UPDATE2: Siemens kappt wegen Wirtschaftskrise Gewinnprognose

29.04.2009
(NEU: Weitere Details, Aussagen Pressekonferenz, Markteinschätzung) Von Nico Schmidt DOW JONES NEWSWIRES

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BERLIN (Dow Jones)--Die Wirtschaftskrise hat im zweiten Quartal des Siemens-Geschäftsjahres 2008/09 deutliche Spuren in der Bilanz des Mischkonzerns hinterlassen: Von Januar bis März legten der Umsatz und - bedingt durch Sondereffekte - auch die Gewinnkennziffern des Münchener DAX-Konzerns zwar zu, der Auftragseingang schwächte sich aber deutlich ab. Angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen korrigierte die Siemens AG die Ergebnisprognose für das Geschäftsjahr erwartungsgemäß deutlich nach unten.

Das Unternehmen rechnet nun per Ende September mit einem operativen Gewinn im Kerngeschäft - also in den Bereichen Energie, Industrie und Medizintechnik -, der über dem Vorjahresniveau von 6,6 Mrd EUR liegt. Bisher hatte Siemens für das Kerngeschäft ein operatives Ergebnis in der Spanne von 8 Mrd bis 8,5 Mrd EUR angepeilt.

Die Prognosesenkung kommt für Beobachter wenig überraschend, schließlich war der Ausblick erstmals im Juli 2008 kommuniziert worden - und damit vor dem Übergreifen der Finanzkrise auf die Gesamtwirtschaft. Auch Analysten hatten zuletzt nicht mehr damit gerechnet, dass Siemens die Prognose würde halten können und eine Senkung des Ertragsausblicks auf rund 7 Mrd EUR erwartet.

Auch das Siemens-Management hatte in den vergangenen Monaten das seinige dazu beigetragen, den Markt auf eine Prognosesenkung vorzubereiten. Die Führungsriege der Münchener um den Vorstandsvorsitzenden Peter Löscher warnte zuletzt wiederholt von sich eintrübenden Geschäftsaussichten und kündigte an, den Ausblick von Quartal zu Quartal zu prüfen.

Die neue Ertragsprognose wird am Markt - ebenso wie die Zweitquartalszahlen - vor dem Hintergrund der Wirtschaftsflaute unisono als positiv eingeschätzt. LBBW-Analyst Michael Busse erwartet, dass Siemens das neue Ziel "mit Sicherheit" übertreffen wird. Dementsprechend positiv entwickelt sich die Siemens-Aktie trotz der Gewinnwarnung: In einem etwas fester tendierenden Gesamtmarkt gewinnt die Aktie am frühen Mittag 5,3% auf 49,87 EUR.

Im abgelaufenen zweiten Quartal setzte die Wirtschaftsflaute Siemens spürbar zu: Der Auftragseingang sank wegen des schwachen Konjunkturumfelds um mehr als 10%. Die Einnahmen legten dank der noch gut gefüllten Auftragsbücher hingegen um 5% auf 18,96 Mrd EUR zu und auch die zentralen Gewinnkennziffern stiegen deutlich.

Das Gewinnwachstum geht allerdings ausschließlich auf einen Sondereffekt im Vorjahresquartal zurück. Seinerzeit hatten hohe Kosten in Zusammenhang mit Projektüberprüfungen das Ergebnis des Mischkonzerns mit rund 850 Mio EUR belastet. Vorstandsvorsitzender Peter Löscher sagte auf der Pressekonferenz in Berlin, bereinigt um diesen Basiseffekt, hätte Siemens im zweiten Quartal 2008/09 einen Gewinnrückgang um etwa 10% verbucht.

Löscher sagte, "angesichts der sich weiter zuspitzenden Krise der Weltwirtschaft können wir mit den Zahlen zufrieden sein. Wir haben uns insbesondere im Vergleich zum Wettbewerb gut geschlagen". Die Sektoren Energy und Healthcare haben sich nach Aussage des Managers auch im zweiten Quartal als robust erwiesen. "Im Industry-Sektor entwickelten sich die kurzzyklischen Geschäfte erneut deutlich schwächer".

Nach Aussage des Vorstandsvorsitzenden hat es im zweiten Quartal keine erheblichen Auftragsstornierungen gegeben. Orderverschiebungen waren hingegen zu spüren, erklärte Finanzvorstand Joe Kaeser und bezifferte das Volumen auf etwa 1 Mrd EUR. Insgesamt hat Siemens Aufträge im Wert von 87 Mrd EUR in den Büchern; 23 Mrd EUR sollten noch bis Ende September umsatzwirksam werden.

Auch für den restlichen Jahresverlauf rechnen die Münchener allerdings mit einem weiter schwierigen Marktumfeld und stellen sich auf eine schwierige Zeit ein. Das derzeitige Wirtschafts- und Finanzierungsumfeld zeige keine Anzeichen für eine Besserung der Lage. "Der Verlauf dieses Jahres hat auch bei uns eine eindeutige Richtung", sagte Löscher. "Wir stellen uns also aufgrund der fortdauernden Krise für die kommenden Quartale auf eine zunehmend abflachende Entwicklung ein".

Siemens rechnet nach Aussage des Spitzenmanagers mit einer weiteren Abschwächung der Volumina der Auftragseingänge, dem Umsatz und dem Ergebnis. Eine Bodenbildung sei noch nicht in Sicht. Im Bereich Healthcare erwartet das Unternehmen aufgrund der Wirtschaftskrise weitere Verschlechterung des Marktumfelds und im erfolgreichen Energy-Sektor Druck auf den Auftragseingang. Auch im Bereich Industry sieht der Mischkonzern weitere Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf sich zukommen.

Auf das äußerst schwierige Umfeld will Siemens mit einem weiter rigiden Sparkurs reagieren. So sollen die Kosten im Einkauf eingedampft werden. "Die Optimierung des Einkaufs wird eine fortlaufende, integrale Aufgabe und ein Fokus bei Siemens sein", sagte Barbara Kux, im Siemens-Vorstand für den Bereich Supply Chain Management zuständig. Ein festes Einsparziel nannte sie jedoch nicht.

Beim Programm zur Senkung der Vertriebs- und Verwaltungskosten (SG&A) sieht sich Siemens auf Kurs, das Einsparziel zu erreichen oder gar zu übertreffen. Nach Aussage Löschers wurden zum Ende des ersten Halbjahres bereits 1 Mrd EUR eingespart. Ursprüngliches Ziel war es, die Vertriebs- und Verwaltungskosten bis zum Ende des Geschäftsjahres 2009/10 um etwa 1,2 Mrd EUR zurückzufahren. Diese Zielmarke könne nun auch übertroffen werden, erklärte der Spitzenmanager des Münchener Mischkonzerns.

Auch eine Ausweitung der Kurzarbeit scheint aus momentaner Sicht wahrscheinlich. Aktuell arbeiten rund 12.000. Siemens-Beschäftigte kurz; diese Zahl könnte bis zum Juni auf 19.000 steigen. "Wir müssen davon ausgehen, weitere Anpassungsmaßnahmen vornehmen zu müssen", sagte Löscher. Letztlich entscheide die Auftragssituation, ob die Kurzarbeit ausgeweitet werden müsse. Betriebsbedingte Kündigungen schloss er für 2009 aus.

Webseite: http://www.siemens.com -Von Nico Schmidt, Dow Jones Newswires; +49 (0)69 - 29725 111, nico.schmidt@dowjones.com DJG/ncs/roa

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