europa im internationalen Standortwettbewerb massiv zurückfallen werde.

Der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM), der rund 50 Konkurrenten der Telekom repräsentiert, bemängelte, anstatt zur Beseitigung bestehender Wettbewerbsprobleme beizutragen, setzten die Vorschläge aus Brüssel den Wettbewerb ohne Not aufs Spiel und führten zu mehr Bürokratie, weniger Effizienz, Kompetenzverlust der nationalen Regulierer sowie Arbeitsplatzverlusten.

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, meinte, eine Superbehörde sei nicht nötig, weil es in der Telekommunikation - anders als im Energiesektor - nur wenige grenzüberschreitende Probleme gebe und die bisherigen Mechanismen wirkungsvoll seien. Auch eine Ausweitung des Veto-Rechts der Kommission auf Maßnahmen gegen marktbeherrschende Unternehmen lehnt er ab. Die Trennung von Netz und Diensten komme nur dann in Frage, wenn andere Maßnahmen der Durchsetzung der Gleichbehandlung aller Marktakteure nicht griffen. Das Beispiel Deutschland zeige, dass Zugang zur letzten Meile auch anders zu erreichen sei.

Webseiten: http://www.ec.europa.eu, http://www.telekom.de http://www.vatm.de http://www.BNetzA.de -Von Angelika Steinfort und Stefan Mechnig, Dow Jones Newswires, ++32 2 7411490, europa.de@dowjones.com DJG/ang/stm/kth

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