UPDATE: Debevoise legt Siemens-AR Prüfbericht zu Compliance vor

29.04.2008
(NEU: Details) Von Alexander Becker DOW JONES NEWSWIRES

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MÜNCHEN (Dow Jones)--Die US-Kanzlei Debevoise & Plimpton hat den Aufsichtsrat der Siemens AG über den aktuellen Stand der Untersuchungen von Compliance-Verstößen in dem Konzern informiert. Die Kanzlei habe in nahezu allen untersuchten Geschäftsbereichen und in zahlreichen Ländern Belege für Fehlverhalten im Hinblick auf in- und ausländische Anti-Korruptionsvorschriften gefunden, teilte der DAX-Konzern am Dienstag mit.

Die Berichterstattung von Debevoise & Plimpton umfasse den Status der Ermittlungen des früheren Siemens-Bereichs Com und in bestimmten weiteren Geschäftsbereichen von Siemens, nämlich Power Generation (PG), Power Transmission and Distribution (PTD), Transportation Systems (TS), Industrial Solutions and Services (I&S) und Medical Solutions.

Das Fehlverhalten umfasse nicht nur direkte Korruptionsvorfälle, sondern vielfach auch Verletzungen von Vorschriften, die sich auf die internen Kontrollen und die Korrektheit der Dokumentationen beziehen.

Bereits auf der Hauptversammlung im Januar hatte Finanzvorstand Joe Kaeser gesagt, dass sich die insgesamt gefundenen fragwürdigen Zahlungen von 1,3 Mrd EUR neben mehreren Regionalgesellschaften auf die nun von Debevoise genannten Bereiche verteilen.

Debevoise berichtet den Angaben zufolge ferner, dass nach heutigem Kenntnisstand keine neuen belastenden Informationen oder substantiierte Behauptungen vorliegen, die einer Entlastungsempfehlung des Aufsichtsrats für die der Mitglieder des Siemens-Vorstands in dessen Zusammensetzung ab 1. Mai 2008 entgegenstünden.

Debevoise hatte vor der Hauptversammlung im Januar empfohlen, die Entlastung des alten Vorstands mit Ausnahme des Vorstandsvorsitzenden Peter Löscher zu verschieben. In der vergangenen Woche hatte Siemens angekündigt, dass der neue CEO des Healthcare-Sektors, Erich Reinhardt, im Zusammenhang mit Compliance-Verstößen zum Ende April seinen Vorstandsposten verlassen wird und zum 1. Mai von Jim Reid-Anderson ersetzt wird.

Der Siemens-Aufsichtsrat habe dem Vorstand auf Basis des Berichts von Debevoise "erneut sein volles Vertrauen ausgesprochen". Zu Einzelpersonen aus dem Kreis ehemaliger Vorstandsmitglieder des Unternehmens sei der Aufsichtsrat zu der Überzeugung gelangt, "dass konkrete Schlussfolgerungen derzeit noch nicht möglich und Konsequenzen für Einzelpersonen noch nicht entscheidungsreif sind".

Das zweite Quartal des Geschäftsjahrs 2008 beinhaltet Aufwendungen von 175 Mio EUR für externe Berater im Zusammenhang mit den Untersuchungen mutmaßlicher Verstöße gegen Anti-Korruptionsgesetze und ähnlicher Angelegenheiten sowie für Maßnahmen zur Beseitigung von Schwächen des internen Kontrollsystems. In den ersten sechs Monaten des Geschäftsjahrs 2007/08 seien hierfür insgesamt Aufwendungen von 302 Mio EUR angefallen. Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2006/07 hatte das Unternehmen dafür insgesamt 347 Mio EUR ausgegeben.

Die Staatsanwaltschaft München ermittelt laut Siemens-Angaben derzeit in den Geschäftsbereichen PTD, wobei ein früheres Vorstandsmitglied als Beschuldigter geführt werde, PG, Med, TS sowie Siemens IT Solutions and Services (SIS).

Debevoise kommt in dem Bericht zu einem "differenzierten Bild" bei den Untersuchungen über die Arbeit des Vorstands und der jeweiligen einzelnen Mitglieder im Vorstand im Untersuchungszeitraum von 1999 bis 2006.

So habe "es unterschiedliche Arten und Grade von Wissen, verantwortungsbewusstem Verhalten und konkreten Handlungen oder Unterlassungen von einzelnen früheren Vorständen gegeben". Zwischen korrektem Verhalten, dem Abschieben von Verantwortung, Nicht-Reaktion oder nicht ausreichendem oder schnellem Reagieren bis zu möglicher Mitwirkung an Compliance-widrigen Aktivitäten gebe es "ein weites Spektrum und mannigfache Schattierungen". Auch seien große Unterschiede in Bezug auf die Dauer der Zugehörigkeit zum Gremium und die Verantwortungsbereiche von Einzelpersonen gegeben, die mit zu berücksichtigen seien.

Der Siemens-Aufsichtsrat habe daraufhin beschlossen, dass zu Einzelpersonen aus dem Kreis ehemaliger Vorstandsmitglieder des Unternehmens konkrete Schlussfolgerungen derzeit noch nicht möglich und Konsequenzen für Einzelpersonen noch nicht entscheidungsreif sind. "Die komplexe Faktenlage erfordere in jedem Einzelfall eine sorgfältige Bewertung".

Der Compliance-Ausschuss werde aber mit der Prüfung und Bewertung von Ansprüchen gegen ehemalige Vorstandsmitglieder beauftragt, die im Zusammenhang mit der Compliance-Untersuchung der Siemens entstanden sind oder noch entstehen.

Der Aufsichtsrat hat den Vorstand den Angaben zufolge zudem gebeten, in seinem Zuständigkeitsbereich ebenfalls das Bestehen und die Durchsetzbarkeit von Schadensersatzansprüchen gegen Mitarbeiter und ehemalige Mitarbeiter der Gesellschaft zu prüfen, sofern sie nicht durch den Prüfauftrag an den Compliance-Ausschuss adressiert sind.

Webseite: http://www.siemens.com - Von Alexander Becker, Dow Jones Newswires, +49 (0)89 5521 40 30 industry.de@dowjones.com DJG/abe/kla

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